Herr Neun, Sie sind bei DMG Mori als Executive Officer und Chief Sales & Service Officer tätig. Ihr Unternehmen hat ein spezielles Konzept entwickelt, um den aktuellen Anforderungen am Markt zu begegnen. Was genau steckt hinter dieser Machining Transformation, die Sie für Ihre Kunden anstreben?
Harald Neun: Wir identifizieren vier wesentliche Säulen unter dem Begriff Machining Transformation: die Prozessintegration, die Automation, die digitale Transformation und die grüne Transformation.
Die Prozessintegration zielt darauf ab, immer mehr Technologien auf unseren Maschinen zu integrieren. So versetzen wir Kunden in die Lage, mit weniger Maschinen fertige Werkstücke zu produzieren. Während das beim Drehen und Fräsen schon lange etabliert ist, kommen nun weitere Themen dazu. Beispielsweise können wir Technologien um Gear Cutting oder um Schleifoperationen heute in DMG-Mori-Maschinen integrieren, sodass der Kunde letztendlich in einer Operation zum fertigen Werkstück gelangt.
Dies ist natürlich wichtig, weil es ressourcenschonend ist, wenn nur eine Maschine anstelle von vier oder fünf Maschinen benötigt wird, um ein fertiges Werkstück zu produzieren. Das ist effizient und spart viel Manpower sowie Energie.
Damit spannen wir auch schon den Bogen zur grünen Transformation, die immer wichtiger wird. Unsere Maschinen zeichnen sich durch ihre besondere Effizienz aus und heben sich dadurch von ihren Vorgängern ab.
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Können Sie Beispiele nennen, was Ihre Maschinen denn besonders effizient macht?
Neun: Zum einen entwickeln wir Komponenten, die einen möglichst energieeffizienten Betrieb ermöglichen. Ein gutes Beispiel dafür sind frequenzgeregelte Kühlmittelpumpen. Diese Pumpen transportieren nur so viel Kühlmittel, wie benötigt wird und es steht nicht immer der volle Druck an wie bei herkömmlichen Pumpen. Aber es spielt eben auch eine entscheidende Rolle, dass wir moderne Maschinen anbieten, die unseren Kunden ermöglichen, schneller zum fertigen Bauteil zu kommen und der gesamte Produktionsprozess effizienter gestaltet wird. Dadurch kann der Energieeinsatz allgemein in sehr, sehr vielen Fällen minimiert werden.
Eine weitere Säule, die Sie zu Beginn genannt haben, ist die Automation. Die ist schon lange ein Thema in der Branche. Warum ist Automatisierung für DMG Mori immer noch so wichtig?
Neun: Uns ist hier besonders wichtig, dass wir unsere verschiedenen Kundengruppen begleiten. Dazu gehört, dass wir für unsere kleinen und mittelständischen Kunden Automationslösungen anbieten, die einfach handhabbar und intuitiv bedienbar sind. Das ist ein entscheidender Punkt.
Dazu gehört beispielsweise unser Robo2Go, für den kein spezifisches Knowhow in der Programmierung von Robotern oder Ähnlichem notwendig ist. Das Interface kann über Drag & Drop bedient werden, sodass mit einem kurzen Training ein normaler Maschinenbediener in der Lage ist, diese Automationslösung zu bedienen. Damit ermöglichen wir auch KMU den Sprung in die Automation und helfen dabei, Schwierigkeiten – wie dem Arbeitskräftemangel – entgegenzuwirken.
Für unsere Konzernkunden bieten wir ebenfalls Lösungen, die oftmals sehr komplexe, hochintegrierte Automationsanlagen fordern. Insgesamt können wir eine große Bandbreite abbilden.
Die dritte Säule ist die digitale Transformation. Was ist darin enthalten?
Neun: Dieser Teil beschäftigt sich maßgeblich damit, dass wir einerseits unsere Maschinen flexibel konnektierbar machen an die Datensysteme unserer Kunden, in der Regel ERP-Systeme. Andererseits geht es darum, dass wir auch immer mehr Lösungen dafür anbieten, dass der Kunde die Daten, die generiert werden im Bearbeitungsprozess, sinnvoll nutzen kann.
Zum Beispiel kann er damit eine relativ einfache Überwachung seines Workshops durchführen, aber durchaus auch weitergehende Analysen mit den Daten vornehmen. Zudem bieten wir auch Lösungen an, insbesondere für kleinere Unternehmen, damit diese die Daten der Bearbeitungsprozesse wirklich sinnvoll nutzen können. Dadurch entsteht ein echter Mehrwert im Kernprozess der Bearbeitung von Metall.
Bleibt noch die vierte Säule, die grüne Transformation. Inwieweit unterstützt sie die Kunden bei der Nachhaltigkeit?
Neun: Die Prozessintegration, Automation und digitale Transformation tragen wesentlich zur grünen Transformation bei, indem sie den Energieverbrauch und Materialeinsatz reduzieren, die Effizienz steigern und den ökologischen Fußabdruck der Produktion minimieren. Durch die Integration verschiedener Technologien in einer Maschine, die Optimierung der Produktionsprozesse und die Nutzung digitaler Daten zur Steuerung und Wartung, können Unternehmen nachhaltiger produzieren, Kosten sparen und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
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Das sind also die Kernelemente der Machining Transformation. Was genau bedeutet das aber jetzt für die Unternehmen? Müssen Sie sich einen komplett neuen Maschinenpark anschaffen, oder können die Lösungen auch auf vorhandenen DMG-Mori-Maschinen integriert werden?
