Elektrisch angetriebene Schweißzangen am Handgelenk von Knickarmrobotern bestimmen gerade bei Automobilherstellern das Bild im Body-Shop. Der zunehmende Verzicht auf Pneumatik als treibende Kraft im Motor zum Öffnen und Schließen der Schweißzange steigert die Energieeffizienz und verschafft den Werkzeugen mehr Freiheitsgrade für Umrüstungen und die Integration in unterschiedliche Roboter.
Hochfeste Stahllegierungen machen vor allem in der Automobilindustrie den Weg frei für neue Möglichkeiten des Leichtbaus. Hierbei kommen Werkstücke zum Einsatz, die zwar in puncto Gewicht ordentlich abgespeckt, in ihrer Festigkeit aber nichts an Kraft verloren haben. Die immer feiner justierten Stahllegierungen – ähnliches gilt für Aluwerkstoffe - bringen in ihrer Verarbeitung zu Karosserieteilen allerdings neue Herausforderungen mit sich, damit die gewünschten Eigenschaften nach dem Wärmeeintrag im Widerstandspunktschweißen auch erhalten bleiben. Damit einher geht also ein steigender Anspruch an die Prozesssicherheit im Punktschweißen – mit entsprechenden Auswirkungen vor allem bei der Wiederholgenauigkeit.
Schweißen ohne Funkenflug
Ein heller Funkenregen ist beim Punktschweißen ohne Frage als Fotomotiv interessant, allerdings auch das sichere Zeichen eines nicht optimal eingestellten Prozesses mit Stromabrissen. Die Schweißqualität verzeiht aber gerade bei den komplexen metallurgischen Eigenschaften hochfester Stähle keine Abweichungen mehr von der Ideallinie. Namhafte Schweißzangenhersteller verabschieden sich daher von der Pneumatik. Die Gründe: Bessere Energieeffizienz sowie vor allem exaktere Regeleigenschaften von Fahrprofilen und Drehmomentverläufe. Genau hier liegen auch die Vorteile der vom Servomotor angetriebenen Elektrozylinder von SEW-Eurodrive.
Wie arbeitet eine Schweißzange?
Der Zyklus einer Schweißzange erscheint nur auf den ersten Blick trivial: Zange öffnen, zwei Bleche dazwischen positionieren, Zange schließen, Strom geben, Schweißen, Zange öffnen – fertig. Was einfach klingt, erfordert für die Realisierung eine hochkomplexe Motion Control. Die Zangen öffnen und schließen nämlich nicht mit gleichmäßigem Tempo. In der Anfangsphase nähern sich die Enden der beiden Elektroden zeitsparend mit voller Geschwindigkeit dem Blechwerkstück bis zu einer Distanz um die 20 Millimetern. Die lastfreie Positionierung verringert dann die Geschwindigkeit bis zum Auftreffen der Kupferelektroden auf die Werkstückoberfläche – und baut in Folge ein festgelegtes Drehmoment zum Fixieren der Werkstücke auf. Während des Schweißens hat der SEW-Elektrozylinder die Aufgabe, die beiden Kupferelektroden der Schweißzange drehmomentgeführt weiter in das Material zu fahren.
Diese Präzision ist entscheidend für die Schweißqualität sowie die Standzeit der Werkzeuge. Zur Erklärung: Beginnt das Schweißen, nimmt der Stahl die Konsistenz eines Teiges an – und weicht dem Druck der beiden Elektroden entsprechend aus. Würde die Zange jetzt in ihrer Position verharren, kommt es zum berüchtigten Funkenflug, da die Elektroden als Folge des zurückweichenden Materials den Kontakt verlieren. Wie gut letztlich geschweißt wird, lässt sich anhand der so genannten Schweißlinse erkennen.
