Industrieservice, Instandhaltung, Predictive Maintenance

Nur ein Riemen? Von wegen! Smart Belts sollen künftig Auskunft über Riemenzustände in Echtzeit liefern – daran arbeitet das Team des Innovationsmanagements. - (Bild: ContiTech)

‚Predictive Maintenance: Service der Zukunft – und wo er wirklich steht‘ – so lautet der Titel einer von Roland Berger durchgeführten Studie. „Die Unternehmen müssen auf diesem Feld deutliche und schnelle Entwicklungsfortschritte mit den dafür notwendigen Technologien machen. Zudem müssen die Chancen bei der systematischen Überführung von Daten in Kundennutzen sowie der Umsetzung in konkrete Geschäftsmodelle genutzt werden. So lauten die zentralen Ergebnisse“, sagt Ralph Lässig, Partner Roland Berger.

Auf Basis einer Umfrage unter deutschen Maschinenbauern zeigt die Studie, dass „vorausschauende Wartung eine der Schlüsselinnovationen von Industrie 4.0 ist“, so Lässig. Dies gelte insbesondere für den Maschinenbau als eine der führenden Branchen der deutschen Industrie. „Für die Maschinenbauer steht viel auf dem Spiel“, warnt Lässig. „Sie müssen deshalb alles tun, um in der Definition, Umsetzung und Verbreitung von Predictive-Maintenance-Lösungen führend zu sein.“

Klassische Methoden mit Industrie 4.0 verbinden

Dazu gibt es durchaus positive Beispiele seitens der Wisag Industrie Service Holding, wie Stefan Borgemeister, Leiter Technik und verantwortlich für die Themenfelder Industrie 4.0, Digitalisierung und technische Prozesse, berichtet: „Die Wisag verbindet die klassischen Methoden der Predictive Maintenance – also regelmäßige Messungen entscheidender Parameter wie zum Beispiel der Verschmutzung von Schmierstoffen, Schwingungen in Lagern – mit Industrie 4.0. Dies geschieht durch sensorbasierte Automatisierung der Messungen, Zusammenführung der Messdaten in einer Cloud zur zentralen Analyse und gegebenenfalls automatisierter Auslösung von vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen.“

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Differenzierungshebel und Erfolgsfaktor in der Industrie

Wisag, Stefan Borgemeister
"Der Vorteil unserer Kunden liegt sowohl in einer erhöhten Betriebssicherheit als auch in reduzierten Instandhaltungs-aufwendungen", sagt Stefan Borgemeister, Leiter Technik Wisag Industrie Service. - (Bild: Wisag)

Für die Studie haben die Autoren mehr als 150 Unternehmen befragt, unter anderem aus den Branchen Antriebs- und Fluidtechnik, elektrische Automation und Robotik, Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme sowie Software und Digitalisierung. Positive Erkenntnis: Das Gros der Befragten (81 Prozent) befasst sich bereits intensiv mit Predictive Maintenance, jedes zweite befragte Unternehmen bezeichnet die vorausschauende Wartung sogar mit Blick auf den Service als ‚Differenzierungshebel und Erfolgsfaktor, um nachhaltig Serviceumsätze aufrecht zu erhalten und auszubauen‘.

Allerdings: „Bei der Umsetzung gibt es extreme Unterschiede“, mahnt Lässig. „Auf der einen Seite verfügt etwa jedes zehnte Unternehmen bereits über komplette Angebote, während auf der anderen Seite etwa jede fünfte Firma überhaupt noch nicht in Sachen Predictive Maintenance aktiv ist.“ 40 Prozent der Befragten befinden sich noch in der Entwicklungsphase, 30 Prozent verfügen über ein Basisangebot.

