Zahnräder aus Produktion, Logistik und Supply Chain Management greifen ineinander. -

Mehr Nachhaltigkeit wegen CO2-Bepreisung: Künftig kommt es immer mehr auf das erfolgreiche Zusammenwirken von Produktion, Logistik und Supply Chain an. - - EtiAmmos (Bild: Adobe Stock - EtiAmmos)

Die CO2-Besteuerung und Nachhaltigkeit treiben die Logistikkosten nach oben. Aufgrund dieser Kostenstrukturen entstehen neue oder veränderte Produktions-und Logistiknetzwerke. Digitalisierte Komponenten sollen hierbei Logistik und Produktion unterstützen. Zudem werden Überseetransporte in Frage gestellt, die Seidenstraße ins Spiel gebracht und Zulieferer rücken wieder näher an die Produktionsstätten. VW, BASF und Schenker geben Einblicke in ihr Handeln.

Konsum verlangt mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Logistik

„Wir müssen stärker dort produzieren, wo der Markt ist“, erklärt Thomas Zernechel, Leitung Konzernlogistik bei Volkswagen. Er stelle fest, dass die Infrastruktur in Deutschland und Europa total überlastet ist – sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene. Der Bedarf an Transport steige aber weiter, vor allem, weil sich das Verhalten der Konsumenten verändert habe. „Trotzdem haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 CO2-neutral zu sein. Das wird nicht kostenfrei machbar sein“, betont Zernechel.

Von daher müsse man davon ausgehen, dass die Transportkosten stiegen. Auch das Thema Nachhaltigkeit werde zu einer Kostenerhöhung führen, „wenn wir nichts tun und die Prozesse so lassen, wie sie sind“. Zernechel ergänzt: „Unsere Prognose ist, dass die Logistikkosten deutlich steigen werden, wenn die Prozesse so bleiben.“ Es brauche demnach mehr Nachhaltigkeit zu den richtigen Kosten.

Hersteller setzen auf schlanke Produktion durch Industrie 4.0

In der Fertigung sehe er das anders. Da könnten die Kosten zwar auch steigen, aber lange nicht so stark wie bei der Logistik. „Vor dem Hintergrund der Automatisierung und Digitalisierung werden wir die Kosten der Intralogistik letztlich zwar im Griff halten können, das ist analog der Fertigung zu sehen. Aber das Verhältnis wird sich unter Umständen ändern“, prognostiziert der VW-Logistiker.

Heute seien in Mitteleuropa im Allgemeinen die Fertigungskosten höher als die Logistikkosten. Das könne sich ändern, denn in den Standorten in Übersee sei es vielerorts so, dass die Logistikkosten dort höher als die Fertigungskosten seien. Was müsse sich demnach verändern?

„Wir müssen uns von alten Prozessen verabschieden. Der bisherige One-piece-flow ist aus meiner Sicht total umständlich. Denn wir müssen die Ressourcen schonen und optimal bündeln und keine riesigen Vorräte aufbauen – und zwar ganzheitlich gesehen für die Produktion und die Logistik. Dann werden wir die Logistikkosten im Griff halten können“, stellt Zernechel klar.

Thomas Zernechel von Volkswagen.
"Der bisherige One-piece-flow ist aus meiner Sicht total umständlich", sagt Thomas Zernechel, Leitung Konzernlogistik bei Volkswagen. - (Bild: Bublitz - BVL)

Mengengenau und nachhaltig produzieren

Nachhaltigkeit sowie nachhaltigere Produkte mit weniger CO2-Emissionen stehen demnach im Fokus. „Dafür müssen wir auch an der richtigen Stelle produzieren – wir werden Übersee-Transporte nicht mehr im großen Stil gestalten können. Für Spezialprodukte wird das zwar immer weiter möglich sein, aber ich glaube, dass noch stärker dort produziert werden muss, wo der Markt ist“, so Zernechel.

Der nächste Schritt verlange nachhaltiges Handeln der Unternehmen – nicht nur für die Umwelt: Auch das Netzwerk aus Produktion, Logistik und Lieferanten werde sich verändern. „Nicht automatisch, wenn die Logistikkosten nämlich steigen, rücken die Lieferanten näher an die Produktion heran. Darauf müssen wir vorbereitet sein, Strategien haben und auch Flächen an unseren Standorten vorhalten“, betont Zernechel.

