Das Mechatronikzentrum in Jülich ist eine Unikatdienststelle, sprich: eine einmalige Einrichtung innerhalb der Bundeswehr. Anders als die Heeresinstandsetzungslogistik (HIL) oder zivile Werkstätten ist es eine militärische Dienststelle und dem Logistikzentrum der Bundeswehr unterstellt. Beschäftigt sind dort acht Soldaten, 227 Zivilbeschäftigte und 72 Auszubildende. Sein Auftrag ist die tiefgreifende System- und Baugruppeninstandsetzung von unterschiedlichstem Wehrmaterial bis zur sogenannten Instandhaltungsstufe 4. Dazu zählen unter anderem geschützte und ungeschützte Radfahrzeuge, Stromerzeuger oder Sonderfahrzeuge.
Bundeswehr-Wolf als Hauptkunde
Aus der Sicht eines Laien sind es oft Totalschäden, mit denen sich die Instandsetzer im Mechatronikzentrum der Bundeswehr in Jülich, dem MechZBw, beschäftigen müssen. In der zivilen Welt würden viele der Fahrzeuge, die auf dem Gelände auf ihre Reparatur oder Nachrüstung warten, zum Kilopreis an einen Schrotthändler verkauft. Nicht nur wegen diverser Schäden an Blech, Antrieb oder Fahrwerk – sondern auch wegen des Alters der Fahrzeuge: Der aktuelle „Hauptkunde“ des Zentrums, der vielseitige Geländewagen „Wolf“ auf Basis der Mercedes G-Klasse, wurde Anfang der 1990er Jahre entwickelt.
Doch der Wolf wird von Mercedes nicht mehr gebaut, ist aber nach wie vor mit seinen über 50 Varianten und unzähligen Einsatzoptionen ein unverzichtbares Rückgrat der Truppe. Seine Einsatzbereitschaft gerade im Bereich der Luftlandewölfe und damit als mobile Trägerplattform für unzählige Einsatzarten ist alternativlos.
Entsprechend Augenmerk, Gehirnschmalz, Muskelkraft und Aufwand investiert die Truppe in Jülich in den Wolf und dabei speziell in den „Luftlandewolf“ – im Bundeswehr-Abkürzungsjargon „Lkw mil gl le“. Die einsatzfähigen Bestände waren nämlich in der Armee derart geschrumpft, dass entschieden wurde, rund 380 Wölfe einer Werksinstandsetzung zu unterziehen. Und zwar bei einer bundeswehreigenen Dienststelle – von der es aber nur eine einzige geeignete gibt: Das Mechatronikzentrum der BW in Jülich. Hier können Arbeiten bis zur IHS 4 durchgeführt werden. „Das ist die größte Tiefe“, erklärt Dienststellenleiter Oberstleutnant Michael Kommoss.
Mit der Möglichkeit, die höchste Instandhaltungsstufe – die IHS 4 – zu erfüllen, verfügt das MechZBw über ein Alleinstellungsmerkmal in der Bundeswehr. Durch die hier erfolgende Werkinstandsetzung (WI) der IHS 4 der Fahrzeuge wird aufgrund des Umfangs und der Qualität der Arbeiten eine Nutzungsdauerverlängerung um circa zehn Jahre erzielt.
Die Definition der Instandhaltungsstufen:
- Instandhaltungsstufe 1 – IHS 1: einfachste Wartung (Maßnahmen der Pflege, einfachste planmäßige präventive und vorausschauende technische Arbeiten, z. B. F1-Frist),
- Instandhaltungsstufe 2 – IHS 2: einfache Instandsetzungen (z. B. durch Austausch von Bau- und Unterbaugruppen mit geringem zeitlichem Aufwand sowie einfache Instandsetzungsarbeiten an mechanischen, hydraulischen, elektrischen und elektronischen Baugruppen und Bauteilen)<>
- Instandhaltungsstufe 3 – IHS 3: schwierige und zeitaufwändige Instandsetzung (z. B. durch Austausch von Bau- und Unterbaugruppen, Instandsetzungsarbeiten an bestimmten Bau- und Unterbaugruppen sowie an Geräten, Baugruppen und Bauteilen)
- Instandhaltungsstufe 4 – IHS 4: besonders schwierige und zeitaufwändige Wartung (planmäßige präventive und vorausschauende technische Arbeiten).
