Zero Emission Trucks: Der Hebel, den CO2-Ausstoß zu senken, ist über den Schwerverkehr enorm. Dabei scheinen sich die Elektrifizierung sowie die Brennstoffzellentechnologie im Vergleich zu anderen Technologien durchzusetzen.

Zero Emission Trucks: Der Hebel, den CO2-Ausstoß zu senken, ist über den Schwerverkehr enorm. Dabei scheinen sich die Elektrifizierung sowie die Brennstoffzellentechnologie im Vergleich zu anderen Technologien durchzusetzen. (Bild: Degimages - stock.adobe.com)

Wie bekommen wir einen Weg zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors hin? Zero-Emission-Trucks sollen die Logistik umkrempeln, indem der Langstrecken-Verkehr ohne CO₂-Ausstoß stattfindet. Zu diesem Thema beschreibt Fabian Schmitt, Projektleiter für Elektromobilität und Antriebsforschung am PEM der RWTH Aachen, die Herausforderungen und Chancen im Bereich des klimaneutralen Güterverkehrs, insbesondere für die Langstrecke. Schmitt unterstreicht dabei die zentrale Rolle, die 'Big Boys', also schwere Nutzfahrzeuge, für die moderne Gesellschaft spielen.

Was bedeutet Zero-Emission für die Transportbranche?

Diese Fahrzeuge sind seiner Ansicht nach nicht nur die „großen Jungs“ der Straße, sondern auch das Rückgrat der Logistik und der Güterverkehrsinfrastruktur. „Wir reden hier nicht über den Individualverkehr, sondern über den Backbone unserer Gesellschaft,“ stellt Schmitt fest und erläutert weiter, dass diese Fahrzeuge unverzichtbare Güter transportieren, sei es das Amazon-Paket oder industrielle Teile, die in der Produktion dringend gebraucht werden.

Für Schmitt ist klar: Ohne den Schwerlastverkehr würde die gesamte Logistik und damit die Wirtschaft in großen Teilen zusammenbrechen. Daher sei die Notwendigkeit, diesen Bereich zu dekarbonisieren, enorm wichtig und drängend. Da die Nachfrage nach schnellem Versand im Onlinehandel sowie in der B2B-Logistik stetig steige, wachse der Verkehr in diesem Segment kontinuierlich und damit auch die Notwendigkeit, den Güterverkehr klimaneutraler zu gestalten.

Welche politischen Rahmenbedingungen fördern den Wandel?

Dabei macht Schmitt deutlich, dass das aktuelle politische und wirtschaftliche Umfeld eine zusätzliche Herausforderung darstelle. Der Güterverkehr in Deutschland stehe in einer „schwierigen Zeit“, da die politischen Rahmenbedingungen oft unklar und die Regularien noch im Wandel seien. Ein großes Hindernis sei die sogenannte Technologieoffenheit  – ein Prinzip, das auf der Idee basiert, dass keine einzige Technologie bevorzugt wird und somit keine vorzeitigen Festlegungen getroffen werden.

Dies führe dazu, dass Förderungen oft nicht ausreichend oder inkonsequent bereitgestellt würden, insbesondere im Bereich der Lkw-Technologien. Vor allem für Zero Emission-Lkw, also Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben wie batterieelektrische oder wasserstoffbetriebene Systeme, sei es zunehmend schwer, die notwendigen Fördermittel zu erhalten. Somit fehle es an Planbarkeit, die jedoch in einem Sektor, der auf langfristige Investitionen angewiesen ist, entscheidend sei.

Welche Antriebe sichern die Dekarbonisierung?

Schmitt betont, dass es im Pkw-Bereich, also dem Markt der privat genutzten Elektrofahrzeuge, bereits große Fortschritte gebe. „Der Pkw-Bereich hat das Thema E-Mobilität meines Erachtens bereits durch,“ sagt er und weist darauf hin, dass ein Großteil der Fahrzeuge auf dem Markt bereits umgestellt sei. Anders sei dies im Bereich der Lkw. Obwohl Lkw im Vergleich zur Masse an Pkw nur eine kleinere Fahrzeugpopulation ausmachten, hätten sie dennoch einen enormen Einfluss auf die CO₂-Emissionen im Verkehr. „Das heißt, wir können mit vergleichsweise wenig Aufwand einen großen Hebel ansetzen und einiges bewirken,“ erklärt Schmitt.

Welche Technologien treiben CO₂-neutrale Trucks an?

