Hörsaal

Das Nachwuchsproblem in der Instandhaltung ist auch in den Hörsälen zu sehen. (Bild: Anke Thomass - stock.adobe.com)

Nur noch ein paar Wochen, dann darf ich wieder die neuen Erstsemester an unserer Hochschule begrüßen. In meinem Studiengang erwarte ich wieder etwa 20 junge Menschen, was einerseits eine schöne Größe ist, um sich intensiv in den drei Jahren Studium kennen zu lernen. Anderseits sind es natürlich wie in den letzten Jahren auch viel weniger Erstsemester als in den anderen Studiengängen, die wir an meiner Hochschule anbieten. Und so blicke ich wieder voller Neid auf die Kolleg:innen zum Beispiel in den Studiengängen International Business oder Cyber Security mit ihren randvollen Vorlesungsräumen. Kein Zweifel, natürlich sind die anderen Studiengänge alle ebenfalls wichtig und gut, aber doch wünsche ich mir jedes Jahr etwas mehr Interesse der studienwilligen jungen Menschen für meine Themen des Technischen Service und der Instandhaltung.

Es ist ja nicht so, dass wir nicht schon viel versucht hätten, um die Aufmerksamkeit auf unseren Studiengang zu lenken. Präsentation auf Hochschulmessen, Schulbesuche, Social Media-Präsenz, Hochglanzbroschüren, und und und …. Irgendwie ohne sichtbaren Erfolg. Und das, obwohl die Nachfrage der Unternehmen nach jungen Service-Ingenieur*innen ungebrochen hoch ist. Gerade heute habe ich online eine Veranstaltung des FVI zum demographischen Wandel in der Instandhaltung verfolgt mit Diskussionen, die wir seit Jahren in unserer Branche abhalten. Ich kann mich noch gut an Vorträge in den ersten Jahren meiner Professur erinnern, wo wir ebenfalls die Folgen des demographischen Wandels thematisiert hatten. Es hat sich leider seitdem in diesem Bereich nicht viel verändert.

Da hilft es auch nicht, wenn wir beim Bewerben unseres Faches tief in die Trickkiste greifen. Jüngst ist mir bei einer Internet-Recherche zu Fotos einer modernen Instandhaltung aufgefallen, dass dabei gerne eine junge attraktive Frau gezeigt wird, wie sie zum Beispiel mit einem Tablet in der Hand oder gar mit einer AR-Brille vor einer Maschine steht. Dass dieser Anblick in der Realität – sagen wir es mal vorsichtig – nur selten anzutreffen ist, wissen wir alle. Und damit meine ich nicht den Einsatz von Tablet oder AR-Brille. Leider nehmen wir (und ich nehme mich da nicht aus) zur Veranschaulichung unserer Instandhaltung oftmals ein gewisses „Gender-Washing“ vor, um auch Frauen zu ermutigen, sich für diesen Berufszweig zu interessieren. Wir stellen uns dabei gerne vielfältiger dar, als wir es wirklich sind. Denn egal ob im Studium, auf den einschlägigen Fachkonferenzen der Instandhaltung oder in der betrieblichen Praxis: wir haben in der Regel einen deutlichen Männerüberschuss in der Instandhaltung.

Leider habe auch ich keine Antwort, wie wir dieses Nachwuchsproblem mit dem geringen Frauenanteil lösen können. Und wahrscheinlich gibt es auch nicht nur eine Antwort, sondern wir brauchen viele unterschiedliche Aktionen und Kampagnen, damit auch in Zukunft noch unsere Technik am Laufen gehalten werden kann. Passend dazu las ich jüngst eine Meldung, dass im vergangenen Jahr 4,7 Millionen Fahrräder verkauft wurden, aber im gleichen Zeitraum nur 1.275 Menschen eine Ausbildung zur Zweiradmechatroniker*in, Fachrichtung Fahrradtechnik begonnen haben. Rein rechnerisch wären das 3.686 Fahrräder auf eine neue Fahrrad-Techniker*in. Das kann nicht gut gehen.

Denn wenn wir – und ich meine mit „wir“ nicht nur uns Instandhalter, sondern unsere gesamte Gesellschaft – es wirklich ernst meinen mit der oft postulierten Nachhaltigkeit und Circular Economy, dann brauchen wir mehr Anstrengungen, wie wir unsere Maschinen, Fahrräder und sonstigen Haushaltsgeräte funktionsfähig halten. Und dazu zählen auch Menschen, die diese Instandhaltung in Zukunft fachkundig durchführen können.

Einen kleinen Beitrag werden dazu hoffentlich meine jungen Service-Ingenieur*innen leisten, die ich Jahr für Jahr an unserer Hochschule ausbilden darf. Auch wenn es dieses Jahr wieder nur ein kleiner Kurs sein wird, ich freue mich auf jeden und jede Einzelne. Auf dass wir in Zukunft immer mehr werden!

Ihr, gespannt auf die Erstsemester wartender

Lennart Brumby

Der Autor Prof. Dr. Lennart Brumby

Lennart Brumby

Prof. Dr. Lennart Brumby ist Studiengangsleiter für Service Engineering an der DHBW Mannheim. Der ausgewiesene Instandhaltungs-Experte ist Mitglied im DIN Normungsausschuss Instandhaltung, im EAMC European Asset Management Committee, im FVI Forum Vision Instandhaltung, in der GFIN Gesellschaft für Instandhaltung, im KVD Kundendienst-Verband Deutschland, im VDI Fachausschuss After Sales Service, im VDI Fachausschuss Instandhaltung und WVIS Wirtschaftsverband für Industrieservice. Seine Kolumne erscheint exklusiv beim Fachmagazin Instandhaltung.

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