Ein kurzes, lautes "Hah!" entfuhr mir, als ich vor einigen Tagen unsere Tageszeitung aufschlug und direkt im ersten Teil der Ausgabe eine große, ganzseitige Anzeige sah. Eine Anzeige, die in der Woche zuvor bereits einmal in der Zeitung war, ich aber darüber hinweggesehen hatte. Denn die Anzeige sieht auf den ersten Blick nicht spektakulär aus. Ein Foto mit einer Frau in Warnweste auf der Arbeit, darunter ein kleiner Text. Doch diesen Text war der Grund für mein "Hah". In der letzten Zeile stand der Name der Frau und ihr Beruf: Robot Maintenance Engineer. Passend dazu die Überschrift des Textes: "Von meinem aktuellen Job hatte ich vorher noch nie etwas gehört."
Mein erster Gedanke: Endlich wird mal Geld in die Hand genommen, um für den Beruf des Instandhaltungs-Ingenieurs zu werben. Mein zweiter Blick fiel dann auf das Unternehmen, das die Anzeige geschaltet hatte. Es ist das weltgrößte Online-Handelsunternehmen aus den USA, das in der breiten Öffentlichkeit eigentlich nicht so sehr für seine tollen, gutbezahlten und wertgeschätzten Arbeitsplätze bekannt ist. Eher im Gegenteil standen zuletzt eher die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Mitarbeiter in der Kritik, wo das Unternehmen doch so hohe Gewinne einfuhr. So hohe Gewinne, dass der Firmenchef sich einen Weltraum-Flug für wenige Minuten leisten konnte. Aber das will ich hier gar nicht kommentieren.
Auch wenn es "nur" eine einfache Image-Kampagne dieses Konzerns ist, so lohnt es sich doch, diese Anzeige etwas genauer zu betrachten. Neben der Tatsache, dass hier gezeigt wird, dass Instandhaltung nicht nur was für Männer ist, freut mich einerseits die Grundbotschaft, dass hier jemand gezeigt wird, der an seinem Instandhaltungs-Job offensichtlich großen Gefallen gefunden hat. Andererseits finde ich den Text dazu etwas befremdlich. Sie hätte, bevor sie den Job als Robot Maintenance Engineer angetreten hat, "Hunderte von Bewerbungen" verschickt. Und dass diese Bewerbungen wohl an ihrer fehlenden Erfahrung gescheitert sind. Erst der besagte Online-Handelskonzern gab ihr eine Chance.
Nun kenne ich diese Frau, die es wohl wirklich gibt, leider nicht persönlich. Zu gerne würde ich wissen wollen, ob sie sich in ihren hunderten Bewerbungen auch im Bereich der Instandhaltung beworben hat. Und wie diese Bewerbungen dann verlaufen sind. Man könnte allerdings beim Lesen dieser Anzeige auf den etwas faden Gedanken kommen, dass man – wenn man sich in vielen Bereichen erfolglos beworben hat – zumindest in der Instandhaltung immer noch einen Platz finden kann. Denn es wird suggeriert, dass offensichtlich Erfahrung in diesem Berufsfeld ja wohl keine größere Rolle spielt. Es sei auch kein Problem, wenn man von Instandhaltung zuvor noch nichts gehört hat, man wird trotzdem genommen. Und plötzlich schlägt meine anfängliche Begeisterung über diese ganzseitige Anzeige in Entrüstung um. Die Instandhaltung ist doch bitte keine Reste-Rampe.
Es ist wahrscheinlich zu kurz gegriffen, auf Basis dieser Image-Anzeige eine tiefergehende Analyse des darin vermittelten Bildes der Instandhaltung vorzunehmen. Werden doch solche Anzeigen in der Regel von Werbe-Schaffenden kreiert, die von der darin präsentierten Materie nicht unbedingt fundierte Kenntnisse besitzen. Aber ich frage mich trotzdem, ob es nur Zufall ist, dass hier ausgerechnet die Instandhaltung als attraktiver Beschäftigungsbereich ausgewählt wurde? Oder ob es in diesem großen und immer noch wachsenden Konzern vielleicht wirklich gerade in diesem Bereich einen deutlichen Fachkräftemangel gibt und man gleichzeitig erkannt hat, wie wichtig die Instandhaltung für die Aufrechterhaltung der komplexen Logistik-Systeme ist?
Und bei diesem Gedanken legte sich dann wieder meine Entrüstung und ein Wohlwollen macht sich beim nochmaligen Betrachten der Anzeige breit. Denn immerhin wird hier der Beruf in der Instandhaltung in einer großen Tageszeitung thematisiert, und dass dabei diese junge Frau offensichtlich sehr zufrieden damit ist. Oder pauschal gesagt: Komm zur Instandhaltung und werde glücklich.
Bei meiner kleinen Recherche zu dieser Anzeige habe ich übrigens herausgefunden, dass nicht nur in meiner Tageszeitung, sondern im TV, online und in diversen gedruckten Medien von dieser Frau und ihrem Glück in der Instandhaltung berichtet wird. Ich kann nur hoffen, dass diese Kampagne viele Menschen auf die Berufsbilder in der Instandhaltung neugierig macht.
Ihr, vielleicht etwas naiver
Lennart Brumby