Digitalisierte und vernetzte Produktionsabläufe ermöglichen es, Ausfallzeiten und den Verschleiß von Anlagen und Komponenten viel genauer zu überwachen als früher. Heute stehen vielen Unternehmen mehr Daten denn je zur Verfügung. Diese komplexen Informationen unmittelbar für die präventive Instandhaltung nutzbar zu machen, ist die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre.
Dem Transfer von Instandhaltungswissen und -strategien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Denn Unternehmen profitieren so frühzeitig von Erfahrungen aus Branchen, die schon weiter sind. Aus der Medizin stammt etwa die zerstörungsfreie Prüfung mittels Röntgen oder Ultraschall. In der Industrie ist sie mittlerweile ein gängiges Verfahren zur Prüfung von Schweißnähten. Viele Unternehmen sind auch bestrebt, Methoden aus der Luftfahrt zu nutzen, um ihre Instandhaltung weiter zu verbessern.
Geplante statt ungeplante Stillstände
Mit Know-how und Methoden aus der Luftfahrt optimiert auch ein internationaler Chiphersteller derzeit die Instandhaltung seiner Produktionsstraßen in Asien. Im Herstellungsprozess, dem sogenannten Assembly, werden dort die Halbleiter mit dem Träger zusammengeführt. Dafür werden im Mikrometer-Bereich und in hoher Geschwindigkeit hauchdünne Aluminium-, Kupfer oder Golddrähte eingesetzt. Unter Reinraum-Bedingungen entstehen so Mikroprozessoren für Mobiltelefone, Eisenbahnsysteme oder Automotive-Anwendungen wie Airbag-Sensoren. Viele der mehreren hundert Drahtbinder (Wire Bonder) standen aber zu oft ungeplant still. Auch wurde noch zu viel Ausschuss produziert – rund ein Fünftel davon aufgrund nicht ausreichend präziser Drahtbondings.
Zwei zentrale Schritte bei der Instandhaltung von Drahtbindern sind das Kalibrieren des Bond-heads, der die Drähte führt, und das Säubern der Maschinen. Obwohl werksübergreifend die gleichen Maschinentypen verwendet und gleiche Produkte hergestellt wurden, nutzt das Wartungspersonal unterschiedliche, teils Word-/Excel-basierte Checklisten und Anweisungen für die Arbeitsschritte. Hinzu kam, dass die Qualifikation und das Wissen der Mitarbeiter stark variierten. Die Folge waren immer wieder unterschiedliche Wartungsabläufe und Wartungszeiten. Hier galt es, anzusetzen.
Arbeitskarten und optimiertes Tooling
Externe Maintenance-Experten von der SolutiCon GmbH waren dafür an mehreren Werken im Einsatz. Sie führten Standort-übergreifend digitale Arbeitskarten ein, wie sie in der Luftfahrt üblich sind. Darin sind die einzelnen Arbeitsschritte erklärt und es wird dokumentiert, was wann gewartet wurde. Darüber hinaus quittieren die Mitarbeiter jetzt mit ihrem Namen, welches Problem sie auf welche Art behoben haben.
Verbesserte Wartungslösungen werden auf die anderen Teams und Standorte übertragen (Best Practice). Alle erforderlichen Werkzeuge stehen nun in optimierter Reihenfolge bereit. Das verkürzt die Wege. Mithilfe von Shadow-Boards wird sofort sichtbar, wenn Werkzeuge fehlen. Auch werden das erforderliche Wartungsmaterial und die richtigen Reinigungsmittel nun direkt vor Ort bereitgestellt und regelmäßig aufgefüllt. So lassen sich überdies Personalkosten für besonders qualifizierte Wartungstechniker einsparen.
Messen ist Wissen: Maintenance-Kennzahlen
Während Kennzahlen für die Produktion bei vielen Unternehmen üblich sind, ist das für die Instandhaltung noch selten. Im vorliegenden Fall führten die Maintenance-Experten zusammen mit den Produktionsleitern ein auf die Wirebonder abgestimmtes Kennzahlen-System eint. Genau gemessen wird nun, wie lange eine Maschine seit der letzten Wartung ununterbrochen betrieben werden konnte (Uptime): Es wird jedoch auch beobachtet, wie lange die Wartungsarbeiten selbst dauern und ob diese zeit- und termingerecht waren. Das macht messbar, wie effizient und effektiv welche Wartungsmethode tatsächlich ist. Dadurch werden bspw. Schwerpunktfehler schneller sichtbar und die Prozesse lassen sich zielgerichteter steuern.
Das Kennzahlen-System beschränkt sich nicht auf eine Produktionsstraße, sondern wird direkt auf Schichten und Wartungsteams heruntergebrochen. Ein Feedback am Tag nach der Wartung bzw. Instandsetzung ermöglicht dem Management, einen objektivierten Leistungsdialog mit den Mitarbeitern auf Shopfloor-Ebene zu führen.
Alle Mitarbeiter bekommen so direkte Rückmeldung zu ihrer Arbeit. Das eröffnet die Möglichkeit, den Effekt etwaiger neuer Wartungsmethoden und eigener Lösungsansätze mit den vorhandenen zu vergleichen. Die Praxis zeigt, dass sich die Rückmeldung zu den Erfolgen und die Transparenz der Ergebnisse positiv auf die Motivation aller Beteiligten auswirken. Sie bringen sich stärker ein, was die Wartungs- und die Produktionsqualität weiter steigert.
Die neue Wartungsstrategie wurde an 12 Pilotanlagen des Chipherstellers getestet. Der Vergleich mit den übrigen Produktionslinien zeigt ganz klar: Das systematisierte Vorgehen aus der Luftfahrt spart bei den Drahtbindern bis zu 50 Prozent der Wartungszeit ein. Auch sind die Instandhaltungskosten signifikant gesunken. Das nächste Ziel ist, nun auch den Ausschuss und die Zahl der ungeplanten Stillstände zu halbieren.
Norman Barnekow
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