Unruhen, Demonstrationen und Gewalt: Die Meldungen über die Lage in Kasachstan überschlugen sich in den vergangenen Wochen. Gestern (11.01.) erklärte Präsident Kassym-Schomart Tokajew dann die Unruhen für beendet. Die mehr als 2.000 ausländischen Soldaten, die zur Hilfe gerufen wurden, sollen das Land ab Donnerstag wieder verlassen.
Auslöser für die Proteste war eine deutliche Erhöhung der Gaspreise in dem zentralasiatischen Land. Die Demonstrationen richteten sich dann vor allem gegen die sozialen Ungleichheiten.
Die unsichere Lage hat natürlich auch Auswirkungen auf die dortige Wirtschaft. Diese stand während der Unruhen nahezu still. PRDOUKTION gibt einen Überblick und erklärt, warum Kasachstan auch für Deutschland wichtig ist.
Kasachstan ist reich an Rohstoffen
Kasachstan profitiert vor allem von seinen großen Rohstoffvorkommen wie zum Beispiel Erdöl, Erdgas, Kohle, Eisen, Nickel, Kupfer und Uran. Rund 100 verschiedene Metalle und Mineralien wurden bisher in Kasachstan gefunden. So liegen zum Beispiel 30 Prozent des weltweiten Chromvorkommens und ein Viertel der Manganerzvorkommen in Kasachstan. Zudem ist das Land einer der wichtigsten Produzenten von Uran für Atomkraftwerke.
Bergbau und die Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind deshalb die größten Wirtschaftszweige des Landes. Die Einnahmen aus der Ölförderung machten 2020 rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus. Das zentralasiatische Land stemmt nach Einschätzung von Rohstoffexperten der Commerzbank eine Ölförderung von 1,6 Millionen Barrel pro Tag. Der Öl-Markt regierte zwischenzeitlich auf die derzeitigen Unruhen.
Kasachstan ist derzeit bemüht, seine wirtschaftlichen Beziehungen zum Nachbarn China auszubauen. Um den Handel voranzutreiben, wird die Infrastruktur massiv ausgebaut. Das Land ist noch aus einem anderen Grund wichtig: In der kasachischen Steppe liegt der weltweit größte Weltraumbahnhof. Dort startete 1961 der russische Kosmonaut Juri Gagarin zum ersten bemannten Flug ins All.
Auch in Kasachstan sind die Auswirkungen der Coronakrise spürbar. Durch staatliche Finanzhilfen und die stabilisierenden Weltmarktpreise für Rohstoffe, sank das BIP 2020 aber nur um 2,5 Prozent. Die wichtigsten Wachstumstreiber sind laut GTAI der private Konsum und die Exporte. Das wichtigste Exportgut ist dabei natürlich das Erdöl.
Fast 500 deutsche Unternehmen sind in Kasachstan
Rund 480 deutsche Firmen arbeiten laut dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft in Kasachstan und haben dort rund 1,3 Milliarden Euro investiert. Sie liefern vor allem Maschinen und Anlagen in das Land.
Das Land liegt in der Reihenfolge der deutschen Handelspartner laut dem Statistischen Bundesamt auf Platz 53. 2020 sank der Handelsumsatz jedoch aufgrund der Pandemie auf knapp 3,7 Milliarden Euro. Von Januar bis Oktober 2021 wuchsen die Exporte nach Deutschland wieder um rund 47 Prozent auf drei Milliarden Euro. Grund dafür waren vor allem die gestiegenen Rohstoffpreise. Die deutschen Exporte schrumpften dagegen im gleichen Zeitraum um mehr als sechs Prozent auf 1,1 Milliarden Euro.
Experten des GTAI rechnen damit, dass die Ausfuhren nach Deutschland 2022 zweistellig wachsen werden. Beim Import werden die Einfuhren aus Deutschland den Experten zufolge dagegen leicht sinken. Deutlich wachsen werden die Importe aus China und Russland – um 34 und 25 Prozent.
Kasachstan sei mit großem Abstand der wichtigste deutsche Handelspartner in Zentralasien, sagte auch der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Oliver Hermes, Anfang des Jahres. Er erklärte deshalb, die deutsche Wirtschaft blicke „mit großer Sorge“ auf die Unruhen in Kasachstan. Die Stabilität des Landes sei für die gesamte Region Zentralasien von großer Bedeutung, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan. Mehr zur wirtschaftlichen Lage Afghanistans, lesen Sie hier.
Kasachstan und grüner Wasserstoff
Das Land zählt außerdem – wie schon angesprochen – zu den wichtigsten Rohöllieferanten Deutschlands. Aber nicht nur das. Das zentralasiatische Land verfügt außerdem über Seltene Erden und andere unverzichtbare Metalle für Hochtechnologien. „Kasachstan setzt zunehmend auf die Entwicklung grüner Technologien, erneuerbarer Energien und von Wasserstoff“, erklärt Hermes. Das Land könne damit bei der deutschen Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Die weitläufigen Steppen eignen sich zum Beispiel gut für Wind- und Solaranalgen, um grünen Wasserstoff zu erzeugen.
„Allein aufgrund seiner Größe hat das Land ein unglaubliches Potenzial für sämtliche erneuerbaren Energien - sowohl für Wasserkraft, Windkraft als auch Solarenergie", sagte Viktor Ebel, GTAI-Wirtschaftsexperte der Tagesschau. Derzeit werden schon einige Projekte geplant – zum Beispiel vom deutsch-schwedischen Projektentwickler Svevind Energy.
Das Unternehmen will mehrere Solaranlagen und Windparks mit einer Gesamtleistung von rund 30 Gigawatt in den Steppengebieten bauen. Der Strom soll dann vor allem für die Herstellung von grünem Wasserstoff genutzt werden, der unter anderem nach Deutschland weiterverkauft werden kann.
Siemens Energy, Linde und Class investieren im Land
Und: Nicht zuletzt als logistischer Knotenpunkt zwischen der EU, den östlichen EU-Anrainern und Asien komme dem zentralasiatischen Land im Rahmen der neuen Konnektivitätsstrategie der Europäischen Union eine immense Bedeutung zu, so Hermes. Denn Kasachstan hat als einziges Land in der Region ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU geschlossen.
„Im Gegensatz etwa zum weißrussischen Machthaber Lukaschenko hat Tokajew sich an der Spitze Kasachstans durch seine wirtschaftliche Modernisierungspartnerschaft mit Deutschland und der EU durchaus Vertrauen erworben“, erklärt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, gegenüber ‚Capital‘.
Da kommt es wenig überraschend, dass die kasachische Regierung die Handelsbeziehungen zu Deutschland intensivieren möchte. Präsident Tokajew schlug deshalb 2019 gemeinsame Modernisierungsvorhaben im Wert von rund zwei Milliarden Euro vor. 25 Projekte mit einem Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro wurden davon bereits umgesetzt. Daran beteiligt sind prominente Unternehmen wie Siemens Energy, Linde, Heidelberg Cement und Claas.
Die gewaltsamen Proteste haben im Übrigen auch direkte – wenn auch eher geringe – Auswirkungen für die Rüstungsindustrie. Denn die Bundesregierung stoppte den Export von Rüstungsgütern in das Land. 2021 wurden 25 Genehmigungen für Exporte von Rüstungsgütern nach Kasachstan erteilt. Der Gesamtwert: rund 2,2 Millionen Euro.
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