Eine verbreitete Lösung zum Heben von Wasser, Abwasser und Dünnschlamm sind archimedische Schneckenpumpen. Für einen zuverlässigen Betrieb dieser Pumpen spielt die Antriebstechnik eine Schlüsselrolle. Das folgende Beispiel gibt einen Einblick in die Auswahl von Industriegetrieben für Schneckenpumpen und zeigt, wie die Anlagenverfügbarkeit mit einem Retrofit aufrechterhalten werden kann.
Das Funktionsprinzip von Schneckenpumpen war bereits in der Antike bekannt: Eine Schnecke rotiert um ihre Mittelachse und nimmt dabei das Fördergut in den Kammern zwischen Trog und Schnecke mit nach oben. Am Schneckenende kann das Wasser schließlich aus der sich auflösenden Kammer auslaufen. Die nach dem Erfinder, dem griechischen Ingenieur und Mathematiker Archimedes benannte Archimedische Schnecke, ist heute eine gängige Lösung für den Abwasser- und Schlammtransport in Kläranlagen. Ihre Unempfindlichkeit, auch gegenüber stark verunreinigtem Wasser (hoher Feststoffgehalt), sowie der wartungsarme Betrieb der Anlagen haben zu ihrer Verbreitung beigetragen.
Unterschiedliche Antriebsvarianten
Angetrieben werden Schneckenpumpen von asynchronen Drehstrommotoren, die entweder über einen Riementrieb oder eine drehelastische Kupplung mit den Getrieben verbunden sind. Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten wird die Variante mit Riemen als Stirnradgetriebe mit Motorstuhl oder als Kegelstirnradgetriebe mit einem separat aufgestelltem Fußmotor realisiert
Bei der Anbindung über eine Kupplung erfolgt die Montage des Motors entweder über einen Motoradapter oder als Fußbefestigung direkt auf dem Fundament. Die riemenlosen Antriebe haben eine höhere Energieeffizienz. Der Wegfall einer verschleißbehafteten Komponente reduziert zudem den Wartungsaufwand für den Betreiber.
Abtriebsseitig wird das Getriebe über eine elastische Kupplung mit der Schneckenwelle verbunden. Diese gleicht den Wellenversatz zwischen Getriebe- und Maschinenwelle aus und nimmt über Elastomerelemente gleichzeitig moderate Stöße auf. Die beim Abschalten des Motors durch das zurückdrängende Wasser auftretenden Rückwärtsbeschleunigungen werden zudem von einer Rücklaufsperre am Getriebe abgefangen. Fliehkraftabhebende Klemmköper heben bei Erreichen der Abhebedrehzahl vom Außenring der Rücklaufsperre ab und geben die Drehbewegung in Förderrichtung frei. Die Sperrwirkung der Klemmköper in die entgegengesetzte Drehrichtung verhindert das Rückwärtsdrehen der Schnecke. Neben dem Betrieb der Motoren am Netz kommen zunehmend Frequenzumrichter zur Drehzahloptimierung der Schneckenpumpe zum Einsatz. In Abhängigkeit vom Unterwasserspiegel wird so durch eine stufenlose Drehzahlregelung die Schneckenpumpe im wirkungsgradoptimierten Bereich betrieben.
Wahl des passenden Getriebes
Ein passend zur Anwendung projektiertes Getriebe gehört zur Grundvoraussetzung für einen störungsfreien Betrieb der Schneckenpumpe. So werden zum Beispiel auf Basis des zu übertragenden Drehmoments sowie der ein- und abtreibenden Drehzahl die mechanischen Sicherheiten für Verzahnung, Wellen, Wälzlager etc. bestimmt. Die einzuhaltenden Mindestsicherheiten ergeben sich dabei aus der Charakteristik der Anwendung sowie der täglichen Betriebszeit.
Auch die Frage, ob der Motor am Frequenzumrichter, mit Sanftanlaufgerät oder direkt am Netz betrieben wird spielt bei der Dimensionierung des Getriebes eine Rolle. Die durch den Anlaufvorgang verursachten, kurzzeitigen Überlasten müssen ebenso berücksichtigt werden wie die sich unter normalen Betriebsbedingungen einstellenden Belastungen. Ein netzbetriebener Asynchronmotor läuft mit etwa dem dreifachen Wert seines Nenndrehmomentes an. Beim Frequenzumrichter-Betrieb hingegen lässt sich der Anlaufstrom und damit das Anlaufmoment des Motors begrenzen. Die Belastung des Getriebes durch den Anlaufvorgang ist hierdurch deutlich weniger ausgeprägt als beim Netzbetrieb. Weiterhin sind ggf. auftretende Überlasten auf der eintreibenden Seite – wie sie etwa durch Verklemmen von Treibholz auftreten – bei der Planung des Antriebskonzeptes zu berücksichtigen.
Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum passenden Getriebe ist die Überprüfung der Thermik. Die Wärmegrenzleistung des projektierten Getriebes muss größer als die Betriebsleistung an der einreibenden Welle sein. Unter Wärmegrenzleistung versteht man dabei die Leistung, die mit einem Getriebe übertragen werden kann, ohne dass eine definierte Öltemperatur überschritten wird. Zahlreiche Faktoren wie die Umgebungstemperatur, Schmierstoffart und –viskosität, Einschaltdauer usw. bestimmen die zulässige Wärmegrenzleistung. Sollte diese nicht ausreichen, um die benötigte Leistung zu übertragen, muss auf eine Kühlung zurückgegriffen werden. Bei Schneckenpumpen kommen dann vor allem Umlaufkühlanlagen als Öl-Wasser oder Öl-Luftkühler zum Einsatz.
Zustandserfassung verhindert Ausfall
Wie zuvor gezeigt bestimmen viele Einflussfaktoren die Auswahl eines Schneckenpumpen-Getriebes. Eine mangelnde Projektierung sowie ein Betrieb der Pumpen außerhalb der ursprünglich zugrunde gelegten Auslegungsdaten wirken sich negativ auf die Verfügbarkeit der Antriebe aus. Aber auch ein bestens zur Anwendung ausgewähltes Getriebe unterliegt mit zunehmender Betriebszeit einem natürlichen Verschleiß, der bei Nichterkennen zu einem Totalausfall führen kann. So ist etwa der Getriebeschmierstoff bei der sich im Betrieb einstellenden Ölbadtemperatur für eine definierte Lebensdauer bemessen. Wird diese überschritten, kann eine ausreichende Schmierung nicht mehr sichergestellt werden – Reibung und damit einhergehender Verschleiß nehmen zu. Damit Schäden frühzeitig erkannt werden und die Schneckenpumpe nicht unerwartet ausfällt, stehen den Betreibern verschiedene Methoden zur Zustandserfassung der Antriebstechnik zur Verfügung – hierzu zählen beispielsweise die Endoskopie und Ölanalyse aber auch kontinuierliche Condition-Monitoring-Methoden, bei denen der Zustand der Antriebstechnik über Sensoren ermittelt wird.
Retrofit sichert Anlagenverfügbarkeit
Um die Verfügbarkeit der Einlauf-Schneckenpumpen in einer Münchner Kläranlage auch zukünftig sicherzustellen, entschied sich der Betreiber zu einer präventiven Befundung seiner Getriebe mittels Endoskopie. Hierbei wird die Sonde des Endoskops durch eine entsprechende Öffnung im Getriebe, zum Beispiel. dem Inspektionsdeckel eingeführt. Eine flexible Leitung mit hochauflösendem Kamerakopf ermöglicht es, alle potenziellen Schadstellen im Getriebe einzusehen und zu dokumentieren. Auf Grundlage einer Sichtprüfung an den Wälzlagern und Verzahnteilen sowie einer Bewertung der Tragbilder an den Zahnflanken kann zuverlässig auf den Zustand des Getriebes geschlossen werden. Zwei der drei verbauten Getriebe (Fremdfabrikat) zeigten bereits erhebliche Schädigungen wie Graufleckigkeit und Pittings, die im Fortgang zu größeren Flankenausbrüchen und letztendlich zu einem Totalversagen der Antriebseinheit führen können. Ein weiterer Antrieb wurde ausgehend von dem noch sehr geringen Verschleißgrad als unkritisch bewertet.