Bessere Produktionsplanung und schlanke Produktion ergeben mehr Nachhaltigkeit

Die Produktionsplanung ist die nächste Herausforderung: „Wir haben nicht immer die beste Struktur an unseren Standorten, denn die sind mit der Zeit gewachsen. Wir haben Produktion verlagert uns auch Lager vor die Haustür verlagert“, erläutert Zernechel. Das sei mal modern gewesen. Aber letztlich koste das alles Geld und CO2.

„Das ist der falsche Weg. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir unsere Produktionsstandorte restrukturieren, die Dinge, die nicht im Fluss sind beziehungsweise nicht in einer Lean-Wertschöpfung sind vielleicht wieder an die Standorte bringen“, beschreibt der Logistiker aus der Autostadt. Eventuell müsse man sogar die Kapazitäten der Standorte reduzieren, um ganzheitlich produktiver zu sein. Dazu fordert Zernechel durchgängige Prozesse an den Standorten.

Mehr Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette gefordert

„Die Digitalisierung wird uns dabei massiv helfen – auch bei der Ausnutzung unserer Infrastruktur. Wir werden bessere Informationen erhalten, wo unsere Materialien sind und wie sie laufen. Wir können dadurch die Wege deutlich verkürzen und verbessern sowie die Kosten reduzieren“, sagt er.

„Wir brauchen eine integrierte, ganzheitliche Betrachtung, um der Kostenerhöhung und der Herausforderung der Decarbonisierung gerecht zu werden. Die Wege werden sich perspektivisch wieder verkürzen, Globalisierung wird an dieser Stelle eher weniger.“

3D-Druck ermöglicht den Unternehmen mehr Nachhaltigkeit

Um mehr nachhaltiges Handeln geht es auch bei Schenker, wie Erik Wirsing, Vice President Global Innovation, erklärt. Er stellt die Frage in den Raum, warum sich Logistiker mit 3D-Druck beziehungsweise Additive Manufacturing beschäftigen.

„Das Thema Digitalisierung mag so mancher nicht mehr hören. Fakt ist aber auch, dass Digitalisierung keine Naturgewalt, sondern von Menschen gemacht ist.“

Also könnten Menschen auch die Regeln ändern, definieren und gestalten. In diesen Wandel falle auch der 3D-Druck, indem Kunden sagten, dass sie weder Transport noch Lagerung bräuchten, indem sie gewisse Produkte einfach selber ausdruckten. „Dieser Veränderung wollen wir uns stellen, denn wir erkennen 3D-Druck weitgehend als Nachhaltigkeits-Thema“, so Wirsing.

"Für uns Logistiker heißt das: Heute transportieren wir noch, morgen drucken wir und eine Stufe weiter – vielleicht beamen wir irgendwann,“ sagt Erik Wirsing von Schenker.
"Für uns Logistiker heißt das: Heute transportieren wir noch, morgen drucken wir und – vielleicht beamen wir irgendwann,“ sagt Erik Wirsing, Vice President Global Innovation bei Schenker. - (Bild: Bublitz/BVL)

Von der Spedition zum nachhaltigen Hersteller

In der Logistik gebe es gleich mehrere Möglichkeiten, mittels 3D-Druck Geschäfte zu machen. Das erste sei das Thema Datenhandling. Schicke nämlich der Besitzer eines Bauplans diesen weiter, so müsse ja abgesichert sein, dass Schenker diesen nicht eintausend Mal ausdrucke und der Absender davon nichts mehr habe. Da gehe es natürlich auch um Datensicherheit.

„Dann gibt es das Thema Digital Preprocessing sowie das Thema Teile optimieren und weiterentwickeln. So haben wir eine erste Plattform gelauncht, auf der der Kunde sein Objekt hochladen und bestellen kann – aus Aluminium, Stahl, Titan oder Kunststoff.“

So habe alles angefangen, bis der Kunde irgendwann erwartete, dass er auch lediglich fünf Teile bestellen könne. „Das hatten wir so nicht erwartet. Denn es müssen natürlich Teile definiert und Dateien erstellt werden. Die Datei kann er nutzen, solange er Kunde ist. Wenn er uns aber verlässt, kann er die Datei zwar haben, was dann aber nicht günstig ist. Das ist natürlich eine andere Form der Kundenbindung“, gibt Wirsing zu verstehen.

Unternehmen benötigen Transporte just-in-time

Zum Thema Transport meint Wirsing, dass die Filamente für den 3D-Druck natürlich transportiert werden müssten. „Das kann so auch nicht jeder. Hinzu kommt natürlich das Drucken selbst so wie die nachgelagerten Prozesse wie beispielsweise Abschmirgeln. Man kann also an mehreren Stationen mit einer neuen Technologie Geld verdienen. Gleichzeitig beginnen wir auch unsere Kunden zu beraten, was die Technologie kann“, so der Schenker-Vize weiter.

