Besitzen ist out, benutzen ist in – überall in unserem täglichen Leben finden sich Beispiele für den Schwenk weg vom Kauf eines Produktes, hin zur Nutzung und einer nutzenbasierten Zahlung. Carsharing ist vielleicht das bekannteste Beispiel – der Nutzer kauft kein Auto mehr, sondern bezahlt für die Nutzung eines Fahrzeugs, das ihm der Dienstleister zur Verfügung stellt. Ähnliche Modelle finden sich mittleweileauch in der Industrie – so zahlen Unternehmen etwa für einen Kubikmeter gelieferter Druckluft, statt einen Kompressor zu kaufen.
Die 2014 im Auftrag von PTC durchgeführte Oxford-Studie beschreibt diese Entwicklung in einem Sufenmodell innerhalb eines sogenannten Service Continuum. Dieses beginnt bei Unternehmen, die sich selbst heute noch als Entwickler, Hersteller und Anbieter von Produkten betrachten.
Die zweite Stufe des Service Continuums ist dann erreicht, wenn das Unternehmen das Ersatzteilgeschäft als integralen Bestandteil des Angebots begreift und nicht mehr als eher lästige Aufgabe. In der Mitte des Service Continuums verändert sich die Bedeutung des Begriffs „Service“ – weg von der Reparatur und Instandhaltung, hin zu einem Modell, in dem Service ein immer wichtigerer – bis hin zum nahezu alleinigen – Umsatzfaktor wird.
Ein gutes Beispiel dafür sind Wartungsverträge: Ein Unternehmen kauft ein Produkt und schließt einen Wartungsvertrag ab. In dessen Rahmen hat der Hersteller dann dafür zu sorgen,
dass das gekaufte Produkt nicht ausfällt und jederzeit zur Verfügung steht.
Von dieser Stufe ist es schließlich nur noch ein kleiner Schritt hin zu einem Modell, in dem der Kauf am Beginn der Zusammenarbeit komplett wegfällt und der Kunde lediglich das „Ergebnis“ bezahlt.
Eines der ersten realen Beispiele entstand im Luftfahrtbereich, in dem American Airlines von Triebwerkshersteller Rolls-Royce ein neues Konzept forderte: Die Fluggesellschaft wollte keine Triebwerke mehr kaufen, sondern Triebwerks-Betriebsstunden. Dieses Modell hat heute in der Luftfahrt breite Anwendung gefunden; ein weiteres Beispiel eines ergebnisorientierten Konzepts ist die Zusammenarbeit des Eisenbahnherstellers Alstom und Virgin Trains. Virgin betreibt verschiedene Strecken in Großbritannien mit Zügen, die Alstom bereitstellt und wartet.
Für Anbieter wie für Kunden hat das ergebnisorientierte Modell interessante Vorteile: Statt eines einmaligen Kapitalzuflusses, wenn der Kunde ein Produkt kauft, erzielt der Anbieter regelmäßige Erlöse. Der Kunde vermeidet die hohe Anfangsinvestition und kann das Produkt nutzen, ohne sich um die Wartung und Werterhaltung zu kümmern, er konzentriert sich auf sein Kerngeschäft – und das ist beispielsweise für eine Fluglinie nun einmal der Transport der Passagiere und nicht die Instandhaltung der Flugzeugflotte.
Das Service Continuum
Erkenntnisse aus der Oxford- Studie
Das Service Continuum, wie es die 2014 im Auftrag von PTC durchgeführte Oxford-Studie „Proving the Service Continuum: Quantifying the strategic and economic impact of global service transformation“ beschreibt, besteht aus einem fünfstufigen Modell.
Darin werden Unternehmen und Organisationen nach ihrem Fortschritt in Richtung einer serviceorientierten Organisation klassifiziert. Die Spanne reicht dabei von rein produktorientierten Unternehmen über solche, die ein Ersatzteilgeschäft aufgebaut haben und Firmen mit einem Kundendienst, der Wartungs- und Reparaturservices vor Ort anbietet, bis hin zu Firmen, die Wartungsverträge abschließen, und schließlich zu „Best-in-Class“-Unternehmen mit ergebnisorientierten Servicemodellen.
Oxford Economics befragte dazu 370 Entscheider aus den verschiedensten Branchen und aus Unternehmen rund um die Welt. 70 Prozent dieser Unternehmen sehen sich heute in den ersten drei Stufen des Service Continuums, in den nächsten drei Jahren wollen jedoch 95 Prozent aller Unternehmen auf die Best-in-Class-Stufe kommen.
Eine Grundregel: Guter Service braucht ein gutes Produkt
Ein weiterer Gesichtspunkt betrifft die Konstruktion, denn die Hinwendung zum Service bedeutet keinesfalls eine Abwendung vom Produkt. Je besser und zuverlässiger ein Produkt arbeitet, desto höher wird die Gewinnmarge im Servicegeschäft. Konzentriert man sich auf das Produkt, kann es dem Unternehmen eigentlich egal sein, wie gut das Produkt beim Kunden funktioniert – der Betrieb und dessen Aufwendungen werden auf den Kunden abgewälzt.
Im Servicemodell ist der Anbieter direkt an einer hohen Qualität und einer hohen Effizienz des Produkts interessiert und daran beteiligt – kostet der Betrieb weniger, steigt die Marge direkt an.
Besonders deutlich wird dies an einem Modell aus der Kompressorbranche: Viele Unternehmen kaufen inzwischen nicht mehr einen Kompressor, sondern schließen mit dem Kompressorhersteller einen Liefervertrag über eine bestimmte Druckluftmenge. Der Lieferant mietet einen Raum beim Kunden, in dem er seine Kompressoren aufstellt und speist die benötigte Luft ins System des Kunden ein. Je kleiner die Kompressoren sind, desto geringer die Miete; je energiesparender sie sind, desto geringer sind die Betriebskosten bei gleichbleibenden Einnahmen aus dem Druckluftverkauf.
Dieses neue Konzept erfordert fast zwingend IoT-Technologie, denn es ist für den Anbieter existenziell wichtig, genauestens über den Zustand, das Verhalten und den Status seiner Anlagen – die ja beim Kunden im Einsatz sind – Bescheid zu wissen. Zum ersten Mal eröffnet sich dabei ein „Rückkanal“ für Ingenieure, die üblicherweise nur wenig Feedback darüber erhalten, wie sich ihr Produkt im realen Einsatz schlägt. Erkenntnisse aus dem laufenden Betrieb fließen im ergebnisorientierten Servicemodell dann nahtlos zurück in die Konstruktion, wo sie als Basis für Verbesserungen oder für Neukonstruktionen dienen.
Ralf Steck
(Wird fortgesetzt)
Kontakt: PTC
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