Die Mahr GmbH untersucht in einem Projekt mit Festo Training and Consulting, wie Wandlungsfähigkeit bei Wertschöpfungsprozessen erreicht werden kann. Diese Wertstromrisikoanalyse beschreibt die Verknüpfung von Wertstromdesign und Prozess-FMEA.
DENKENDORF(gk). Waren bisher bei der Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen für neue Produkte vor allem Effizienz und ein schneller, steiler Prozessanlauf maßgeblich, gewinnt seit einiger Zeit deren Wandlungsfähigkeit erheblich an Bedeutung. Die Ursachen hierfür resultieren aus den Turbulenzen an den Märkten. Erheblich schwankende Nachfrage des Marktes, zunehmende Variantenvielfalt, steigende Anforderungen der Kunden an die Produkt- und Prozessqualität – das sind einige der Wandlungstreiber, mit denen Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit konfrontiert wurden und sicher auch in Zukunft werden.
Wertschöpfungsprozesse müssen wandlungsfähig sein, das heißt, sie müssen schnell und ohne großen Aufwand auf die wandelnden Bedarfe einzustellen sein. Mit diesen erweiterten Anforderungen setzte sich die Mahr GmbH, Göttingen, und Festo Training and Consulting, Denkendorf, in einer Teilaufgabe im Rahmen des Verbundprojekt WaProTek auseinander.
Schnell wurde dabei deutlich, dass Prozessoptimierung zwar die Auswirkungen der Turbulenzen lindert, Wandlungsfähigkeit aber nur dann umfassend erreicht wird, wenn sie bereits in die Planung und Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse einfließt. Denn Wandlungsfähigkeit ist eben nicht nur Flexibilität, sie schließt ebenso die Fähigkeit zum schnellen und kostenarmen Reagieren beim Eintreten des scheinbar Unmöglichen ein wie zum Beispiel bei Nachfrageschwankungen von mehr als 50 % oder einer exponentiellen Zunahme der Produktvarianten. Es geht also um nicht mehr oder weniger als den Plan B.
In dem Projekt kristallisierte sich heraus, dass dies nur mittels einer ganzheitlichen Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse gelingen kann. Wichtige Kriterien dabei sind eine hohe Produktivität, kurze Durchlaufzeiten und niedrige Bestände.
Über das bekannte Wertstromdesign hinaus musste eine Vorgehensweise entwickelt werden, die den Wertschöpfungsprozess und die auf ihn einwirkenden Risiken in den Mittelpunkt stellt. Sie wird als Wertstromrisikoanalyse bezeichnet und beschreibt die Verknüpfung von Wertstromdesign und Prozess-FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse). Im ersten Schritt wird der Wertstrom für das neue Produkt gestaltet. Im zweiten Schritt müssen unter Beteiligung aller Betroffenen die möglichen Risiken bestimmt werden. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten (Entwicklung, Produktmanagement, Einkauf, Produktion) verdeutlichen besonders die Risiken an den Schnittstellen zwischen den Funktionsbereichen.
Bei Mahr sind das die starke Abhängigkeit von spezialisierten Lieferanten und die Verschiebung von Messaufgaben beim Kunden aus dem Messlabor in die Produktion, die zu schlechteren Umgebungsbedingungen und weniger qualifiziertem Personal führt. Diese Risiken haben nun unterschiedliche Einflüsse auf den zu gestaltenden Prozess – im Sinne der Herstellkosten oder der Verfügbarkeit von Teilen, von Lieferzeiten oder sich ändernden Produktanforderungen. Entsprechend sind diese anhand der FMEA-Logik zu bewerten. Überschreitet die Risikoprioritätenzahl einen Grenzwert, muss der kritische Prozessschritt identifiziert werden und es müssen entsprechende Szenarien entwickelt werden. Wie ist dieser zu gestalten, damit trotz Auftreten des Risikos Prozessstörungen möglichst ausgeschlossen werden? Was tun wir, im Falle des angenommenen Szenarios?
Eben: Wie ist unser Plan B?