Produktionsleistung und Qualität der Anlage verhöht

„Diese Ergebnisse spiegeln gut das derzeitige Bild im Maschinen- und Anlagenbau wider“, sagt Peter-Michael Synek, stellvertretender. Geschäftsführer im VDMA Fachverband Fluidtechnik. „Die meisten Teilnehmer wissen aber sehr genau um die Vorteile von Predictive Maintenance und auch über die sich bietenden neuen Geschäftsbeziehungen zwischen Kunden und Lieferanten.“

Die überwiegende Mehrheit von 79 Prozent sehe den wesentlichen Nutzen für den Kunden darin, dass sich Produktionsleistung und Qualität erhöhen. Etwa jeder Fünfte sieht die vorausschauende Wartung dagegen nur als eine Maßnahme, um die Service- und Instandhaltungskosten beim Kunden zu senken. Diese Erwartungen decken sich auch mit den Erfahrungen von Vorreitern der Entwicklung.

„Kunden erwarten heute, dass sich aus der erfassten Zustandsveränderung eine Optimierung des Betriebs der Maschine ableiten lässt“, erklärt Roman Cecil Krähling, Leiter Condition Monitoring, Fluid Management & Elektronik der Argo-Hytos GmbH.

Digitale Überwachung: Riemen mit Intelligenz

ContiTech wiederum zeigt mit ihren Konzepten für intelligente Antriebssysteme und Antriebslösungen, Komponenten genau im richtigen Moment auszutauschen und so längere Stillstandzeiten zu vermeiden. Durch gezieltes Monitoring soll zukünftig eine vorausschauende Instandhaltung er­möglicht werden, durch die schon vor dem etwaigen Defekt eines Riemens entsprechend reagiert und ein Austausch vorgenommen werden kann. „Denkbar wäre, dass unsere intelligenten Riemen künftig wichtige Riemenzustände von der Temperatur über Längung, die Korrosion im Stahlcord und den Oberflächenverschleiß messen und überwachen können – entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Anwendung“, erklärt Svenja Lüker vom Innovationsmanagement der ContiTech Power Transmission Group.

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Je nach Anwendung und Art des Riemens werden dafür externe und interne Sensoren am Riemen verbaut, welche die Daten direkt an einen PC oder eine Steuereinheit senden. Die durch die Auswertung von Daten ermöglichte vorbeugende Instandhaltung ist sowohl in der Automobilbranche als auch im industriellen Bereich anwendbar, so zum Beispiel für Spezialmaschinen oder unzugängliche Triebe.

„Wir investieren in die Entwicklung verschiedener Technologien, um zukünftig konkrete Lösungen für verschiedene Anwendungen zu realisieren“, so Lüker. „Die generierten Daten bilden dabei die Grundlage, um gemeinsam mit unseren Kunden die Entwicklung weiter voranzutreiben – auch auf spezifische Kundenwünsche und deren konkrete Anwendung individuell angepasst und abgestimmt“, führt sie fort.

Das ist Predictive Maintenance

Predictive Maintenance erweitert das Condition Monitoring. Die vorausschauende Wartung baut auf dem bereits seit Jahren in vielen Branchen üblichen Condition Monitoring auf, das den Verschleißzustand von Bauteilen erkennt und überwacht. Predictive Maintenance nutzt die per Condition Monitoring erfassten Daten, um die voraussichtliche Entwicklung des künftigen Maschinenzustandes vorherzusagen und um die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen zu unterstützen.

Vorbeugende Wartung der Maschine ohne Inspektion

Die Kunden profitieren dank der vorausschauenden Instandhaltung vor allem in zweierlei Hinsicht. Hat ein Riemen beispielsweise einen Riss auf der Oberfläche, kann dieser dank Sensorik frühzeitig erkannt werden. Mechaniker können den Riemen somit austauschen, bevor es zu einem kompletten Ausfall oder wei­teren größeren Schäden kommt. Das verhindert zum einen Stillstandzeiten und zum anderen hohe Reparaturkosten.

Die Effizienz im Betriebsablauf steigt. „Mit diesem neuen konzeptionellen Ansatz bieten wir unseren Kunden künftig ganzheitliche Lösungen und entwickeln uns vom reinen Produkt- und Systemanbieter zum Servicedienstleister“, freut sich Philip Nelles, Leiter der Power Transmission Group.

