Wenn die Späne glühen, ist es meist zu spät: 75 Prozent der Energie einer Drehmaschine gehen in den Span. Ist die Maschine gut eingestellt und sind die Schneideblättchen scharf, werden die Späne maximal warm. "Werden sie heiß, ist das ein Indikator dafür, dass sie abgenutzt und damit stumpf sind", erklärt Tim Pigun. Der Professor an der Hochschule Ansbach, Fakultät Technik, verdeutlicht, dass alte Werkzeuge bis zu 40 Prozent mehr Energie fressen. Als Ingenieur und Wirtschaftsinformatiker forscht er an der Schnittstelle zwischen Energiemanagement und Instandhaltung (ISH).
Energiemanagement als Analysemöglichkeit nutzen
Piguns These klingt simpel: Wenn Maschinendaten wie Stromverbräuche oder Schwingungen über einen längeren Zeitraum ausgelesen und analysiert würden, kämen Unternehmen von der Instandsetzung zur Instandhaltung. Weg vom Reparieren, hin zur Prävention. Von der Reaktion zur Aktion. Was den Unternehmen richtig Geld sparn könnte, ist im Alltag deutscher Werkshallen jedoch noch kaum angekommen. Dreh- oder andere Werkzeugmaschinen laufen oft so lange, bis sie wegen eines Defekts ausfallen. Erst dann werden sie instandgesetzt. Ein auf die Zeit betrachtet teurer Weg.
Einer, der das Potenzial erkannt hat, ist Andreas Länge. Der Leiter des technischen Supports der Firma Thomson Neff Industries sitzt im Württembergischen Wolfschlugen und ist Herr über 56 Maschinen. Darunter etliche computergesteuerte Dreh- und Fräseinheiten. Seit sechs Jahren setzt er die Instandhaltungssoftware R.A.M.Syst ein, die Maschinendaten analysiert. So bekommt der Industriemeister wöchentlich 80 Instandhaltungsaufträge ausgespielt, die als Information per Formular an die zuständigen Mitarbeiter im Unternehmen gehen. Diese führen die Arbeiten aus und protokollieren sie.
Verbesserung und Optimierung
Freitags werden die Daten zurückgespielt. Die Software ist somit gleichzeitig ein Dokumentationsprogramm. Tritt ein Maschinenfehler auf, weiß sie automatisch, zum wie vielten Mal er passiert. Reparaturen gehen bei wiederholten Fehlern schnell, weil der Monteur weiß, was zu erledigen und wie zu planen ist. Länge ist froh, den Schritt zur vorbeugenden Wartung gegangen zu sein. "Das spart uns 30.000 Euro im Jahr", verdeutlicht der technische Leiter die Einsparung und bestätigt: "Früher waren wir wie die Feuerwehr". Heute weiß man bei Thomson Neff exakt, wann welche Maschine ihren Wartungszyklus hat. Ausfälle gibt es kaum noch.
Fachleute wie Länge vergleichen Kosten für Rüstzeiten sowie Ersatzteile der präventiven Wartung mit den Kosten einer Reparatur bei Komplettausfall. "Fast immer ist die vorzeitige Instandhaltung günstiger", weiß wiederum Pigun. Und bemüht das Keilriemenbeispiel: Den sollten Autofahrer nach 100.000 Kilometern generell wechseln. Denn wenn er bei voller Fahrt und 130.000 Kilometern Laufleitung reißt, ist ein Motorschaden garantiert.
Analysen von Energieeffizienz und -verbrauch
Doch was hindert Unternehmen aktuell daran, Maschinendaten und Werte über Energieeffizienz und -verbrauch zu analysieren, um daraus Instandhaltungszyklen zu definieren? Hartmut Henzler ist bei R.A.M.Syst-Anbieter Riempp aus Oberboihingen Fachmann für Energiemanagementsysteme. Oft fehlt es seiner Beobachtung nach am Willen der Maschinenhersteller, die über Sensoren gesammelten Daten einer Anlage dem Betreiber derselben zur Verfügung zu stellen.
"Daten sind wertvolle Ware", sagt Henzler und liefert ein Beispiel wie Instandhaltung und Energiemanagement gemeinsam Nutzen aus der Lösung ziehen könnten und sinnvoll zusammenarbeiten: Steigt, wie im Fall mit der Drehbank, der Stromverbrauch stark an, kann ein das System des Energiemanagements melden: "Achtung, da ist etwas faul!". Zudem kann so eine Software die Verbräuche verschiedener Anlagen gleichen Typs miteinander vergleichen. Und aus der Langzeitbetrachtung etwa Lastspitzen antizipieren. "Oder mit dem Facility Management kommunizieren", wie Pigun ergänzt. Länge hat auf diesem Weg seine Lastspitzen um 25 Prozent gesenkt. Dadurch spart er jährlich mehr als 10.000 Euro alleine an Grundgebühren.
Energiemanagement per MES
Laufen im Maschinensaal alle Anlagen auf Hochtouren, können per Energiemanagement verknüpfte Systeme automatisch im Winter die Heizung drosseln, um über die Abwärme der Maschinen das Gebäude zu heizen. "Oder im Sommer automatisch Fenster öffnen, um für Kühlung zu sorgen", wie Henzler verdeutlicht.
Video: Energie- und Anlagenmanagementsystem im Einsatz
Aber es geht auch anders herum: Werden Maschinen- mit Betriebsdaten einzelner Werkstücke oder Serien kombiniert, kann ein intelligentes System Muster erkennen und daraus Zyklen berechnen oder Arbeitsimpulse liefern. Mit dem Ziel, Energie und damit Ressourcen zu sparen. So kann etwa die LED-Trockenanlage einer Druckmaschine aus der Analyse vergangener Aufträge vorschlagen, einen auflagestarken und farbintensiven Werbekatalog nachts zu drucken – mit günstig eingekauftem Strom.
Subsummiert werden diese Fälle unter dem Begriff MES (Manufacturing Execution System). Zu Deutsch: Produktionsleitsystem. Was eine Weiterentwicklung der klassischen Planung bedeutet, also Produktionen in Echtzeit steuern und kontrollieren zu können. Dazu gehört es, neben Betriebs- und Maschinen- auch Personaldaten zu erfassen, sowie alle anderen Prozesse zu berücksichtigen, die sich zeitnah auf die Fertigung auswirken. Der VDI schreibt laut Pigun aktuell dazu in der Fachgruppe Produktion und Prozessgestaltung eine Richtlinie, die MES und ISH verknüpft.
Michael Sudahl
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