Der nächste große Sprung im automobilen Leichtbau wird nach Ansicht der BASF durch den Einsatz

Der nächste große Sprung im automobilen Leichtbau wird nach Ansicht der BASF durch den Einsatz endlosfaserverstärkter Hochleistungsverbundwerkstoffe gelingen. Sie gestatten die Ent¬wicklung von sehr leichten und trotzdem hoch belastbaren Bauteilen, die Metall, Fasergelege und Kunststoff effizient verbinden. Das neu gegründete Composite-Leichtbau-Team der BASF kann dabei auf die drei Kunststoff-Gattungen Polyurethan, Epoxid und Polyamid zugreifen. (Bild: BASF - the Chemical Company, 2011)

LUDWIGSHAFEN (ba). Durch ihr breites Portfolio ist es der BASF möglich, drei verschiedene Kunststoffmatrix-Systeme parallel zu untersuchen und anzubieten. In enger Zusammenarbeit mit den Kunden wird das Unternehmen diese Systeme weiterentwickeln. „Wir können hier auf unser Know-how in der Epoxidharz-, der Polyurethan- und der Polyamid-Chemie zugreifen, wollen im Team die Synergien nutzen und werden in den nächsten Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag in die Entwicklung investieren“, sagt Willy Hoven-Nievelstein, Leiter der Geschäftseinheit Engineering Plastics Europe, BASF.

Die Verarbeitungstechnik hinter den neuen Werkstoffen ist das Verfahren des „Resin Transfer Molding“ (RTM), mit dessen Hilfe große und komplexe Verbund-Bauteile in einem Press-Form-Prozess entstehen. Dabei werden mehrlagige Faserstrukturen in ein beheiztes Werkzeug eingelegt, das sich in einer Presse befindet. Danach wird ein flüssiges Kunstharz in die Form gespritzt, das die Fasern vollständig benetzt und dann kontrolliert aushärtet. Im neu gegründeten RTM-Labor in Ludwigshafen sowie bei der Polyurethan-Forschung in Lemförde arbeiten die BASF-Experten an den chemischen und technischen Herausforderungen der neuen Matrix-Systeme. Die Automobil-Bauteile der Zukunft, die aus diesen Werkstoffen entstehen, sind trotz ihres geringen Gewichts hoch belastbar.

Gutes Fließvermögen und vor allem kurze Aushärtezeit der Kunststoffkomponenten sind neben der mechanischen Leistungsfähigkeit des fertigen Faserverbundbauteils die zentralen Herausforderungen bei allen drei Materialgattungen. Unter den Marken Baxxodur und Elastolit R bietet die BASF bereits Lösungen auf Basis von Epoxidharz bzw. Polyurethan-Systemen an. Epoxidharzsysteme der BASF finden sich heute schon in den Rotorblättern von Windanlagen. Beide Materialien verfügen über neuartige Härtungsmechanismen: Sie tränken die Faser-Textilstrukturen durch ihre niedrige Anfangsviskosität sehr gut, härten dann aber innerhalb weniger Minuten aus. Damit bieten sie Lösungen für eines der Probleme, das dem Einsatz von Hochleistungsverbundwerkstoffen in der Fahrzeugserienfertigung bisher entgegenstand. Sie sind selbsttrennend und können auf gängigen Hoch- und Niederdruckanlagen verarbeitet werden. Die neuen Polyamid-Systeme, die sich zur Zeit in der Entwicklung befinden, lassen sich zudem thermoplastisch recyclen und leicht schweißen. Je nach Anforderungsprofil des Kunden wird die eine oder andere der System-Lösungen zur Anwendung kommen. Besonderen Aufwand steckt die BASF in das beschleunigte Aushärten der drei Kunststoff-Matrixsysteme und damit in die weitere Verkürzung der Zykluszeiten.

Solche Strukturbauteile für Chassis oder Karosserie lassen sich nur aus Verbundwerkstoffen auf Basis endloser Carbon- oder Glasfasern herstellen und sie erfordern Fasergehalte von etwa 65 Gewichtsprozent. Endlosfasern sind heute schon im Flugzeugbau, in der Windenergiegewinnung, im Anlagenbau, im Prototypenbau und in automobilen Kleinserienanwendungen im Einsatz. Carbonfasern bieten als Verstärkungs­material sehr hohe Steifigkeit und sind daher von besonderem Interesse. Um sich hier früh mit Anwendern und Endnutzern austauschen zu können, ist die BASF seit kurzem Mitglied im Carbon Composites e.V. (CCeV), einem 2007 gegründetens Kompetenznetzwerk für Carbonfasern und Faserverbundtechnologie mit inzwischen mehr als 120 Mitgliedern. Wichtig für eine schnelle Markteinführung der Matrixsysteme sind jedoch neben der Leistungsfähigkeit eines Verstärkungsmaterials auch Preis und Verfügbarkeit. Hier zeigen Glasfasern ein hohes Potenzial: Ihre mechanische Leistungsstärke ist bei weitem noch nicht ausgereizt.

Die Gesamtsysteme aus Kunststoff-Matrix und Faserverstärkung müssen darüber hinaus prozesssicher sein und sollten sich zügig in die Großserie übertragen lassen. Sie werden zu einer Gewichtsreduktion gegenüber konventionellen Metallteilen von etwa 50% führen. Etablierte Technologien, die Metalleinleger oder endlosfaserverstärkte Einleger auf Basis von Organoblechen oder UD-Tapes (unidirektionale Fasergelege) im Kunststoff einbetten, ergänzen den neuen Ansatz. Endlosfaserverstärkte Deckschichten lassen sich darüber hinaus mit leichten Schaumkernen zu hochwertigen Sandwichstrukturen kombinieren, die eine außerordentlich gute spezifische Bauteilsteifigkeit und gute Isoliereigenschaften bei niedrigem Gewicht aufweisen. Die hierfür entwickelten PUR-Schaumsysteme der BASF zeichnen sich durch hohe Druckfestigkeit und Temperaturbeständigkeit bei niedriger Dichte aus. „Ohne solche Multimaterial-Systeme wird der nächste große Sprung im automobilen Leichtbau nicht möglich sein“, so Volker Warzelhan, Leiter der Forschung Thermoplastische Kunststoffe der BASF. Parallel dazu erweitert die BASF Ultrasim, ihr inzwischen universelles Computersimulationswerkzeug, um auch das Verhalten komplexer Endlosfaserverbundstrukturen vorhersagen zu können.

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