Neun: Das kommt ein bisschen auf die Säule an. Im Bereich der Automation haben wir einfache Automationslösungen für die Fünf-Achs-Fräsmaschinen. Ein Beispiel dafür ist unser PH Cell, unsere Standardlösung für eine kompakte Palettenautomation. Wir haben nun die Möglichkeiten geschaffen, diese im Retrofit nachzurüsten, um unseren Kunden auch nachträglich maximale Flexibilität zu bieten. Das ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen sehr wichtig, weil es sich um signifikante Investitionen handelt und die Planungshorizonte bei unseren KMU oftmals kurz sind. Deshalb verändern sich Dinge gerne mal und diese Flexibilität ist für viele von unseren Kunden sehr wichtig.
Beim Thema Digitalisierung, ist es auch so, dass wir Lösungen schaffen können, um ältere Bestandsmaschinen, sogar Maschinen von Wettbewerbern, zu vernetzen. KMU können so zum Beispiel ihre Werkstatt besser überwachen – einige Nachrüstungen sind hier möglich.
Im Bereich der grünen Transformation und auch der Prozessintegration kommen die entscheidenden Vorteile natürlich aus höchst modernem Equipment.
Wann ist Ihrer Meinung nach der Zeitpunkt erreicht, zu dem Unternehmen nicht mehr nachrüsten, sondern in eine umfassende Transformation investieren sollten?
Neun: Wir sprechen mit unseren Kunden immer erstmal darüber, was deren Pain Points sind. Und bei bestehenden Kunden kann es nach sieben bis zehn Jahren durchaus vorkommen, dass Instandhaltungs- und Wartungskosten von Bestandsmaschinen ein Level erreichen, gerade wenn sie sehr intensiv genutzt worden sind, bei dem sich eine betriebswirtschaftliche Neubewertung lohnt.
Besonders bei intensiv genutzten Maschinen kann es sinnvoll sein, in neue Technologien zu investieren. Es lohnt sich dann aufgrund der Kombination aus reduzierten Wartungskosten und anderen Effizienzvorteilen. Zum Beispiel auch im Hinblick auf Anzahl von Mitarbeitern, die man möglicherweise benötigt.
Das heißt dem Fachkräftemangel kann man mithilfe der Machining Transformation ebenfalls gut entgegenwirken?
Neun: Ja. Wenn Sie beispielsweise ein kleiner mittelständischer Kunde im ländlichen Bereich sind und keine Facharbeiter mehr finden, dann setzen Sie auf neues Equipment, wo Sie die Prozessintegration verstärkt in den Vordergrund rücken. Das gibt den Kunden die Möglichkeit, komplexe Teile mit weniger Manpower-Einsatz zu fertigen. Außerdem werden sie dadurch höchstwahrscheinlich einen Kostenvorteil haben und so attraktiver für Ihre Endkunden werden.
Welche weiteren Vorteile bringt die Machining Transformation denn mit sich? Warum sollten Unternehmen das dringend auf dem Schirm haben?
Mit den verschiedenen Elementen der Machining Transformation können unsere Kunden ihre Pain Points ganz aktiv angehen. Die sind überall anders und das ist das Schöne daran, dass wir uns mit diesen vier Säulen entlang der Herausforderungen, die unsere Kunden haben, bewegen können.
Ein Beispiel: In Großunternehmen ist es oft so, dass die Energieeffizienzziele sehr wichtig sind und wir sehr klar den Kunden aufzeigen können, was denn die tatsächlichen Einsparungen sind. Das Thema Nachhaltigkeit wird oft als Schlagwort genutzt, mit dem man sich gerne schmückt, doch wir legen großen Wert darauf, konkrete und nachvollziehbare Ergebnisse zu präsentieren.
Wir haben für unsere Maschinen jeweils eine Referenzmaschine definiert, Abläufe gemessen und dadurch können wir eine klare Linie aufzeigen, was die tatsächlichen Einsparungen beziehungsweise die tatsächlichen Effizienzgewinne sind, die Unternehmen damit erzielen.
Ein weiterer wichtiger Vorteil ist der Flexibilitätsaspekt. Mit Prozessintegration haben unsere Kunden deutlich mehr Optionen. Wir haben eben heute die Möglichkeit, Verzahnungen auf unseren Drehfräs- und auch auf den Fräs-Drehmaschinen herzustellen, wofür vor zehn Jahren Sondermaschinen noch benötigt wurden. Diese Flexibilität gewichten beispielsweise Firmen im OEM-Bereich stärker als die reine Fertigungseffizienz, die reine Taktzeit. Weil selbst in dem Bereich, die Produktlebenszyklen kürzer und damit die Flexibilitätsanforderungen größer werden. Und selbst in ganz großen Unternehmen wird die Sichtbarkeit nach vorne geringer und dadurch ist die Flexibilität, die neue Maschinen mit sich bringen, wesentlich wichtiger, als sie das noch vor ein paar Jahren war, als es noch um die letzte Sekunde der Taktzeit ging.
Die Autorin Julia Dusold ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights.
Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten.