Dr.-Ing. Darko Sucic

Dr.-Ing. Darko Sucic ist Senior Director, Industry Consultant in Central Europe bei Dassault Systèmes. - (Bild: Dassault Systèmes)

Unternehmen können stark von der Wiederverwertung ihrer Produkte profitieren, berichtet Dr.-Ing. Darko Sucic, Senior Director, Industry Consultant in Central Europe bei Dassault Systèmes.

Der Fokus auf Nachhaltigkeit wird sich in naher Zukunft deutlich weiter verstärken. Neue Vorgaben und steigende Kosten für den CO2-Verbrauch verlangen der Industrie neue Konzepte und Herangehensweisen ab: Rezylierbarkeit und Wiederverwendbarkeit rücken in den Vordergrund. Zugleich bewirken neue Geschäftsmodelle, bei denen statt einer Maschine deren Output als Service verkauft wird, ohnehin einen Perspektivwechsel: Je länger die Produkte halten, desto besser für den Service-Anbieter.

Das Thema Kreislaufwirtschaft muss über die akademische Diskussion hinausgehen und Einzug halten in jede neue Produktentwicklung. Innovation ist mehr gefragt denn je – wie Francis Picabia sagt: „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“. Zudem sind auch passende Rahmenbedingungen aus Gesetzgebungssicht gefragt, damit sich entsprechende Anstrengungen für die Unternehmen lohnen. Darko Sucic beschäftigt sich bei Dassault bereits seit vielen Jahren damit, wie sich das Thema Kreislaufwirtschaft voranbringen lässt.

Herr Sucic, wo ist Kreislaufwirtschaft jetzt schon besonders rentabel und in welchen Bereichen ist sie besonders lohnenswert?

Ein ganz typisches aktuelles Beispiel ist das Wiederverwerten von Smartphones: Wenn nur die Materialien verwertet werden, lässt sich lediglich knapp ein Prozent des ursprünglichen Wertes erzielen. Viele Hersteller setzen deshalb auf Überholung und Reparatur, teilweise für andere Märkte: Damit sind bis zu 40 Prozent des Wertes zu erreichen. In der Hightech-Industrie ergeben sich insgesamt erhebliche Potenziale.

Es gilt generell umzudenken, um aus alten, ausgemusterten Produkten neue Werte zu schaffen. Ein weiteres Beispiel ist die Luftfahrt: In einem Flugzeug ist so viel Aluminium vorhanden, dass sich daraus über fünf Millionen Dosen herstellen lassen. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 90 Prozent der Bauteile und Materialien wiederverwendet werden können. Derzeit stünden 15.000 Flugzeuge für eine Rückgewinnung an.

Welche Technologien sind für die Nachhaltigkeit und Kreislauf-Konzepte besonders wichtig?

Es führt nur ein Weg zur Kreislaufwirtschaft: Die digitale Transformation der Produkte und die Digitalisierung der Fertigung – denn die Produkte brauchen ein digitales Gedächtnis, das Informationen zu ihrer Entstehung, Verwendung und Rezyklierbarkeit umfasst. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass es gerade das Zusammenspiel zwischen mehreren Technologien ist, mit dem sich besonders viel bewegen lässt. Wir brauchen alle Digitalisierungsansätze, vom Digitalen Zwilling, IoT bis hin zu cyberphysischen Systemen, um die Kreislaufwirtschaft voranzubringen.

Insbesondere in Geschäftsmodellen für Maschinen und Anlagen, wo statt des Produkts selbst der Output als Service verkauft wird, ist ein Digitaler Zwilling die Basis: Das Modell des Digitalen Zwillings verbindet über IoT-Technologie die Betriebsdaten aus der realen Welt mit dem Digitalen Gedächtnis: So lassen sich Simulationen und Vorhersagemodelle für das zukünftige Verhalten von Maschinen optimieren, um gezielt in eine Verlängerung der Lebensdauer zu investieren. Im Bereich von Haushaltsgeräten und Werkzeugen könnte mit Blick auf Service-Modelle der Fokus wieder auf deren Langlebigkeit liegen, anstatt wie bisher auf möglichst hohe Verkaufszahlen zu setzen, die oft mit weniger haltbaren Produkten einhergehen.

Welche Bedeutung hat das Thema Additive Manufacturing aus Nachhaltigkeitssicht? Wie können Unternehmen von den Entwicklungen profitieren und beispielsweise kurzfristig ihre Produktion durch 3D-Druck in Bezug auf Lastspitzen anpassen?