Mehr als bloße Reparatur
Mit einer schlichten Reparatur aber hat die kurz WI genannte Überarbeitung der Wölfe nichts zu tun. Das war für Oberleutnant Stephan Hofmeister, seinen Kameraden Hauptmann Agron Sopi sowie ihren Vorgesetzten Oberstleutnant Kommoss schon vor der Anlieferung des ersten Wolfs klar: „Wir arbeiten hier in Hallen, die ursprünglich mal ein Teil eines Eisenbahn-Ausbesserungswerks waren und im Jahr 1918 in Betrieb gingen. Da müssen wir bei einem so großen Auftrag einfallsreich und überlegt ans Werk gehen“, sagt Oberleutnant (OLt) Hofmeister. Er ist im MechZBw der Leiter der Instandsetzungs-Abteilung II, sein Kamerad Hauptmann (Hptm) Sopi das Pendant in der Instandsetzungs-Abteilung I.
Doch festgefahrene Zuständigkeiten gibt es bei den beiden nicht: „Das brächte auch nichts“, erklärt Hptm Sopi. „Ohne enge und übergreifende Kooperation entstünde nicht die Leistung, die wir benötigen.“ Entsprechend wissen sie auch immer über den Stand in der Abteilung des anderen Bescheid und können Entscheidungen treffen, ohne jedes Mal erst lange Entscheidungsfindungswege zu durchlaufen: „Unsere Leute wissen genau: Wenn sie die Antwort von einem von uns haben, dann gilt die auch für den anderen.“
Alle Kompetenzen vor Ort
Tatsächlich können andere Instandsetzer von den in Jülich vorhandenen Einrichtungen und Spezialisten nur träumen: Sattlerei, Achsenprüfstände, automatisches Kleinteilelager, Getriebeprüfstände, Hebebühnen in diversen Auslegungen, Gruben, Sandstrahlanlagen, Motorenprüfstände, Lackiererei – ganz zu schweigen von Metallbearbeitungsmöglichkeiten aller Couleur. „Und natürlich haben wir mitarbeiterseitig alle nötigen Zertifikate bis hin zum Schweißen von Panzerstahl“, erklärt OLt Hofmeister.
Bei Bedarf werden auch spezielle Vorrichtungen oder Anbauteile, die benötigt werden, selbst entworfen und gefertigt. Dafür zuständig ist Udo Welter. Der Zivilangestellte ist technischer Zeichner. „Ich vermesse die entsprechenden Werte und entwerfe dann am Rechner das Bauteil“, erklärt er. So entstehen beispielsweise Überrollbügel, Karrosserieanbauten oder auch eine Vielzahl an Betriebsmitteln. Dabei arbeitet Welter auch mal ganz klassisch mit dem Maßband: „Da die Hersteller in der Regel keine technischen Daten und Maße herausgeben, behelfen wir uns eben so“, sagt er.
Effektiv arbeiten in betagten Gemäuern
Bis die Wölfe in Jülich einfielen und einen Gutteil der Kapazitäten banden, hatte das MechZBw eine noch größere Bandbreite an Aufgaben. So wurden in den Hallen unter anderem Feldküchen und -lager, Container, diverse Militär-Trucks, Generatoren oder Logistikausrüstung gewartet und repariert. Auch heute noch muss sich der Wolf den Platz mit anderen Fahrzeugen wie Dingo, Multi, Yak, Eagle, Patriot-LKW oder Mungo teilen.
Inzwischen ist der Wolf aber für einen großen Teil der Aufgaben verantwortlich. Doch damit die Fahrzeuge effizient und effektiv bearbeitet werden können, mussten Hofmeister, Sopi und ihre Vorgesetzten einiges umbauen – was auch angesichts der räumlichen und baulichen Verhältnisse nicht einfach war. „An den denkmalgeschützen Hallen wurde lange nichts gemacht – inzwischen steht fest, dass unser Standort saniert und erweitert wird“, sagt Oberstleutnant Kommoss. So wurde die Sanierung der ersten Halle angegangen. „Und mussten wir die Werksinstandsetzung des Wolf mit den anderen Aufgaben wie dem Dingo oder den Patriot-LKW räumlich zusammenfassen.“ Das führte naturgemäß zu leicht beengten Platzverhältnissen. Doch Oberstleutnant Kommoss Kameraden machten aus der Not eine Tugend und stampften eine Art eng getaktete Linienfertigung aus dem alten Hallenboden, in der Karosserie und Fahrgestell ihre eigenen optimierten Wege durch die Halle nehmen.
