Wie können smarte, digitale Werkzeuge den Instandhalter unterstützen? Das soll der Praxistag: Smart Maintenance in München klären.

Wie können smarte, digitale Werkzeuge den Instandhalter unterstützen? Das soll der Praxistag: Smart Maintenance in München klären. - (Bild: adobe.stock.com/pressmaster)

Zur Veranstaltung:

Der Praxistag: Smart Maintenance fand am 09. Juli 2019 in der Flugwerft Schleißheim (Nähe München) statt. Er richtet sich an das Management und Betriebsleiter, Instandhaltungs- und Serviceleiter sowie Produktions-, Technik- und IT-Verantwortliche aus produzierenden Unternehmen. Der Event wird von den drei Branchenverbänden MFA, FVI und WVIS unterstützt. Die Teilnahme ist kostenlos; Anmeldung erforderlich.

Das Tagesgeschäft in der Instandhaltung ist herausfordernd. Kosten- und im Besonderen der Zeitdruck nehmen immer weiter zu. Wie also die Instandhaltungs-Organisation durch neue ‚digitale‘ Werkzeuge unterstützen? Das ist die Kernfrage am Praxistag: Smart Maintenance am 09. Juli in München. Wir haben bei den Initiatoren Christian Jeske (Membrain GmbH) und Andreas Dankl (MFA, dankl+partner consulting | MCP Deutschland) genauer nachgefragt.

Herr Dankl, was sind für Sie, als Experte für Instandhaltung und Asset Management, die größten Potentiale der Digitalisierung in der Instandhaltung?

Andreas Dankl: "Die Instandhaltung steht heute vor vielen Herausforderungen: diese Themen sind nicht neu, verschärfen sich aber zusehends. Fachkräftemangel, enorme Arbeitsbelastungen, zunehmende Anforderungen an die Qualifikation und Flexibilität des Instandhaltungspersonals, stärkere Anlagenautomatisierung und vieles mehr. Die Bedeutung von Anlagenverfügbarkeit und -zuverlässigkeit und die Notwendigkeit der Anlagensubstanzerhaltung sind hinreichend bekannt. Ziel der Instandhaltung muss also sein, bestehende Prozesse, Strukturen und eingesetzte Methoden, Techniken und Tools kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen.

Digitalisierung / Industrie 4.0 und damit verbundene neue Lösungen stellen eine Möglichkeit dar, die Anforderungen besser zu erfüllen. Basis für die Einführung digitaler Lösungen in der Instandhaltung ist aber immer eine kritische Sicht auf die am Markt angebotenen Lösungen und deren Anwendbarkeit in der eigenen Instandhaltungs-Organisation. Dementsprechend mein Appell: Nehmen Sie sich Zeit für einen Blick auf Ihre aktuelle Situation in der Instandhaltung, zu vorhandenen Stärken aber auch Verbesserungsmöglichkeiten; überprüfen Sie die Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit der angebotenen digitalen Lösungen und wählen Sie selektiv die für Ihre Organisation passenden Anwendungen."

Welche aktuellen Trends findet man im Bereich „digitale Instandhaltung“?

Dankl: "Im Rahmen von mittlerweile acht Jahren intensiver F&E-Aktivitäten und Marktbeobachtung zum Thema „Industrie 4.0 / Digitalisierung in der Technik (Anmerkung: Technik ist Instandhaltung, Asset Management & Engineering)“ haben wir zehn Themenschwerpunkte identifiziert; diese reichen von der digitalen Anlagenvernetzung, über Datenverfügbarkeit/-qualität/-sicherheit, Management von (Echtzeit-)Daten und digitalisierte Prozesse bis zur Anwendung von Mobilgeräten und Applikationen sowie daraus entstehende neue Arbeitsmodelle und natürlich dem Personal- und Wissensmanagement.

Praxistag: Smart Maintenance
(Bild: Membrain)

Diese Themenschwerpunkte lassen sich zu zwei elementaren Trends zusammenfassen: Einerseits der Verknüpfung von z.B. Anlagen-, Produktions-, Prozess- und Instandhaltungsdaten, um effektivere (= wirksamere) Entscheidungen und Maßnahmen datenbasierend und z.T. vorausschauend vorzunehmen; das betrifft z.B. das Echtzeit-Monitoring von kritischen Anlagen/teilen und die Ableitung von vorrausschauenden Instandhaltungstätigkeiten (Predictive Maintenance).

