Wieder einmal bietet mein eigener Haushalt mir ungewollt Gelegenheit, über ein Thema der Instandhaltung zu schreiben, das mir sehr am Herzen liegt. Ich glaube zwar, dass ich mich schon einige Male über das Risiko von Obsoleszenz ausgelassen habe. Aber jetzt hat es mich wieder voll getroffen: Unsere Spülmaschine, die seit 14 Jahren jede Nacht treu und zuverlässig unser Geschirr gereinigt hat, hat eines Abends ihren Dienst verweigert. Auch als angeblicher Instandhaltungsexperte kann ich meine eigenen Kompetenzen recht gut einschätzen, sodass ich erst gar nicht versucht habe, selbst Hand anzulegen. Dazu habe ich Handwerker meines Vertrauens, die allerdings zurzeit wohl schon gut beschäftigt sind. Jedenfalls konnte er mir erst zehn Tage später einen Reparaturtermin zusagen. Bis dahin mussten wir (in meiner Wahrnehmung: überwiegend ich) unser tägliches Geschirr von Hand spülen.
Welchen Stellenwert eine Spülmaschine in meinem Leben hat, lässt sich daran ablesen, dass ich mir bereits in meiner allerersten Arbeitswoche als Jungingenieur als erste Investition meines Junggesellenhaushalts eine kleine Spülmaschine anschaffte. Ohne Spülmaschine mochte ich davor keinen Teller und keinen Topf verwenden, ich hätte ihn ja selbst in diesem heißen Wasser von Hand spülen müssen. Welch‘ eine Zeitverschwendung, mit einer solchen unangenehmen Arbeit.
Ich muss zugeben, dass – wann immer ich Handwerker im Hause habe – ich deren Arbeit unter einem besonderen Blickwinkel beobachte. Und ich dann immer ganz begeistert bin, wenn dieser Serviceprozess mir etwas Besonderes bietet. So auch dieses Mal. Unser Hausgeräte-Fachmann konnte nur mit seinem Gehör den angeblichen Fehler lokalisieren und auf Grund seiner Erfahrung bestimmen, welche Teile angeblich zu ersetzen sind. In wenigen Minuten hatte er die Ersatzteile auf seinem Smartphone ausgewählt und nach meiner Zustimmung sofort bestellt. Ich war begeistert. Nur die Lieferung der Teile sollte weitere zehn Tage dauern, weshalb der abendliche Spüldienst fortgeführt werden musste. Ich hatte übrigens seit einigen Tagen Spülhände, da wir Tillys Empfehlung nicht befolgt hatten.
Dann kam endlich der Tag, an dem unsere Spülmaschine wieder instandgesetzt werden sollte. Leider stellt sich nach dem Einbau der neuen Ersatzteile schnell heraus, dass leider auch noch die Umwälzpumpe defekt war. Und dann der große Schrecken: Ein Ersatz für diese Pumpe ist nicht mehr bestellbar, wir müssten uns eine neue Spülmaschine kaufen. Bestellzeit drei bis fünf Wochen!
Bei dieser Nachricht verspürte ich eine Art Phantom-Schmerz in meinen Händen, obwohl doch meine Sinnesnerven in den Fingern seit einigen Tagen durch das heiße Spülwasser wie abgestorben wirkten. Aber der Gedanke, weitere Tage oder Wochen jeden Abend den Abwasch aus abwechselnd heißem Wasserbad, kaltem Abspülwasser und im Schaum versteckten Messerklingen aushalten zu müssen, ließen mich verzweifeln.
Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby
Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.
Aber ich schweife ab, denn eigentlich wollte ich ja mit diesem Erlebnis die immer noch unterschätze Gefahr der Obsoleszenz thematisieren. Aufgrund einer einzelnen, angeblich nicht mehr verfügbaren Komponente gleich die ganze Maschine zu ersetzen, erscheint mir aus vielerlei Gründen nicht sinnvoll. Hätten wir beispielsweise sämtliche Merkmale dieser defekten Pumpe in Form eines digitalen Produktpasses vorliegen, dann könnte man leicht eine geeignete Ersatzpumpe bestimmen und so die Maschine weiternutzen. Das wäre nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch nachhaltiger. „Keep products in use“ ist ein zentrales Motto der Circular Economy. Und Instandhaltung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Warum führen wir eigentlich im eigenen Haushalt kaum verbessert Maschinenverfügbarkeit">vorbeugende Wartungsmaßnehmen an unseren Haushaltsgeräten durch? Oder bin nur ich da so nachlässig?
Glücklicherweise ist hier schon die vorgegebene Länge des Textes erreicht, sonst müsste ich jetzt sehr selbstkritisch fortfahren. Doch gelitten habe ich in den letzten Wochen schon genug.
Ihr, mit immer noch leicht rissigen Händen
Lennart Brumby