Die Reparatur oder Aufbereitung von Walzen per EHLA (Extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen) beschleunigt den Prozess immens.

Die Reparatur oder Aufbereitung von Walzen per EHLA (Extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen) beschleunigt den Prozess immens. - (Bild: Lunovu)

Für die Reparatur von Walzen kommen eigentlich diverse Technologien infrage. Zum Beispiel Hartverchromen, thermisches Spritzen oder konventionelles Laserauftragschweißen (Laser Cladding). Doch sie haben alle entscheidende Nachteile (siehe Kasten). Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT hat daher mit der RWTH Aachen das extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen "EHLA" entwickelt. Doch alle Theorie ist grau und das bleibt sie auch, wenn man sie nicht in die Praxis überführt. Also entwickelten die Wissenschaftler gemeinsam mit den Industriepartnern Lunovu, BCT und Drink & Schlössers im Verbundprojekt "EVEREST" eine Systemtechnologie für den EHLA Prozess zur Reparatur und Beschichtung von Bauteilen – insbesondere von Walzen.

Im Prinzip ist EHLA eine Verfahrensvariante des Laserauftragschweißens: Ein pulverförmiger Zusatzwerkstoff wird mit einem Laser, zum Beispiel einem Diodenlaser, aufgeschmolzen und durch das Bewegen der Pulverzuführdüse werden Strukturen auf dem Werkstück aufgebaut. "Der große Unterschied ist allerdings die um ein Vielfaches erhöhte Prozessgeschwindigkeit", erklärt der ILT-Wissenschaftler Gregor Bultel, der maßgeblich am Projekt 'Walzenreparatur' beteiligt war. "Im klassischen Laserauftragsschweißen liegt diese in der Größenordnung von 0,5 bis vier Metern in der Minute. Bei EHLA haben wir einen Vorschub von eher 25, 100 oder 200 Metern pro Minute."

Erreicht werden diese exorbitanten Geschwindigkeiten unter anderem durch eine gezielte Wechselwirkung zwischen Pulverpartikel und Laserstrahl. "Das Ziel ist, dass die Pulverpartikel bereits schmelzflüssig in das Schmelzbad eingeführt werden", erklärt Bultel. So könne man das Bad auch bei hohen Vorschubgeschwindigkeiten stabilisieren. "Bei so hohen Prozessgeschwindigkeiten können hohe Flächenraten und sehr dünne Schichten von etwa 50 bis 350 Mikrometern erzeugt werden", sagt Bultel. "Außerdem wird die Wechselwirkungszeit zwischen dem Laserstrahl und dem Substrat sehr viel kleiner. Das bedeutet, dass die Wärmeeinbringung, die Wärmeeinflusszone und die Aufmischungen kleiner werden."

Walzenreparatur - Die Nachteile der bisher üblichen Verfahren

Hartverchromen: Hoher Energieverbrauch, Schädigung von Mensch und Natur durch das eingesetzte hexavalente Chrom. Seit September 2017 nur noch nach vorheriger Autorisierung einsetzbar. Anfällig für Mikrorisse.

Thermisches Spritzen: Schlechte Ressourcenausnutzung. Schichten sind nicht schmelzmetallurgisch mit dem Substrat verbunden. 

Konventionelles Laserauftragschweißen: Sehr langsam bei großen Bauteilen. Dazu verhältnismäßig viel Wärmeeintrag ins Bauteil, dessen Oberfläche aufgeschmolzen wird, während der pulverförmige Zusatzwerkstoff mit einer Zufuhrdüse in das Schmelzbad befördert wird. Es entstehen verhältnismäßig raue Oberflächen.

In allen Anwendungsfällen kommt ein großer Vorteil des Verfahrens zum Tragen, erklärt Applikationsingenieur Andreas Bartling von Lunovu: "Man kann mit nur einer Schicht die gewünschten mechanisch-technologischen Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit gegen Verschleiß oder Korrosion erreichen." Das sei bei anderen Auftragschweißverfahren anders: "Hier müssen oftmals zwei oder auch teilweise drei Lagen aufgetragen werden, um im Endeffekt in der letzten Schicht die gewünschten Eigenschaften wie beispielsweise Härte oder Verschleißbeständigkeit erreicht zu haben. "

Gregor Bultel (li.) und Andreas Bartling waren am EHLA-Projekt EVEREST beteiligt.
Gregor Bultel (li.) und Andreas Bartling waren am EHLA-Projekt EVEREST beteiligt. - (Bild: ILT und Lunovu)

Dieser Umstand resultiert laut dem Experten aus völlig unterschiedlichen thermischen Verhältnissen und entsprechend ausgewählten Laserkomponenten: "Beim herkömmlichen Verfahren schmilzt wesentlich mehr Grundmaterial auf – dadurch gelangen sehr viele unerwünschte Legierungsbestandteile in die aufgebrachten Schichten."