Trend zum virtuellen Lager in der Logistik

Beim Thema Kundenbestellung verweist Wirsing darauf, dass Schenker ein virtuelles Lager bietet und den Kunden berät, welche Teile möglich seien. „Wir haben ja das Know-how, denn wir kennen die Teile von unseren 700.000 Auftraggebern in unseren Lägern und wissen, wie die Verbräuche sind.

So berät Wirsing mit den Worten: „Macht weniger Lager, wir drucken on demand“. Dazu ergänzt Erik Wirsing: „Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer. So drucken wir große, sicherheitsrelevante Teile für die Bahn. Für uns Logistiker heißt das: Heute transportieren wir noch, morgen drucken wir und – vielleicht beamen wir irgendwann.“

BASF verfolgt Nachhaltigkeit in Produktion und Logistik

Colin von Ettingshausen, Kaufmännischer Geschäftsführer und Arbeitsdirektor, BASF Schwarzheide erklärt, dass sich der Standort Schwarzheide in einer Phase der digitalen Transformation befinde. Nachfolgend spricht er über die logistische Zukunft des Standorts, wobei sich das Unternehmen in der Verantwortung sehe, das Thema Nachhaltigkeit in Produktion und Logistik zu erfüllen.

„Unsere Produkte gehen zu 25 Prozent in die Automobilindustrie und unser Konzern will bis 2030 CO2-neutral wachsen. Der Standort soll Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit sein“, erklärt von Ettingshausen. Der Standort sei auf eine leistungsfähige, wettbewerbsfähige und flexible Logistik angewiesen.

"Die Digitalisierung ist Überlebensstrategie, weil vor allem bei uns im Osten 30 Prozent mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als von den Schulen nachkommen", sagt Colin von Ettingshausen von BASF.
"Die Digitalisierung ist Überlebensstrategie, weil vor allem bei uns im Osten 30 Prozent mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als von den Schulen nachkommen", sagt Colin von Ettingshausen von BASF. - (Bild: Bublitz/BVL)

Seidenstraße für Logistik und Produktion essentiell

„Wir haben die Logistik als strategisches Handlungsfeld schon vor vielen Jahren definiert“, so von Ettingshausen weiter. „Zudem wollen wir uns als gesamter Industriestandort aus zwei Gesichtspunkten an die Seidenstraße anbinden.

Zum einen sind wir ein Kontinent, der von den Rohstoffen anderer Kontinente abhängig ist. In dieser Abhängigkeit muss man zumindest die Infrastruktur vorhalten können und insbesondere die Steuerungskompetenz für diese Infrastruktur vorhalten.“ Ansonsten werde es noch schwerer, mit anderen Volkswirtschaften auf Augenhöhe zu diskutieren.

„Zweitens versprechen wir uns durch die Anbindung Handlungsoptionen. Denn wir sind in unserer Logistik bisher sehr Ost-West ausgerichtet. Wir erwarten auch weitere Optionen in der Nord-Süd-Tangente, außerdem Flexibilität hinsichtlich neuer Partner, die wir gewinnen, wenn wir Anlagenänderungen haben, die die Anforderung an das Logistikportfolio verändern“, so von Ettingshausen vorausblickend.

Strategie in der Logistik für mehr Nachhaltigkeit bei bei BASF

Drei Bestandteile der Logistikstrategie:

  1. Investition. „Wir investieren hier beispielsweise in die Tankcontainer, die in ihrer Größe neu sind (45 und 53 Fuß). Speziell bei Warenströmen aus dem Osten, wo es das Thema der unterschiedlichen Spurweite gibt. Da wollen wir mit den neuen Tankcontainer Flexibilität gewinnen, Geld sparen und Zeit gewinnen.“
  2. Yard-Management: „69.000 LKW empfangen wir pro Jahr, dafür gibt es 150 Anlaufstellen. Es muss natürlich auch geprüft werden, welcher LKW-Fahrer wann mit welchem Produkt reinfährt. Ist das überhaupt ein registrierter LKW? Da wollen wir durch die digitale Transformation weitere Verbesserungen erreichen. Einmal aufgrund des Wettbewerbsdrucks, aber auch, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Denn die Digitalisierung ist Überlebensstrategie, weil vor allem bei uns im Osten 30 Prozent mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als von den Schulen nachkommen. Wenn wir außerdem wachsen wollen, werden wir es schwierig haben, die Leute dafür zu finden.“
  3. Qualifizierung: „Die digitale Transformation unseres Standorts und die digitale Transformation unserer Gesellschaft wird nur dann passieren, wenn wir den Menschen Beschäftigungsperspektiven aufzeigen können. Deshalb ist die Qualifikation, die Aus- und Weiterbildung das A und O für die Zukunft unseres Standortes.“

Nachgefragt: Wie nachhaltig sind Produktion und Logistik – auch für die Umwelt?

