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"Eine Ungleichbehandlung ist auf jeden Fall gelebte Praxis", sagte VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann gegenüber Produktion. - (Bild: VDMA)

Produktion: Herr Ackermann, welche Beschränkungen spüren denn deutsche Maschinenbauer beim China-Geschäft?

Ulrich Ackermann: "Ausländische Unternehmen werden in China teilweise wie Unternehmen „zweiter Klasse“ behandelt. Wenn ein ausländisches Unternehmen in China eine Firma gegründet hat, ist es aus unserer Sicht ein chinesisches Unternehmen - nur mit ausländischem Kapital. So gehen wir mit ausländischen Unternehmen in Deutschland um: Es gibt hier keinen Unterschied, ob das Kapital aus dem Ausland kommt oder nicht.

In China gibt es diesen Unterschied: Man ist in China von vielen Dingen ausgeschlossen – sei es bei Finanzierungen, der Forschungsförderung oder bei öffentlichen Ausschreibungen. Und die Möglichkeit, in chinesische High-tech-Unternehmen zu investieren oder diese gar zu übernehmen, ist für Ausländer sehr, sehr schwierig."

Es wird also mit zweierlei Maß gemessen: Für Europäer und Deutsche ist es durchaus schwierig, in China als ausländisches Unternehmen im Markt aktiv zu sein. Und umgekehrt gibt es in Europa und Deutschland überhaupt keinen Unterschied, woher das Kapital kommt"

Produktion: Werden Deutsche durch Gesetze in China ausgeschlossen oder durch die Praxis?

Ackermann: "Eine Ungleichbehandlung ist auf jeden Fall gelebte Praxis. Das berichten uns die in China aktiven Firmen. So ist zum Beispiel die Übernahme einer chinesischen Firma eine Sache der Behörden. Wie gehen diese damit um, wenn es einen Antrag für eine Übernahme gibt?

Es ist natürlich nicht gesetzlich geregelt, dass Ausländer keine chinesischen Firmen übernehmen dürfen, sondern es ist einfach schwierig in der Praxis. Man macht es ausländischen Unternehmen äußerst schwer bis fast unmöglich, chinesische Firmen zu erwerben."

Produktion: Was befürchten Sie für Auswirkungen auf deutsche Unternehmen durch das neue chinesische Cyber-Security-Gesetz?

Ackermann: "Das Gesetz ist im Juni 2017 in Kraft getreten, es müssen aber dazu jetzt noch Durchführungsbestimmungen erarbeitet werden. Die bisher vorliegenden Entwürfe der Durchführungsbestimmungen sind genauso verwirrend wie das Gesetz.

Aus unserer Sicht darf das neue Gesetz beispielsweise nicht das grenzüberschreitende Dienstleistungsangebot des deutschen Maschinenbaus für seine chinesischen Kunden behindern. Mittelständische Maschinenbauunternehmen, die in China investieren beziehungsweise ihr Engagement im Land weiter ausbauen wollen, benötigen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn das nicht gewährleistet ist, wird es schwierig.

Was uns an dem aktuellen Gesetz stört: Zum einen sollen in Zukunft alle wichtigen Geschäftsdaten, die für den chinesischen Markt benötigt werden, in China gehostet werden. Dies ist heute selten der Fall."

"Zum einen sollen in Zukunft alle wichtigen Geschäftsdaten, die für den chinesischen Markt benötigt werden, in China gehostet werden."

VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann zu dem neuen chinesischen Cyber-Security-Gesetz

Produktion: Welche Software soll künftig beim Datentransfer zum Einsatz kommen?

Ackermann: "Der Datentransfer zwischen China und dem Ausland nur noch mit von China zertifizierter Software möglich sein. Das ist nicht weltweit gelebte Praxis, es ist ein chinesischer Sonderweg. Bisher sind die meisten, gerade sensiblen Daten der ausländischen Firmen im Ausland gehostet. Man hat bisher einen Datenaustausch, beispielsweise über VPN-Verbindungen, die laut Experten ziemlich sicher sind; das soll ab Februar nächsten Jahres verboten sein. Das führt zu Verunsicherung bei den Unternehmen, da ohne einen Austausch von Daten mit dem Mutterhaus heute kein Geschäftsmodell funktioniert.

Auf der anderen Seite sind die Mutterhäuser nicht daran interessiert, ihre Daten in China irgendwo vorzuhalten, ohne zu wissen, was mit diesen passiert. Hinzu kommen zusätzliche Kosten, die entstehen, wenn man ein zweites Rechenzentrum aufbauen muss, das man eigentlich nicht bräuchte."

Produktion: Wie ist der aktuelle Stand beim Cyber-Security-Gesetz?

Ackermann: "Weil die Durchführungsbestimmungen noch nicht feststehen, ist nicht klar, was das Gesetz konkret bedeutet. Die Europäische Kammer in China, die dort sehr aktiv ist, hat zu dem Thema eine längere Kommentierung veröffentlicht und aufgeführt, was sie daran stört. Momentan diskutiert sie diese mit der chinesischen Regierung, aber die Verunsicherung der Firmen bleibt erst einmal.

Wenn China will, dass sich die Welt mit ihnen vernetzt und Industrie 4.0-Geschäftsmodelle vor Ort umsetzt, muss ein vernünftiger Datentransfer in einer entsprechenden Geschwindigkeit möglich sein. Sonst wird das Land an dieser Stelle abgekoppelt.