Sein ILT-Kollege Bultel erklärt: "Im Vergleich zum klassischen Laserauftragschweißen ist die Flächenrate, die erzeugt werden kann, um ein Vielfaches höher. Sie skaliert mit der Vorschubgeschwindigkeit – und dann gibt es auch eine sehr viel kleinere Wärmeeinflusszone und nur eine sehr kleine Aufmischung."

EHLA stellt hohe Ansprüche an Prozess und Equipment

Bei der Umsetzung in ein skalierbares Verfahren war der Laseranlagen-Hersteller Lunovu aus Herzogenrath an Bord. Für die Entwicklung und Betreuung der dortigen Demonstrationsanlage war unter anderem Andreas Bartling zuständig. Der Applikationsingenieur stand zu Beginn des Projekts im Jahr 2017 vor diversen Herausforderungen: "Wir kannten uns mit dem konventionellen Laserauftragschweißen gut aus, aber EHLA war schon etwas anders", erinnert er sich.

"Die Anforderungen an die Komponenten und die Prozessführung waren höher", sagt Bartling. "Wir haben sicherlich ein Jahr gebraucht, um den Prozess zu optimieren und reproduzierbare Ergebnisse zu gewährleisten." Der Knowhow-Transfer vom Fraunhofer ILT auf die Demonstrations-Anlage bei Lunovu war herausfordernd, aber unerlässlich: "Denn unser Ziel war ja, eine robuste Anlagentechnik für die Versuche zu entwickeln,  um uns im nächsten Schritt um eine zuverlässige Prozesskette kümmern zu können." Für die Qualifikation der Ergebnisse waren teils über 100 Parameter gegeben, die es galt, zu beherrschen und im Blick zu haben. "Das war am Anfang nicht einfach für uns", blickt Bartling zurück. "Wir mussten viel Zeit investieren und Erfahrungen sammeln, um an den richtigen Stellschrauben zu drehen, damit der Prozess in die richtige Richtung gelenkt wird."

Doch nach rund einem Jahr konnte das Team wirklich mit dem Beschichten von Walzen starten. Zum Anfang wagte man sich erstmal nur an kleinere Exemplare: "Wir haben mit kleineren Testwalzen angefangen, die eine Länge von einem halben Meter und einen Durchmesser von 200 Millimetern hatten", sagt Bartling. "So haben wir dem Endanwender bewiesen, dass der Prozess stabil ist und wir zudem in der Lage sind, die geforderten Schichtdicken zu erzeugen sowie die geforderte Qualität zu erzeugen." Anschließend wurden auch deutlich größere Bauteile repariert: "Die hatten eine Beschichtungslänge von 1.200 Millimetern und einen Durchmesser von 250 Millimetern. Und wenn man solch eine Größenordnung beherrscht, stehen einem auch alle anderen industriellen Anwendungen offen."

 

Bilderstrecke: Walzenreparatur mittels Extremem Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen

Das unterschreibt auch der ILT-Wissenschaftler Bultel: "In der nahen Zukunft wird man Anwendungen auf diversen rotations-symmetrischen Bauteilen in unterschiedlichen Branchen finden." Er denke beispielsweise an Hydraulikzylinder in der Offshore- oder Bergbauindustrie sowie an Walzkörper in der Stahlindustrie. "Auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie oder in der Mobilitätsbranche – dort beispielsweise bei Antriebswellen oder auch Dämpfersystemen - ist der Einsatz möglich." Dazu kämen die Papierindustrie oder die Medizintechnik.

Beherrschbare Vorgehensweise

Inzwischen haben die Profis alles gut im Griff. "Diese Prozesskette ist wirklich einfach zu handhaben, weil der Anwender nur simple Schritte in einer Software mit grafischer Benutzeroberfläche erledigen muss und die Prozessparameter in einer Datenbank hinterlegt sind", sagt Bartling. "Der Anwender muss nur noch angeben, wie lang die Walze ist, welchen Durchmesser sie hat und welche Parameter aus der Datenbank gewählt werden sollen. Dann kann der Prozess mit einem Mausklick gestartet werden."