Zerlegen bis zur letzten Schraube
Dort wird – nach der Anlieferung und einer Eingangsprüfung - jedes Fahrzeug bis zur allerletzten Schraube und vom Dach bis zum Nummernschild zerlegt. Dann wird jedes Teil des Wolfs einer genauen Prüfung unterzogen, der Zustand dokumentiert und wenn möglich wieder instandgesetzt. Wo das aber absolut nicht geht, müssen die Soldaten auf Ersatzteilbestände zurückgreifen. „Da der Wolf von Mercedes aber nicht mehr hergestellt wird, sind diese schwer zu bekommen“, erklären Hptm Sopi und OLt Hofmeister. Die beiden findigen Instandsetzer beziehen unterstützt durch die dezentrale Beschaffung ihre Teile daher auch aus diversen „After-Sales-Quellen“ – oder fertigen sie bei Bedarf per Beauftragung einfach selbst.
Doch bis es soweit ist, und etwas neu beauftragt wird, muss ein Bauteil schon extrem marode oder zerstört sein. Denn alles, was sich irgendwie wieder reparieren lässt, wird auch repariert. Bleche, Achsen, Motoren, Rahmen, Innenraum – eine wirtschaftliche Grenze, an der sich die Werksinstandsetzung der ausgewählten Wölfe nicht mehr lohnt, gibt es eigentlich nicht. „Grund dafür ist, dass es für diese Fahrzeuge und ihre Einsatzvariabilität keinen Ersatz gibt und auch so schnell nicht geben wird“, erklärt Wolf-Spezialist Hofmeister. Darum werden die Fahrzeuge so wiederhergestellt, dass sie bis mindestens 2027 in Nutzung gehalten werden können.
Nachdem alle Teile in der MechZBw repariert und geprüft wurden, kann der praktisch neuwertige Wolf wieder montiert und lackiert werden. Dabei werden die Fahrzeuge in Jülich nicht nur wieder einsatztauglich gemacht, sondern auch auf den jeweils benötigten, aktuellen Stand bei Ausrüstung, Anbauten und Fähigkeiten gebracht. Auch für die nach der Instandsetzung nötigen technischen und gesetzlichen Prüfungen haben die Kameraden in Jülich die nötigen Kenntnisse und das nötige Personal, sodass die Truppe ein einsatzbereites Fahrzeug erhält, wenn der Wolf das MechZBw in Jülich verlässt – inklusive einer Plakette „Werksinstandsetzung durchgeführt“. Ginge es nach Hptm Sopi und OLt Hofmeister, könnte darunter noch stehen „von den grünen Engeln in Jülich“.
Fakten zum Wolf (Lkw leicht gl)
Motorleistung: 92 PS
Hubraum: 2,5 l
Höchstgeschwindigkeit: 123 km/h
Reichweite: 600 km
Antrieb: Mercedes-Benz OM 602
Nutzlast: bis zu 1050 kg (je nach Ausführung)
Der Lkw Wolf ist ein geländegängiges Fahrzeug für bis zu vier Personen und wird in der Bundeswehr vielseitig eingesetzt. Es gibt verschiedene Varianten, wobei die "kurz offen" Version am häufigsten genutzt wird. Der Wolf ist grundsätzlich ungepanzert, kann aber mit zusätzlichem Schutz ausgestattet werden. Fast alle Modelle sind in Transportflugzeugen und Transporthubschraubern luftverladbar.
Der Wolf kann unwegsames Gelände, wie tiefen Sand, problemlos durchfahren. Die Fahrzeuge verfügen über einen während der Fahrt zuschaltbaren Allradantrieb, eine Differenzialsperre und einen Tarnlichtkreis. Die Bordnetzspannung beträgt 24 V.
Die Militärversion der G-Klasse ist mit einer Gewehrhalterung, einer Kartenleselampe, einer Spatenhalterung und einer 24-V-Anschlussbuchse zum Fremdstarten ausgestattet.