Schmitt beschreibt weiter, dass es mehrere technische Möglichkeiten gebe, um die CO₂-Emissionen der Lkw zu senken. Ein solcher Ansatz sei HVO, ein hydriertes Pflanzenöl, das aus Abfällen der Lebensmittelindustrie gewonnen werde. HVO sei aktuell stark im Trend, weil es einfach und schnell in bestehende Fahrzeuge integriert werden könne. „Man braucht nur einen anderen Tankrüssel und kann HVO in den Dieseltank füllen, um offiziell CO₂-neutral zu fahren,“ erläutert Schmitt. Er erklärt, dass die Nutzung von HVO bedeutet, dass Fettabfälle aus der Lebensmittelindustrie hydriert werden, was offiziell als klimaneutrale Technologie gilt. Dennoch gebe es auch hier Herausforderungen, da einige Hersteller die Herkunft der verwendeten Fette nicht korrekt angäben. Zudem hat es allerdings von der Verfügbarkeit und von der Infrastruktur seine Einschränkungen.

Wie helfen Wasserstoff, Batterien und E-Fuels

Ein weiteres Thema, das Schmitt intensiv beleuchtet, ist der Einsatz von Wasserstoff. Auf der IAA habe er beobachtet, dass nahezu jeder Lkw-Hersteller mittlerweile auf Wasserstoffantriebe setze. „Es war beeindruckend: Wirklich jeder Lkw-Steller zeigte auf der IAA einen Motor, auf dem ‚Hydrogen Injection‘ stand,“ erinnert sich Schmitt. Er erklärt, dass bei der Verwendung von Wasserstoff als Brennstoff grundsätzlich keine gravierenden Modifikationen am Fahrzeug nötig seien.

„Es ist eine Herausforderung, wenn ich normalen Brennstoff durch Wasserstoff ersetze, aber es erfordert keine riesige Änderung am Fahrzeugdesign,“ führt er aus. Wasserstoff könne als Gas oder in flüssiger Form gespeichert werden, wobei dies je nach Einsatzzweck Vor- und Nachteile mit sich bringe.

Ein weiteres Thema ist die Brennstoffzellentechnologie, die Wasserstoff in elektrische Energie umwandelt und damit eine ähnliche Funktion wie Batterien erfüllen könne. Schmitt hebt hervor, dass rein batterieelektrische Fahrzeuge in dieser Hinsicht bereits weiter seien und nahezu Standard im Markt seien.

„Reine batterieelektrische Fahrzeuge sind Stand der Technik,“ stellt er klar. Dabei sei der Ansatz, Wasserstoff direkt in Brennstoffzellen zu nutzen, eine Möglichkeit, aber es gebe auch noch andere technische Ansätze. Für Schmitt ist klar, dass batterieelektrische und wasserstoffbasierte Systeme beide Vor- und Nachteile haben und dass der Markt sich hier je nach Einsatzzweck aufteilen könnte.

Warum die Langstrecke eine Herausforderung ist

Im Hinblick auf das Thema Batteriegröße und Reichweite erläutert Schmitt, dass batterieelektrische Fahrzeuge, um die gleichen Strecken wie herkömmliche Lkw zu bewältigen, größere Batterien benötigen. Dabei variieren die Batteriegrößen von 300 bis zu 700 Kilowattstunden. Diese größeren Batterien brächten jedoch neue Herausforderungen mit sich, insbesondere was das Gewicht angehe. Schmitt erklärt, dass mehr Masse im Fahrzeug auch mehr Energieverbrauch bedeute und dass eine Anpassung der EU-Richtlinien für Massen und Abmessungen erforderlich sei, um diese zusätzlichen Batterien zu transportieren. „Zero Emission Trucks sollen ein höheres Gesamtgewicht und eine Überlänge haben sowie eine höhere Achslast, um die zusätzliche Batterie und andere Systeme zu tragen,“ erläutert er.

Von Hürden zu Lösungen: Der Weg zur CO₂-freien Logistik

Schmitt geht weiter auf die Einschränkungen und praktischen Hürden batterieelektrischer Fahrzeuge ein. Während das 'overnight charging' grundsätzlich machbar sei, stelle das Nachladen während des Tages eine große Herausforderung dar. Er beschreibt, dass die Ladezeiten während der gesetzlich vorgeschriebenen 45-Minuten-Pausen zwischen den vierstündigen Fahrtblöcken liegen müssten, was wiederum Megawatt-Ladegeräte erforderlich mache. „Wir brauchen Megawatt-Charging, also zwei bis drei Megawatt, um hier sinnvolle Ladezeiten zu erreichen,“ betont Schmitt. Die Realität auf deutschen und europäischen Rastplätzen zeige jedoch, dass die logistischen Abläufe nicht gut genug unterstützt würden.