Besonders zu erwähnen ist hier, dass keine NC Programmierung erforderlich ist. Die benötigten NC-Programme werden automatisch im Hintergrund generiert. Mit dieser leicht beherrschbaren Vorgehensweise war ein wesentliches Ziel des Projekts erreicht: "Basierend darauf konnten wir die nächste wichtige Aufgabe angehen: Die perfekte Kombination des Prozesses mit neu entwickelten Systemtechnik-Modulen: integrierte Geometrieerfassung, teilautomatische Bahnplanung in einer CAM-Software und einer Prozessüberwachung."

Möglich wird das durch den Einsatz von Sensoren innerhalb der Prozesskette. "Wir nutzen Laser-Linienscanner zur Erfassung des Bauteils. Durch die Rotation des Bauteils kann ein 3D-Scan durchgeführt und das erfasste Bauteil digital am Rechner visualisiert werden. Diese Scans dienen uns später als Grundlage zur weiteren Bahnplanung. Zugleich können wir damit aber auch die Schichtgeometrie nach der Schweißung erfassen." Dadurch können die Experten genau sehen, welche Schichtdicke appliziert wurde.

Weitere Sensorik wurde im Projektverlauf eingesetzt, um auch bei langen Prozesszeiten kritische Parameter zu überwachen. "Wir als Prozessexperten können aufgrund unserer Erfahrung durch ständige Beobachtung des Prozesses leicht unerwünschte Abweichungen erkennen. Im Sinne einer reproduzierbaren Prozessführung ist es aber von Vorteil, eine solche Prozessüberwachung zu automatisieren."

Um diesem Ziel gerecht zu werden, kam eine Vielfalt an Hightech zum Einsatz: "Zunächst einmal haben wir ein Pyrometer verwendet, mit dem wir die thermische Emission aus der Prozesszone und damit die Temperatur des Schmelzbades gemessen haben", sagt der Applikationsingenieur. "Auch dabei haben wir aber Neuland betreten, weil im Gegensatz zu konventionellen Prozessen nur ein sehr kleines Schmelzbad zur Verfügung steht. Wir haben schon sehr ermutigende Ergebnisse erzielt, werden aber sicher noch weiter daran arbeiten."

Kamerablick auf den Prozess

Die Forscher fokussierten sich auf ein weiteres Überwachungssystem, erklärt Gregor Bultel: "Wir haben ein kamerabasiertes System entwickelt und untersucht. Auch hierbei beobachtet man den Prozess koaxial mit dem Laserstrahl durch die Düse aus der Vogelperspektive." Dabei werden die Emissionen aus der Prozesszone ebenfalls aufgenommen – nur eben mit einer Kamera. "Und dann können wir mit geeigneten Bildauswertungsalgorithmen auch Rückschlüsse auf die Stabilität des Prozesses ziehen." Die Verfahren könnten laut den beiden Experten auch parallel eingesetzt werden, sagt Bultel. "Ziel ist, drei Messverfahren parallel zu verwenden - Pyrometrie, die kamerabasierte Überwachung und die Schichtdickenmessung mit dem Linienscanner. Die Sensorkomponenten dazu  kann man zusammen an einem Bearbeitungskopf installieren, um so eine optimale Prozessüberwachung zu gewährleisten."

Gute Chancen auf dem Markt

Jetzt räumen Bultel und Bartling dem Walzenreparaturprozess mittels EHLA gute Chancen am Markt ein: "Es ist unsere Aufgabe als Anlagenhersteller, dem Endkunden den Mehrwert für seine Anwendung zu verdeutlichen und die Realisierungsmöglichkeit aufzuzeigen". sagt Bartling. "Unserer Meinung nach ist für den Einstieg in solch eine neue Technologie eine enge Kooperation zwischen Anlagenbauer, Forschungseinrichtung und dem Anwender optimal." Nur so könne schnell der Nutzen aus der anfänglich sehr komplex erscheinenden Technologie gezogen werden.

 "Wir möchten dem Kunden zeigen, dass dieser Prozess in der Praxis funktioniert, und wie er zu den bestmöglichen Ergebnissen kommt. Das ist ganz entscheidend", so Bartling weiter. Und genau das sei der Ansatzpunkt des Fraunhofer ILT, ergänzt Bultel: "Wir begleiten eine solche Anlagen-Inbetriebnahme mit Technologieunterstützung und einem Know-how-Transfer."

Von der systemtechnischen Seite her habe man nun einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht, sagt Bartling. "Wir können uns nun aus einem Baukasten von Komponenten und Prozessen bedienen. Basierend auf dem umfangreichen Know-How, das wir jetzt erarbeitet haben, können wir maßgeschneiderte Systeme zusammenstellen. Und damit dem Anwender einen sehr leichten Start in diese neue Technologie ermöglichen."

Das Vorhaben "EVEREST" wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

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