Oberstes Ziel ist hierbei, auf Basis von Echtzeitdaten über Produktionsbedingungen und Anlagenzustände frühzeitig mit geeigneten Instandhaltungsmaßnahmen möglichen Störungen und Anlagenausfällen entgegen zu wirken. Zu den datenbasierenden Entscheidungen gehören aber auch die effektivere Planung von Anlagenrevisionen oder die Wochenplanung durch eine bessere Abstimmung der Produktionsvorgaben mit den erforderlichen Instandhaltungstätigkeiten.

Andreas Dankl.
Andreas Dankl. - (Bild: Dankl+Partner/Orhideal)

Der zweite Trend zielt auf die Effizienzsteigerung bei Prozessen, Aufgaben und dem Personaleinsatz ab. Hier geht es primär darum, nicht wertschöpfende Zeiten wie z.B. Wegzeiten, Fehlersuchzeiten, Suche nach Ersatzteilen oder Dokumenten, Abstimmungszeiten zw. Produktion und Instandhaltung oder die Zeiten für Dokumentationsaufgaben zu minimieren.

Basis für diese Effizienzsteigerung sind geeignete Instandhaltungs- und Dokumenten-Management-Systeme mit entsprechender Funktionalität, Benutzerfreundlichkeit und nutzbaren Datenbeständen; diese Aspekte sind nicht neu; aber in Verbindung mit eingesetzten Mobilgeräten wie z.B. Smartphones, Tablets oder Datenbrillen, der Anwendung von Assistenzsystemen (z.B. Sprachapplikationen, Gestenerkennung) und Auto-ID-Techniken wie QR- und Barcode oder RFID lassen sich Instandhaltungs-Prozesse und -Aufgaben signifikant vereinfachen und zeitlich verkürzen sowie sicherer und fehlerfreier gestalten.

Es gilt, meist papiergebundene Prozessschritte medienbruchfrei abzubilden und mittels digitaler Tools zu „automatisieren“. Dabei darf aber niemals vergessen werden, dass organisatorische Regeln wie z.B. zur Prioritätsvergabe für Störungsmeldungen oder vereinbarte Spielregeln zw. Produktion und Instandhaltung bei der Wochenplanung immer die Grundlage darstellen. Und natürlich ist die Usability der eingesetzten digitalen Tools von Bedeutung; denn nur einfach und intuitive zu bedienende Anwendungen genießen die Akzeptanz der Anwender und entscheiden so letztlich über den Erfolg.

Herr Jeske, sie unterstützen ihre Kunden bei der Digitalisierung von Prozessen. Was bedeutet für Sie Smart Maintenance? Wo stehen die Unternehmen aktuell?

Christian Jeske: "Wir sehen, dass eine wesentliche Grundvoraussetzung für Digitalisierungsprojekte im industriellen Umfeld Vorhandensein von technischen Standards und Normen ist. Nur so kann eine übergreifende Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und Systemen ermöglicht werden. Weiterhin sind leistungsstarke Systeme notwendig, die Echtzeitanwendungen befähigen.

Christian Jeske
Christian Jeske. - (Bild: Membrain)

Darüber hinaus erhalten relevante Echtzeitdaten außerdem hohe Bedeutung. Aufgrund dieser Voraussetzungen haben sich die Anwendungsbereiche unterschiedlich weit in Unternehmen etabliert. Der Bereich Smart Maintenance – also die mobile und systemgestützte Wartung – verfügt über einen hohen Grad an Standards sowie klar definierte Prozesse.

Aus diesem Grund lassen sich herkömmliche papierbasierte manuelle Prozesse sehr einfach durch eine mobile Lösung (App) ablösen, die dazu benötigte Hardware ist ja bereits in vielen Unternehmen schon vorhanden. Instandhaltungsaufträge werden dann in Unternehmen direkt auf dem mobilen Gerät des Instandhalters zugewiesen, bearbeitet und verwaltet. Das erspart unnötige sowie lange Wege und der Gang ins Instandhaltungsbüro wird somit überflüssig, da die gesamte Kommunikation (Rückmeldung/neue Aufträge/Ersatzteile) direkt in der App abgewickelt wird.

Auch eine schlechte Erreichbarkeit der Mitarbeiter, die Komplexität der Auftragszuteilungen sowie der enorme Verwaltungsaufwand lassen sich so deutlich optimieren. Im Ergebnis werden menschliche Fehler vermieden und eine 100% Transaktionssicherheit gewährleisten."

MFA
(Bild: MFA)

Herr Dankl, ist ‚Predictive Maintenance‘ die Lösung aller Probleme?

Dankl: "Das aktuelle Problem bei Predictive Maintenance ist, dass dieser Ansatz meist mit falschen Botschaften verkauft wird; den Führungskräften auf Management-Ebene wird suggeriert, dass durch Anwendung geeigneter Prognose- und Simulations-Tools im Betrieb große Kostenpotenziale gehoben werden können.