Innovative Technologien für den Fernverkehr

Ein weiteres Thema, das Schmitt behandelt, ist das Oberleitungssystem. Dieses System würde es ermöglichen, Lkw während der Fahrt über Oberleitungen zu laden - wenn die Infrastruktur flächendeckend verfügbar wäre. „Die Segmentierung der Highways mit Oberleitungen würde erlauben, dass die Fahrzeuge während der Fahrt geladen werden. Das wäre der Idealzustand und würde viel Infrastruktur einsparen,“ sagt Schmitt. Dennoch weist er darauf hin, dass die hohen Kosten und die Abrechnung hier Fragen aufwerfen, die bisher ungelöst sind.

Das nächste wichtige Thema, das Schmitt anspricht, ist die Verfügbarkeit von Ladesäulen und Tankstellen für Lkw. „Die Schnellladeinfrastruktur für Pkw, selbst wenn sie gut ausgebaut ist, reicht nicht aus, um Lkw effizient zu bedienen,“ betont Schmitt. Er erklärt, dass die Ladestationen für Lkw mehr Leistung erbringen müssten, um die benötigten Mengen an Energie in kurzer Zeit bereitzustellen. Auch bei den Wasserstofftankstellen gebe es Herausforderungen, da diese bisher auf Pkw ausgelegt seien. Ein wasserstoffbetriebener Lkw benötige 30 bis 60 Kilogramm Wasserstoff bei einem Druck von 350 oder 700 Bar, was mit den herkömmlichen Pkw-Tankstellen nicht erreichbar sei. „Für die Versorgung der Lkw ist eine ganz andere Infrastruktur erforderlich,“ betont er.

Herausforderungen der Dekarbonisierung

Die Dekarbonisierung von LKW steht vor einigen Herausforderungen:

  • Reichweite: Besonders für Langstrecken-LKW müssen Lösungen gefunden werden, die ausreichende Reichweiten ermöglichen.
  • Kosten: Die Anschaffungskosten für alternative Antriebe sind oft noch höher als für konventionelle Diesel-LKW.
  • Ladezeiten: Für batterieelektrische LKW müssen Ladezeiten optimiert werden, um Standzeiten zu minimieren.

Die Dekarbonisierung von LKW erfordert ein Zusammenspiel von technologischen Innovationen, Infrastrukturentwicklung und politischen Rahmenbedingungen. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz kann eine signifikante Reduktion der CO2-Emissionen im Schwerlastverkehr erreicht werden.

Somit stellt Schmitt fest, dass alle Technologien – sei es HVO, Wasserstoff, batterieelektrisch oder das Oberleitungssystem – Potenzial haben, die CO₂-Emissionen im Güterverkehr zu reduzieren. Die Herausforderung liege jedoch darin, dass jede dieser Technologien eine eigene Infrastruktur benötige, die aktuell nur begrenzt verfügbar sei. „Die Infrastruktur ist der entscheidende Punkt, um die es auch ein Rennen gibt,“ so Schmitt. Ohne eine Digitalisierung und Vernetzung werde es jedoch nicht möglich sein, die Technologie flächendeckend einzusetzen. Schmitt nennt hier HVO als Beispiel, bei dem Kosten und Verfügbarkeit ein limitierender Faktor seien. Ebenso gelte dies für Wasserstoff, der zwar verfügbar sei, aber in einer Infrastruktur bereitgestellt werden müsse, die den hohen Anforderungen der Lkws gerecht werde.

Die AFIR-Verordnung fordere ebenfalls Lkw-Tankstellen, die sowohl für das Schnellladen über Nacht als auch während der Fahrt geeignet seien. Diese Anforderungen müssten auf Rastplätzen, die aktuell nicht für so hohe Kapazitäten ausgelegt seien, erfüllt werden. Auch wenn es Bemühungen gebe, ein Netzwerk aufzubauen, benötige es Zeit und Investitionen, um eine zuverlässige Infrastruktur zu schaffen.

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Schmitt fasst zusammen, dass verschiedene Lösungen und Technologien getestet wurden, wie etwa auf den Teststrecken in Deutschland. Diese Strecken würden jedoch zum Jahresende stillgelegt, da die Finanzierung für den Betrieb fehle. Auch die Oberleitung bleibe eine mögliche Lösung, die jedoch aus politischer und wirtschaftlicher Sicht schwer flächendeckend umgesetzt werden könne.

Letzten Endes sieht Schmitt eine Kombination aus zwei Technologien als den wahrscheinlichsten Weg zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs. Batterieelektrische Lkw könnten seiner Ansicht nach im Verteilerverkehr eingesetzt werden, während wasserstoffbetriebene Lkw sich besser für Langstrecken- und Schwertransporte eigneten. Schmitt schließt mit der Feststellung, dass nur ein solch diversifizierter Ansatz den Schwerlastverkehr in Deutschland und Europa langfristig klimaneutral und gleichzeitig effizient und flexibel gestalten könne.

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