Additive Manufacturing ist ein zunehmend wichtiger Baustein. Im Vergleich zwischen subtraktiver und additiver Fertigung wird beim 3D-Druck weniger Material verwendet: Statt von einem Rohmaterialblock alles abzunehmen, das nicht gebraucht wird, wird nur genau so viel Metallpulver eingesetzt, wie benötigt. Das reduziert Verschwendung, zugleich hat 3D-Druck einen besseren ökologischen Fußabdruck.

Derzeit wird massiv an Materialien geforscht und deren Wiederverwendbarkeit spielt in Zukunft eine sehr bedeutende Rolle. Die Bauteile werden zudem leichter, das sorgt gerade in Flugzeugen und Fahrzeugen dafür, dass weniger Kraftstoff benötigt wird und ein geringerer CO2-Ausstoß anfällt. Aktuell kommt 3D-Druck kaum in der Massenfertigung zum Einsatz, weil hohe Präzision hier noch immer teuer ist.

Stattdessen liegt der Fokus auf der Produktion von Teilen Just-in-Time oder Just-in-Sequence, auch um die Lageraufwände zu minimieren. Durch die Möglichkeit, jeweils lokal vor Ort zu fertigen, lassen sich deutliche Vorteile bei der Optimierung der Lieferantenketten erzielen.

Wie müssen Ingenieure heute umdenken? Stichwort Rückführung der Materialien?

Ganz klar: Wir brauchen eine höhere Stufe der Modularität in der Entwicklung, um Bauteile so austauschen oder trennen zu können, dass sie rezyklierbar werden. Bisher wurde kaum über das Thema Demontage nachgedacht, jetzt sollte die Rückführbarkeit der verwendeten Materialen genauso mit im Vordergrund stehen, wie auch Qualität oder Kosten geplant werden. Dafür müssen allerdings noch mehr Prozessschritte digitalisiert werden.

Was sollten Entwicklungstools dafür perspektivisch leisten können?

Es bedarf einer noch stärkeren Zusammenarbeit, weil Produkte weitaus ganzheitlicher betrachtet werden sollten. Zwar ist die Kommunikation zwischen Entwicklung und Produktion schon enger geworden, künftig müssen aber auch die Menschen einbezogen werden, die Produkte installieren, verwenden, betreiben, warten  oder rezyklieren. Für diesen Austausch brauchen wir eine Kollaborationsplattform, die alle Phasen über Konstruktion und Fertigung hinaus bis in den Betrieb einbezieht. Einzelne Tools, die viele Schnittstellen zwischen Gewerken und Systemen mit sich bringen, reichen dafür nicht mehr aus.

Was fehlt aus Ihrer Sicht noch zur Motivation, um die Kreislaufwirtschaft aus der Nische zu holen?

Zum einen müssen die Produkte diesen Ansatz hergeben: Maschinen, die auf den Verkauf eines Service und eine gute Wiederverwertbarkeit ihrer Komponenten ausgelegt sind, gibt es beispielsweise kaum – es muss also überlegt werden, wie eine solche Maschine konzipiert und produziert wird. Zum anderen spielen die Konsumenten eine wesentliche Rolle. Erst ein anderes Bewusstsein und eine andere Erwartungshaltung an die Nachhaltigkeit von Produkten führen zum nötigen Marktdruck: Das war zum Beispiel gut bei der Etablierung von Bioprodukten im Supermarkt zu sehen.

Die dritte Ebene sind Gesetzgebung und Steuererleichterungen für Kreislaufprodukte. Hier ist vor allem mehr Transparenz nötig. Das gilt insbesondere für Kunststoffrezyklate: Bei Verpackungen aus Kunststoff können Verbraucher und Verbraucherinnen die Qualität und den Grad der Wiederverwendung heute noch nicht einschätzen, weil ein Gütesiegel fehlt. Künftig braucht es zudem Marktplätze, um mit genutzten Komponenten und Materialien zu handeln.

Es wird eine entscheidende Aufgabe, die produzierende Wirtschaft mit der Wirtschaft zu verknüpfen, die sich um Wiederverwertung bemüht. Bisher läuft das parallel. Wiederverwerter sollten jedoch von Anfang an mit ins Boot geholt werden und nicht nur am Ende der Kette stehen.

 

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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