Beim Überfliegen der verschiedenen Themen der aktuell laufenden Bachelorarbeiten meines Studiengangs ist mir wieder bewusst geworden, wie vielfältig die Instandhaltung doch sein kann. Ein Absolvent macht eine Anforderungsanalyse für ein Condition-Monitoring-System, ein anderer baut ein QM-System in seinem kleinen Unternehmen auf, ein weiterer untersucht den Brandschutz in seinem Werk. Klassische Bachelorthemen wie eine Schwachstellenanalyse oder eine Strategiebestimmung für die Ersatzteilbevorratung fehlen natürlich auch in diesem Jahr nicht.
Eigentlich darf mich diese Vielfalt nicht überraschen, haben die Studierenden doch auch in ihren zurückliegenden sechs Semestern eine große Vielfalt an Lehrfächern kennenlernen dürfen (oder müssen). Am Ende ihres Studiums kamen sogar noch philosophische und ethische Aspekte hinzu, als sie sich im Rahmen eines Seminars zum Systemischen Führen in Kleingruppen auf ihre fünf wichtigsten Werte einigen sollten. Sehr interessant dabei war eine Gruppe, die "Freiheit" als ihren wichtigsten Wert genannt hat vor Unabhängigkeit, Sicherheit, Respekt und Treue. Sie begründeten dies mit ihren Erfahrungen mit der Corona-Zeit, bei der sie nach eigenen Worten schmerzhaft feststellen mussten, wie wichtig ihnen persönliche Freiheit ist. Ein weiteres, sehr interessantes Thema, dass ich mir aber lieber für eine spätere Kolumne aufhebe. Daher zurück zur Vielfalt.
Eine Absolventin meines Studiengangs, die heute Leiterin der Zentralwerkstatt bei einem Automobilzulieferer ist, hat es mal so beschrieben: „Der Job ist anspruchsvoll und abwechslungsreich! Jeder Tag ist individuell, es gibt kurzfristige Themen und langfristige Projekte. Es geht um Mechanik, Elektrik und IT-Themen. Mal steht man gemeinsam mit den Kollegen an der Maschine. Mal plant man Projekte für längere Produktionsstillstände. Nebenbei trifft man Lieferanten, bleibt auf dem aktuellen Stand der Technik und betreibt Marketing bei den Stakeholdern.“
Allerdings gibt es auch Leute, die solch eine Themen-Vielfalt nicht mögen oder gar davon überfordert sind. Auch bei meinen Studierenden kam schon mal die Frage auf, was dieses Fach mit Instandhaltung und Service zu tun habe (es ging in diesem Fall um das Vorlesungsfach IT-Security). Manch einer wünschte sich eine stärkere Eingrenzung auf die "klassischen" Ingenieursthemen. Ich bin aber davon überzeugt, dass eine solche Eingrenzung immer weniger sinnvoll ist. Denn es ist in meinen Augen auch ein Ergebnis unserer stärkeren Vernetzung, dass wir die Dinge und Themen kaum mehr isoliert voneinander betrachten und behandeln können, sondern immer auch ihre benachbarten Themen mit im Auge haben müssen, um sie vollumfänglich zu verstehen.
Für die Instandhaltung bedeutet das, dass wir uns auch thematisch möglichst breit aufstellen sollten und den alltäglichen Problemen mit einer Vielfalt der Themen und unterschiedlichen Lösungswegen begegnen zu können. Die Reduzierung auf immer nur eine Lösungsmethode erscheint dabei wenig zweckmäßig. Es ist daher notwendig, dass wir uns mit der gesamten Klaviatur an Lösungskonzepten aus unterschiedlichen Themengebieten beschäftigen müssen. Auch wenn damit wir damit gezwungen sind, uns mit Dingen zu beschäftigen, die wir persönlich vielleicht nicht so schätzen. Ich habe es beispielsweise schon im Physik-Unterricht nie so mit der Elektrotechnik gehabt. Und auch im Studium waren die E-Technik-Vorlesungen lästige Pflichtveranstaltungen. Und doch habe ich mir mittlerweile ein Grundwissen zur E-Technik angeeignet, um zumindest grob die diversen Konzepte der Automatisierung verstehen und – wenn auch eingeschränkt – mitreden zu können.
"Bunt ist meine Lieblingsfarbe" hat einst der berühmte Architekt und Gründer des Bauhaus, Walter Gropius, gesagt. Dem mag ich mich voll anschließen. Und in diesem Sinne wünsche ich allen Leser*innen einen bunten Sommer voll neuer Erlebnisse auch abseits des normalen Alltags. Auf dass wir uns dann im Herbst wieder persönlich treffen und unsere vielfältigen Erfahrungen und Meinungen miteinander austauschen können.
Ihr
Lennart Brumby