"Je kleiner ihr Durchmesser, je besser – und deshalb muss die Zange nachgeführt werden", erklärt Dr. Petr Osipov, Systemingenieur bei SEW-Eurodrive. Für den perfekten Schweißpunkt ist nämlich weiter Druck auf das Blech aufzubauen. Petr Osipov: "Bei diesem Nachführen sprechen wir bei uns von Toleranzen im Bereich +/- 150 N – unabhängig davon, wie schwer die Schweißzange ist oder welchem konstruktiven Prinzip sie folgt." C-Zangen sind bei einfachen Konstruktionen im Einsatz, X-Zangen sind das Maß der Dinge, wenn Schweißpunkte an schwer zugänglichen Orten zu setzen sind. Die CMSB Elektrozylinder machen hier allerdings keinen Unterschied. Beide Zangenformen lassen sich mit den servomotorisch angetriebenen Lineareinheiten des Automatisierungsspezialisten aus Bruchsal ausrüsten.
Der Lösungsraum von SEW-Eurodrive bietet dabei Freiheitsgrade, die Elektrozylinder konstruktiv an die Applikation und die Besonderheiten der Schweißzange anzupassen. Wesentlich bei der Schweißtechnik sind Hublängen, Schweißkraft, verfügbarer Bauraum, Geschwindigkeitsanforderungen sowie die Integration in ein bestehendes Steuerungssystem.
Elektrozylinder für Schweißzangen - Quelle: SEW
Effizienter Antrieb ohne Fettnachschmierung
Auch die inneren Werte der CMSB Elektrozylinder hat SEW-Eurodrive konsequent auf die anspruchsvollen Einsatzbedingungen im Motor einer Schweißzange abgestimmt. Für die Umwandlung der Motordrehung in eine lineare Bewegung setzt das Unternehmen bei der CMSB-Baureihe auf eine patentierte Konstruktion mit Kugelumlaufspindel, die in einem geschlossenen Ölbad läuft. Dieser Aufbau des Antriebs macht Fettnachschmierungen während der Lebensdauer nicht mehr notwendig. Die gekapselte Ölbad-Schmierung gewährleistet den leichten Lauf auch bei staubigen wie feuchten Umgebungsbedingungen – und dieses über die komplette Lebensdauer hinweg. Der Wegfall zeitaufwändiger Wartungen wirkt sich entsprechend positiv auf die Gesamtanlageneffektivität (OEE).
Im Vergleich zu herkömmlichen Planetenrollengewindetrieben mit Fettschmierung steigert SEW-Eurodrive den Wirkungsgrad der Linearachsen um mehr als zehn Prozent. Die Bruchsaler geben die Energieeffizienz mit 92 Prozent an. Noch gravierender fällt der Vergleich zu Pneumatikzylindern aus: Hier liegt die Effizienz aufgrund der gigantischen thermischen Verluste der Drucklufterzeugung gerade einmal bei sieben bis zehn Prozent.
Funktional betrachtet, verhindert die ausgefeilte Schmierung den gefürchteten Slip-Stick-Effekt. Da keine selbsterregten Reibschwingungen mehr auftreten, verbessert sich das Verhalten des Antriebs beim Start mit idealen Regelungseigenschaften von Anfang an. In der weiteren Folge führt dieses Verhalten zu der präzisen Kraftgenauigkeit ohne zusätzlichen Kraftsensor – und damit zu Schweißpunkten mit wiederkehrend hoher Qualität.
Ohne Wartung: 20 Millionen Schweißpunkte
Integriert sind die CMSB Elektrozylinder in der Anwendung üblicherweise als siebte Achse in der Robotersteuerung. Der Schweißprozess mit seiner Stromregelung läuft wiederum in einer gesonderten Steuerung. Der zweite Weg integriert die Robotersteuerung mit der Koordinierung der Zange und dem Schweißprozess als Kompletteinheit. Die Antriebslösung von SEW-Eurodrive ist aufgrund der standardisierten und variablen Schnittstellen in beiden Architekturen zu Hause. Zudem lassen sich die Einheiten auch in bestehende pneumatische Zylinder einbinden – ein echter Vorteil gerade bei Anlagenerweiterungen oder Modernisierungen. Der robuste Aufbau und vor allem die Langlebigkeit der Kugelumlaufspindel in ihrem wirksamen Ölbad liefern die Grundlage dafür, dass die CMSB Elektrozylinder wartungsfrei mehr als 20 Millionen Doppel-Hubbewegungen abliefern.