Nun stellt sich die Frage, wie nachhaltig aktuell bereits gewirtschaftet wird, wie eine Lieferkette aussieht und welche Veränderungen zugunsten eines geringeren CO2-Ausstoßes auch zugunsten der Umwelt geplant sind.

Dazu Thomas Zernechel von Volkswagen: „Von China liefern wir nur relativ wenig nach Europa – aber immerhin etwas. Dieses ‚immerhin‘ wird uns in der nächsten Zeit Probleme machen“, warnt er im Hinblick auf die Nachhaltigkeit.

„Vielleicht sollte man das noch einmal überdenken. Denn nun rücken wir insgesamt näher an die Fabriken ran, da die Logistikkosten eben mit Nachhaltigkeit verbunden werden. Umgekehrt liefern wir für 20 Kubikmeter in China lediglich einen halben Kubikmeter aus Europa hinzu. Der Rest wird lokal hergestellt“, betont Zernechel.

Mehr Einsatz für die Umwelt zu den richtigen Kosten

Doch wie können Zulieferer mit dieser neuen Unternehmens-Strategie umgehen? Diese hätten ihre Kostenstruktur ja stark optimiert. Zögen sie nun zu den Produktionsstandorten, dann könnten kritische Größen unterschritten werden.

So müsse man ein Optimum finden zwischen der Forderung eines OEM bezüglich Lieferfähigkeit und lokaler Produktion und der Wettbewerbsfähigkeit, was die Kostenstruktur der Zulieferer betreffe.

„Heute spielt die Logistik oftmals eine untergeordnete Rolle. Wenn aber durch Kapazitätsverknappung und Nachhaltigkeitsanstrengungen die Logistikkosten steigen, dann geschieht es automatisch, näher an die Produktion heranzurücken. Natürlich ist die kritische Größe dabei ein wichtiger Punkt. Wir werden auch nicht alle Materialien vor Ort produzieren“, ergänzt Zernechel. Toyota und Hyundai beispielsweise produzierten bereits sehr viel auf dem Werksgelände.

Mehr Verantwortung für Mitarbeiter und Planung in der Branche

Zudem stellt sich die Frage, wie die Unternehmen mit ihrem Mittelmanagement umgehen, denn genau das benötigen sie, um die Digitalisierung effektiv umzusetzen? Von Ettingshausen erklärt, dass es insgesamt um die Menschen gehe.

Auch im Rahmen der digitalen Transformation gebe es ein paar allgemeine Business-Weisheiten – wie auch die: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann erzähl den Leuten nicht, wie sie mit Hammer, Nagel und Säge umgehen müssen, sondern versuch die Begeisterung für das große weite Meer zu vermitteln.“

Wirsing ergänzt, dass auch das Führungsmanagement diese Haltung vertreten müsse. „Das Management muss es selbst nicht können, aber Leute einstellen, die es können.“

Optimierung in Produktion und Logistik durch Künstliche Intelligenz

Zernechel denkt, dass es in der Supply Chain recht schnell zu Verschiebungen kommen könne: „Es kann durchaus sein, dass durch die Digitalisierung externe Logistikdienstleistungen wieder zu dem Logistikteil des OEMs zurückwandern. So haben wir beispielsweise in der Outbound-Distribution im vorletzten Jahr über 200 LKW direkt eingechartert und gesteuert. Wir haben das Dispositionsgeschäft an dieser Stelle direkt übernommen. Da ist in der Logistikbranche viel möglich.“

Auch das Thema Künstliche Intelligenz spiele in der Logistik 4.0 eine wichtige Rolle, wie Erik Wirsing von Schenker darstellt: „Da sind wir als Logistiker mittlerweile auch sehr gefordert.“ Das Thema ‚Predictive –  was wird morgen sein' sei gerade für die Logistikbranche auch unter den Gesichtspunkten wie Nachhaltigkeit und Umwelt in der Industrie wichtig.

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