Will Deutschland bis 2050 klimaneutral werden, muss die Dekarbonisierung branchenübergreifend stattfinden. Neben der Schiff- und Luftfahrt liegt der Fokus vor allem auf der Industrie. Wasserstoff und dessen Derivate Ammoniak und Methanol gehen als vielversprechende Alternativen zu konventionellen Energieträgern wie Kohle und Erdgas oder als Grundstoff für Chemikalien ins Rennen. Was können die angepriesenen Heilsbringer, wie schnell kann der Umstieg auf klimaneutrale Energien vonstattengehen und welche Voraussetzungen müssen dafür seitens der Politik erfüllt sein?
Die Industrie zeichnete im Jahr 2020 für einen Ausstoß an Treibhausgasen in Höhe von 113 Millionen Tonnen verantwortlich. Den größten Anteil stellte neben der Zementindustrie die Eisen- und Stahlindustrie mit 28 Prozent. In den Hochöfen der Stahlwerke wird das in Kohle enthaltene Kohlenstoffmonoxid als Reduktionsmittel genutzt, mit dessen Hilfe aus Eisenerz Roheisen wird – eine hohe CO2-Belastung ist die Folge. Mit Blick auf die geforderte Klimaneutralität in weniger als 30 Jahren läuft die Suche nach Alternativen auf Hochtouren.
"Wasserstoff kann noch mehr, denn die Derivate Ammoniak und Methanol, die durch die Mischung von Wasserstoff und Stickstoff, beziehungsweise Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid gewonnen werden, dienen auch als Basis zur Herstellung von Chemikalien", sagt Cyril Dufau-Sansot, CEO des Wiesbadener Wasserstoffproduzenten Hy2gen.
Von Stahl über Dünger bis Farben
Bereits 2019 blies Thyssenkrupp deshalb erstmalig Wasserstoff in einen Hochofen. Hier reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff im Eisenerz, und es entsteht statt CO2 lediglich Wasserdampf. Die Emissionen können damit je nach Rechnung um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Das Projekt funktioniert, wenn auch bisher nur vereinzelt, und kann als Speerspitze der Wende hin zu nachhaltigen Energiequellen gesehen werden. Ein weiterer Meilenstein: 2021 präsentierte Volvo das erste Fahrzeug aus fossilfrei hergestelltem Stahl.
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Doch Wasserstoff kann noch mehr, weiß Cyril Dufau-Sansot, CEO des Wiesbadener Wasserstoffproduzenten Hy2gen: „Die Derivate Ammoniak und Methanol, die durch die Mischung von Wasserstoff und Stickstoff, beziehungsweise Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid gewonnen werden, dienen als Basis zur Herstellung von Chemikalien. Ammoniak wird bereits seit Langem in der Dünge- und Reinigungsmittelmittelindustrie eingesetzt, Methanol zur Herstellung von Farben, Medikamenten oder Pflanzenschutzmitteln.“
Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie
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Um die klimaneutrale Industrie auch real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.
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Enormer Strombedarf und hohe Kosten
Problematisch bei all dem: Es bedarf einer großen Menge an Wasserstoff, der, um sich grün nennen zu dürfen, ausschließlich aus regenerativen Energiequellen gewonnen werden darf. Nur dann ist er eine echte Alternative zum bisher größtenteils grau gelabelten, also mithilfe von Erdgas produzierten Wasserstoff. In Deutschland sind die Produktionsbedingungen für grünen Wasserstoff nicht ideal – zu wenig Sonne, zu wenig Platz.
Solarenergie lässt sich am günstigsten in Westafrika erzeugen. Jährlich können hier aktuell nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bis zu 165.000 TWh Wasserstoff aus Sonnenenergie produziert werden. Das würde ausreichen, jedoch nur dann, wenn ein Drittel nur nach Deutschland fließen würde. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht jährlich rund 520 TWh Strom.
Erzeugungskosten noch hoch, Stromquellen fehlen
Der Verband Hydrogen Europe geht zudem davon aus, dass für alle Branchen, in denen Wasserstoff als relevante Alternative infrage kommt, mit Investitionen in Höhe von 430 Milliarden Euro gerechnet werden muss. Mit hohen Erzeugungskosten und mangels Stromquellen ist bisher also keiner der genannten Energieträger wettbewerbsfähig. Im März verkündete Finanzminister Christian Lindner, bis 2026 etwa 200 Milliarden Euro unter anderem in grüne Technologien zu investieren. „Die Politik muss jetzt nachlegen und erste Gesetzesentwürfe zur Wasserstoffstrategie liefern“, appelliert Dufau-Sansot, „Ammoniak kann dann bereits 2030, Methanol 2040 wettbewerbsfähig sein.“
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