Erhöhte Betriebssicherheit durch Condition Monitoring

Doch was bringt Predictive Main­tenance dem Maschinenbauer? „Durch die laufende Analyse abnutzungsrelevanter Parameter und die automatisierte Auslösung von PM-Maßnahmen reduzieren unsere Kunden das Risiko eines Maschinenausfalls stark. Gleichzeitig wird die Abnutzungsreserve maximal ausgenutzt. Der Vorteil für unsere Kunden liegt also sowohl in einer erhöhten Betriebssicherheit als auch in reduzierten Instandhaltungsaufwendungen“, erklärt Borgemeister.

Serviceumsatz in der Instandhaltung nimmt zu

Die meisten Unternehmen gehen laut Studie davon aus, dass dank solcher Dienstleistungen der Serviceumsatz um fünf bis über 20 Prozent zunehme. Wie sich aber ein zusätzlicher Umsatz erzeugen ließe und was der Kunde brauche, wisse nur etwa jeder Zehnte. Der Realisierung eines Predictive Maintenance-Konzeptes stünden meist jedoch nicht technische Hindernisse im Weg, vielmehr bestünden Defizite in der Analyse, Mustererkennung und Prognose.

Knapp 65 Prozent der Unternehmen wüssten daher nicht, welchen Part sie innerhalb der Wertschöpfungskette von Predictive Maintenance spielen könnten. Um diesem Dilemma zu entkommen, setze die Mehrheit der Unternehmen (69  Prozent) auf Zusammenarbeit mit externen Spezialisten, einige (40  Prozent) schließen sogar eine direkte Zusammenarbeit mit Wettbewerbern nicht aus.

Predictive Maintenance als Geschäftsmodell

Unklarheit besteht in der Industrie auch noch darüber, wie sich mit der vorausschauenden Wartung Geld verdienen lässt. Etwa jeder vierte Befragte setzt auf Serviceverträge. Einig sind sich die Teilnehmer der Befragung, dass ohne Wissen und Know-how rund um Digitalisierung, Vernetzung und Big Data kein Predictive Maintenance-Geschäftsmodell funktionieren wird.

Dazu gibt auch Borgemeister einen Einblick: „Die Wisag verbindet die klassischen Methoden der PM wie regelmäßige Messungen entscheidender Parameter, wie beispielsweise der Verschmutzung von Schmierstoffen, Schwingungen in Lagern, mit Industrie 4.0. Dies geschieht durch sensorbasierte Automatisierung der Messungen, Zusammenführung der Messdaten in einer Cloud zur zentralen Analyse und gegebenenfalls automatisierten Auslösung von vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen.“

"Die Unternehmen müssen auf diesem Feld deutliche und schnelle Entwicklungsfortschritte mit den dafür notwendigen Technologien machen." -  Ralph Lässig, Partner Roland Berger

Vorbeugende Instandhaltung und Industrie 4.0

Doch was ist notwendig, dass die vorbeugende Instandhaltung auch in der Praxis funktioniert? „Voraussetzung für die Wirksamkeit eines solchen Systems ist, dass erstens Sensoren die relevanten Parameter richtig auslesen und speichern und zweitens die Schwellenwerte so definiert sind, dass einerseits ein ungeplanter Ausfall vermieden, andererseits Instandhaltungsmaßnahmen nicht unnötig früh ausgelöst werden. Um diese beiden Bedingungen zu erfüllen, ist die Analyse historischer Daten für jede Anlage erforderlich. Die Wisag bietet ihren Kunden bereits heute umfassende Lösungen für den automatisierten Aufbau und die Analyse relevanter Datenbestände an. So lassen sich die statistischen Voraussetzungen für die Verknüpfung von PM mit Industrie 4.0 bereits heute schaffen, auch wenn eine flächendeckende Umsetzung noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird“, erklärt Borgemeister.

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