China wirft in der Diskussion immer in die Waagschale, dass das Land so groß sei und die anderen Nationen nicht auf eine Zusammenarbeit mit dem Land verzichten könnten. Das mag sicherlich stimmen, aber alles werden die Firmen auch nicht mitmachen."

Produktion: Welche Hürden haben chinesische Firmen bei ihrem Deutschland- und Europageschäft?

Ackermann: "Es gibt in Deutschland oder Europa keine Gesetze, die sich gegen China richten. Es gibt aber in Deutschland zum Beispiel ein Gesetz zur Prüfung von Unternehmensübernahmen. Die ergänzende Verordnung wurde im Juli des Jahres geändert und aus unserer Sicht verschärft.

Die Änderungen zielen insbesondere auf die „kritische Infrastruktur“. In Zukunft sollen nicht nur die Firmen, die eine kritische Infrastruktur betreiben, wie Kraftwerksbetreiber, Wasser-Ver- und Entsorger und Lebensmittelerzeuger, sondern auch die Hersteller von Software für diese Bereiche zum Kreis der zu prüfenden Unternehmen gehören. Damit ist auch der Maschinenbau betroffen. Diese Verordnung, die nicht der Zustimmung des Bundestags bedarf, ist ohne Konsultationen der Betroffenen verabschiedet worden und nun sind einige Firmen davon betroffen.

Ein zweiter Bereich dieses Prüfverfahrens sind speziell auf militärische Zwecke ausgerichtete Technik und Krypto-Technologien, die man auch nicht unkontrolliert in dritte Hände übergeben will. Dort sind auch einige Randbereiche des Maschinenbaus aufgenommen worden und potenziell betroffen sind Mitgliedsfirmen, die entsprechende Produkte herstellen. Zum Beispiel Roboter zum Räumen von Minen oder Entschärfen von Bomben. Es gibt Firmen, die zivile Roboter aber auch diese Geräte herstellen. Mögliche Übernahmen derartiger Firmen kann die Bundesregierung künftig prüfen."

Produktion: Wie sieht es in Europa aus?

Ackermann: "Die Europäer wollen bei der Prüfung von Auslandsinvestitionen noch einen Schritt weitergehen. Deutschland, Frankreich und Italien hatten sich im Frühsommer an die EU-Kommission mit der Forderung nach einer Regelung zur schärferen Überprüfungsmöglichkeit für Übernahmen von europäischen Unternehmen durch Investoren aus Drittländern außerhalb der EU gewandt. Ein erster Entwurf wurde im September veröffentlicht, auch hier ohne mit der Industrie zu sprechen.

In den Anwendungsbereich sollen einmal die „kritische Infrastruktur“ wie in Deutschland fallen, zum anderen aber auch „kritische Technologien“ wie Robotertechnik, Künstliche Intelligenz und der gesamte Dual Use-Güterbereich. Damit ist ein weiter Bereich des Maschinenbaus im Fokus.

Dieser Entwurf wird derzeit diskutiert. In Gesprächen mit der EU-Kommission aber auch mit dem EU-Parlament hat sich gezeigt, dass fast alle Parteien mit dem derzeitigen Vorschlag einverstanden sind. Aus unserer Sicht ist der EU-Vorschlag problematisch. Die aufgebaute Drohkulisse, die sich gegen alle Länder richtet, steht derzeit Raum. Auch zum Beispiel ein amerikanisches oder ein norwegisches Unternehmen, das künftig in ein EU-Unternehmen investieren will, muss sich diesen Fragen stellen. Damit wird bei den ausländischen Investoren eine Verunsicherung erzeugt, es wird längere Prüfverfahren geben und wird es wird teurer und aufwendiger werden.

Diese Hemmnisse sind aus Sicht des VDMA vollkommen überflüssig, da es eine europäische Exportkontrolle gibt. Darin ist geregelt, dass kritische Technologien, die dort genau definiert sind, in bestimmte Länder außerhalb der EU nur dann exportiert werden dürfen, wenn das entsprechende Unternehmen eine Exportgenehmigung erhält. Denn hinter all den Gesetzesvorschlägen steht der Wunsch des Staates, das Abwandern von kritischen Technologien und den Verlust des Innovationsvorsprungs zu verhindern. Das könnte man nach unserer Einschätzung auch mit der bestehenden Gesetzeslage erreichen. Deshalb halten wir diese neuen Vorschläge eigentlich für vollkommen überflüssig."

"Nach der erweiterten Außenwirtschaftsverordnung in Deutschland kann jetzt die Bundesregierung in den entsprechenden Fällen jederzeit auf die zu übernehmenden Unternehmen zugehen und die relevanten Daten anfordern."

Der VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann

Produktion: Welche Firmenübernahmen in Deutschland kamen durch diese Regelungen nicht zu stande?

Ackermann: "Im speziellen ging der Fall von Aixtron durch die Zeitungen. Damals hatte die Bundesregierung schon die Zustimmung zur Übernahme des Halbleiteranlagenherstellers gegeben, dann meldeten sich die US-Amerikaner und der Fall wurde zu einem Politikum, die Übernahme durch einen chinesischen Investor fand dann nicht statt.

Weitere Fälle bekommt die Öffentlichkeit nicht mit. Nach der erweiterten Außenwirtschaftsverordnung in Deutschland kann jetzt die Bundesregierung in den entsprechenden Fällen jederzeit auf die zu übernehmenden Unternehmen zugehen und die relevanten Daten anfordern. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft dann, ob eine Übernahme aus seiner Sicht kritisch ist. Wir werden sehen, wie die Neuregelungen in der Praxis gelebt werden."

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