Was dabei i.d.R. nicht angesprochen wird, dass zur Vorhersage von wahrscheinlichen Ausfällen / Störungen entsprechende Berechnungsmodelle zu den Anlagenteilen mit Verschließalgorithmen und Wirkungsketten der relevanten Einflussparameter erarbeitet werden müssen; diese Modelle erfordern neben Datenanalytikern die Einbindung von Mitarbeitern mit den spezifischen Prozess- und Anlagenkenntnissen, sowie idealerweise die Verfügbarkeit von historischen Daten aus vergangenen Ausfällen und Störungen mit den zugehörigen Schadenscodes.

Ein Prognose- und Simulations-Tool ist also nur einer von vielen Bausteinen auf dem Weg in Richtung „Predictive Maintenance“. Unsere Erfahrungen zeigen, dass dieser predictive Ansatz oftmals in Betrieben mit „falscher“ Priorität behandelt wird; denn erst wenn die Möglichkeiten der vorausschauenden und zustandsorientierten Instandhaltungsstrategien ausgeschöpft sind, ist mit dem Fokus auf kritische Anlagen die Anwendung von Predictive Maintenance wirtschaftlich sinnvoll.

So besagt z.B. die Studie „DEUTSCHER INDUSTRIE 4.0 INDEX“ aus dem Jahr 2017, dass ca. 75 Prozent der Befragten das Leistungsvermögen der aktuell am Markt verfügbaren Predictive-Maintenance-Lösungen mit gering und ausbaufähig erachten. "

Video: MembrainAPProve

Herr Jeske, wie kann Digitalisierung die Instandhaltung ganz konkret unterstützen?

Jeske: "Digitalisierung hilft dabei, den großen Anteil von sich ständig wiederholenden manuellen Aufgaben mit Hilfe von Technologien zu automatisieren und auf ein Minimum zu reduzieren. Die dabei freigewordenen Ressourcen können dann wiederum für anspruchsvolle Aufgaben mit entsprechend höherer Wertschöpfung gewinnbringend eingesetzt werden. Mobile Lösungen vereinfachen dabei Prozesse, gewährleisten höchste Transaktionssicherheit, steigern Mitarbeitereffizienz und vermeiden menschliche Fehler.

So kann einer Vielzahl der eingangs beschriebenen aktuellen Herausforderungen der Instandhaltung deutlich entgegengewirkt werden. Wichtig dabei ist allerdings, dass die Digitalisierungsstrategie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Denn Insellösungen mit Medienbrüchen eliminieren keine menschlichen Fehler und schaffen somit nur punktuelle Effizienzsteigerung aber keine durchgehende Digitalisierung.

Digitalisierung ist bei Instandhaltungsprozessen Pflicht und keine Kür. Ein integrierter Softwareansatz ist für mobile Apps dabei entscheidend, denn nur eine integrierte Lösung auf Basis einer modularen Softwarearchitektur ermöglicht eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sowie hundertprozentige Transaktionssicherheit ins führende System. Echtzeitfähigkeit gewährleistet dabei, immer den tatsächlichen Stand verfügbar zu machen"

Video: Dankl+Partner - Automatica

Herr Dankl, als Geschäftsführer des Netzwerks für Instandhaltung, der MFA, veranstalten Sie dieses Jahr erstmals den Praxistag: Smart Maintenance gemeinsam mit einigen Partnern. Was erwartet die Teilnehmer?

Dankl: "Eines ist für uns klar: Die Optimierung der Produktion braucht eine intelligente Instandhaltung. Smart Maintenance hilft die Verfügbarkeit von Maschinen, Anlagen und Prozessen zu sichern und zu optimieren. Beim Praxistag: Smart Maintenance erwarten die Teilnehmer Experten aus der Praxis mit konkreten Anwendungsbeispielen. Neue Technologien schaffen keine Wunder, aber sie helfen, bestehende Team effizienter einzusetzen, punktgenauer zu qualifizieren und Prozesssicherheit zu gewährleisten. Wie das aussehen kann, diskutieren wir am 09. Juli mit den Teilnehmern.

Wir freuen uns besonders, über die prominente Schützenhilfe der Fachzeitschrift Instandhaltung. Stefan Weinzierl (Redakteur Instandhaltung) wird die Podiumsdiskussion zum Thema Digitalisierung und Instandhaltung leiten. Seien Sie gespannt!"

MFA – Maintenance and Facility Management Society of Austria

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