Konzept für höhere Energieeffizienz
Die Betriebsleitung entschied sich schließlich, die beiden Getriebe sowie die Asynchron-Drehstrommotoren zu tauschen und dabei auf die Expertise von SEW-Eurodrive zurückzugreifen. Der Antriebsspezialist aus dem nordbadischen Bruchsal ist mit seiner fast neunzigjährigen Geschichte erste Anlaufstelle bei Antriebsaufgaben rund um den Bereich der Kläranlage. Die bisher verbauten Kegelstirnradgetriebe mit Riementrieb konnten durch dreistufige Stirnradgetriebe der Baureihe X ersetzt werden. Die Anbindung des Motors an das Getriebe wurde mit einem Motoradapter mit integrierter drehelastischer Kupplung realisiert. Durch das neue Antriebskonzept entfiel der verschleißbehaftete Riemen. Der Betreiber profitiert so von geringeren Wartungsaufwänden sowie einer höheren Energieeffizienz im Vergleich zur bisher bestehenden Antriebslösung. Die Adaption an die Anschlussmaße der Schneckenwelle ließ sich ohne aufwändige Fundamentarbeiten umsetzten. Die geringe Achshöhe der Industriegetriebe Baureihe X ermöglicht, dass sich bestehende Anschlussmaße mit einer Bodenplatte einfach abbilden lassen - so auch in diesem Fall, bei dem die Adapterplatte Teil des SEW Antriebspakets war.
Antriebspaket aus einer Hand
Die Getriebe der Baugröße 230 sind mit einem Nenndrehmoment von 131 kNm ausreichend groß bemessen, um die 200 kW des SEW-Motors vom Typ DRN sicher zu übertragen und gleichzeitig applikationsseitige Stöße zu kompensieren. Eine lange Öllebensdauer wird durch einen externen Öl-Luftkühler sichergestellt. Er sorgt dafür, dass der Getriebeschmierstoff im projektierten Temperaturbereich bleibt und permanent gefiltert wird. Zur flexiblen Anpassung der Pumpenleistung werden die Antriebe am Frequenzumrichter betrieben. Die hierdurch im Vergleich zum Netzbetrieb geringere Belastung durch den Anlaufvorgang, wirkt sich positiv auf die Getriebelebensdauer aus. Beim Betrieb der Motoren am Frequenzumrichter kann es jedoch durch induzierte Wellenströme zu einer Beschädigung der verbauten Wälzlager kommen. Um dem vorzubeugen, wurden die Motoren mit stromisolierten Wälzlagern auf der Motor-B-Seite ausgestattet. Die abtriebsseitigen Bolzenkupplungen der Bestandgetriebe zeigten bei der Befundung keine signifikanten Schäden. Sie konnten daher weiterverwendet werden und mussten zur Anpassung an das Wellenmaß der neuen Getriebe lediglich aufgebohrt werden. Neben dem Einbau der Antriebe sowie der Bodenplatte war auch dies Teil der von SEW-Eurodrive durchgeführten Arbeiten.
Zuverlässig über Jahre
Getriebe sind eine Schlüsselkomponente, wenn es um die Betriebssicherheit von Schneckenpumpen geht. Viele Einflussfaktoren bestimmen deren Auswahl und sicheren Betrieb. Klärwerksbetreiber sollten daher bei der Planung neuer Antriebe auf die Erfahrung eines Branchenspezialisten zurückgreifen. So geschehen in einer Münchner Großkläranlage, wo auf die Expertise von SEW-Eurodrive vertraut wurde. Mit den dort installierten Getrieben und Motoren erhält der Betreiber weitestgehend standardisierte Antriebe, die über Jahre zuverlässig ihren Dienst erfüllen werden. Die Bereitstellung aller erforderlichen Antriebskomponenten aus einer Hand verhinderte Schnittstellenprobleme und reduzierte den Montageaufwand im Klärwerk.
Ölwechsel? Bitte später!
Bedingt durch Einlaufeffekte sowie montageseitige Verunreinigungen ist es üblich, dass bei Großgetrieben ein Ölwechsel nach Erstinbetriebnahme bereits nach rund 500 Stunden vorgeschrieben wird. Kosten entstehen bei dieser Praxis zum einen durch die Beschaffung des Öls, zum anderen durch den Serviceeinsatz. Der hauseigene Schmierstoff SEW GearOil macht den Erstölwechsel nach 500 Stunden überflüssig. Die spezifische Additivierung des SEW-Getriebeöls sowie abgestimmte Werksprozesse bei SEW-Eurodrive bilden hierfür die Grundlage. Der Schmierstoff muss erst nach dem üblichen Ölwechselintervall ersetzt werden. Das gilt für Stirn- und Kegelstirnradgetriebe der Generation X.e bis Baugröße 250 bzw. 175 kNm, die bei Auslieferung mit SEW GearOil befüllt sind.