
Rheinmetalls Firmenzentrale ist in Düsseldorf. Von dort will der Konzern in der Rüstungsindustrie nun hoch hinaus. (Bild: nmann77 - stock .adobe.com)
Aufgrund des signifikant höheren Verteidigungsetats der Europäischen Union, der für den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall eine beispiellose Auftragslage bedeuten dürfte, ist ein deutlicher Anstieg der Umsätze zu erwarten. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Armin Papperger, gab in Düsseldorf die Prognose ab, dass das Unternehmen bis zum Jahr 2030 einen Umsatz zwischen 300 und 400 Milliarden Euro erzielen werde. Papperger prognostiziert, dass die europäischen NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben auf 2,5 bis 3,5 Prozent ihres BIP steigern werden. Als Begründung hierfür nannte er die anhaltende Bedrohung durch Russland sowie die Ankündigung der Vereinigten Staaten, dass sich Europa zukünftig selbst um seine Verteidigung kümmern müsse.
In Bezug auf das Auftragspotenzial wird seitens Pappergers die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei um eine signifikante Summe handelt. Im Vergleich zur Gegenwart erscheint diese Zahl jedoch geringfügig. Der Auftragsbestand, Rahmenverträge und Erwartungen aus anderen Geschäftsbeziehungen, die zusammen den Rheinmetall-Backlog bilden, beliefen sich zum Jahreswechsel auf 55 Milliarden Euro. Vor Beginn des Ukraine-Konflikts lag der Auftragsbestand bei 24,5 Milliarden Euro (Ende 2021).
Es stellt sich die Frage, ob Rheinmetall in der Lage ist, eine derartige Auftragsflut im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich zu bewältigen. Papperger äußerte sich dahingehend positiv, mahnte jedoch eine rasche Entscheidung der staatlichen Budgetpolitik an. Erst dann könne seine Firma die notwendigen Investitionen tätigen und ihre Produktionskapazitäten wesentlich erhöhen. Des Weiteren ist eine Aufstockung des Personals um 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den kommenden zwei Jahren geplant, was einer Steigerung von 8000 Mitarbeitern im Vergleich zum aktuellen Personalstand entspricht.
Autozulieferer-Geschäft schwächelt
Werke, die bislang nur für das schwächelnde Geschäft als Autozulieferer genutzt werden, sollen umgebaut und auch für die Rüstungsproduktion genutzt werden, etwa in Neuss (NRW), wo Rheinmetall rund 1500 Mitarbeiter hat. „Im Grunde genommen müssten wir im automobilen Bereich Leute entlassen - das wollen wir aber nicht.“ Viele Mitarbeiter sollen in den Defence-Bereich wechseln.
Denkbar ist zudem, dass Rheinmetall ganze Werke von Autokonzernen übernimmt, die unter Druck stehen und sparen müssen. Mit Blick auf Osnabrück, wo Volkswagen ein Werk mit ungewisser Zukunft hat, äußerte sich Papperger zurückhaltend. Die vorhandenen Anlagen wären für eine Rüstungsfirma nur bedingt zu gebrauchen und der Umbau wäre teuer. Aber: „Bevor ich in Deutschland ein neues Werk für Panzer baue, gucken wir uns das natürlich an.“ Ein fertiges Konzept gebe es bislang nicht. VW und Rheinmetall kooperieren bereits beim Bau von Militärlastwagen.
Glänzende Jahreszahlen
Der Manager stellte die Jahreszahlen für 2024 vor, die sehr positiv ausfielen. Der Umsatz stieg den Angaben zufolge auf rund 9,8 Milliarden Euro, das war ein Plus von 36 Prozent. Die Geschäfte wurden profitabler, das operative Ergebnis schnellte um 61 Prozent auf rund 1,5 Milliarden in die Höhe und damit so hoch wie noch nie in der Firmengeschichte.
Rheinmetall fertigt Panzer, Artillerie, Militär-Lastwagen, Flugabwehr, Drohnen und Munition. 80 Prozent seines Konzernumsatzes macht das Unternehmen inzwischen mit militärischen Gütern, das Geschäft als Autozulieferer schrumpft. Für 2025 rechnet der Rheinmetall-Vorstand mit einem Umsatzplus von 25 bis 30 Prozent und einer weiter gesteigerten Profitabilität der Geschäfte. „Eine Epoche der Aufrüstung in Europa hat begonnen, die uns allen viel abverlangen wird“, sagt Papperger.
Hoffnung auf US-Großauftrag
Neben Europa spielen die USA eine wichtige Rolle in Rheinmetalls Zukunftsplänen. Dort liegt die Waffenschmiede bislang gut im Rennen um einen 45-Milliarden-Dollar-Großauftrag für 4000 Schützenpanzer. Hat der Konzern aus Deutschland dabei angesichts der „America first"-Politik des US-Präsidenten Donald Trump immer noch Chancen? Absolut, sagt Papperger. "Das Feedback, was ich im Pentagon bekommen habe, ist sehr, sehr positiv." Ohnehin wäre die Produktion ja komplett in den USA und Großaktionäre kämen aus den USA.
Dabei bezog er sich auf Großaktionäre wie die US-Investmentgesellschaft BlackRock, die ein dickes Aktienpaket an Rheinmetall hält. „Also eigentlich können Sie sagen, wir sind fast ein amerikanisches Unternehmen, wir haben nur deutsche Wurzeln", sagt Papperger. "Und gegen deutsche Wurzeln kann er [Trump] nichts haben - die hat er selbst." Sollte Rheinmetall den Zuschlag bekommen für das US-Panzerprogramm, wäre das ein weiterer Wachstumsschub, der in den bisherigen Prognosen gar nicht enthalten ist.
Die ganze deutsche Rüstungsbranche ist im Aufwind
Neben Rheinmetall haben auch andere deutsche Rüstungsfirmen glänzende Perspektiven, etwa der Getriebefabrikant Renk, der Lenkflugkörper-Hersteller Diehl und der Panzerbauer KNDS. „Deutschlands Verteidigungsindustrie ist im Aufbruch, wir müssen alle Kräfte bündeln und die Kapazitäten noch weiter ausbauen", sagt Hans Christoph Atzpodien vom Branchenverband BDSV. Dieser Kapazitätsaufbau setze voraus, dass der Bund nicht nur Geld bereitlege, sondern auch klar sage, welche Rüstungsgüter wann in welcher Stückzahl benötigt würden. "Es muss konkreter und verbindlicher werden - und zwar möglichst schnell."
Die Rahmenbedingungen für die Verteidigungsindustrie müssten sich verbessern, sagt der BDSV-Hauptgeschäftsführer. Genehmigungsverfahren sollten beschleunigt und bürokratischer Ballast sollte reduziert werden - der Bau der LNG-Terminals an Deutschlands Küsten in der Gaskrise 2022 und 2023 habe gezeigt, dass es schnell gehe, wenn der Staat das zulasse.
dpa