Bei der MAN Truck & Bus AG läuft derzeit ein Pilotprojekt, wie Frederik Zohm, Vorstand Forschung und Entwicklung, beschreibt: „Dass Platooning technisch funktioniert, haben wir in verschiedenen Vorgängerprojekten wie 2016 in der European Truck Platooning Challenge bereits bewiesen. Die Anpassung dieser Technologie an die realen Alltagsbedingungen der Logistik ist die Herausforderung, die wir jetzt angehen.“ Nachfolgend lesen Sie drei aktuelle Thesen zum Thema. Was diese bringen, finden Sie zusammengefasst im weiter untenstehenden Kasten.
Schon heute gibt es bereits eine Menge Beispiele, wie Autos den Fahrer im Alltag unterstützen und beispielsweise den Abstand halten. Im Logistikbereich sind die Fortschritte noch dramatischer. Auf hessischen Autobahnen fahren zum Beispiel schon jetzt LKW des Herstellers MAN, bei denen kein Mensch mehr am Steuer sitzt. Stattdessen folgt der Laster autonom einem vorausfahrenden Fahrzeug, das ihn noch durch unübersichtliche Abschnitte wie Baustellen leitet.
„Auch Hersteller wie Daimler, Tesla und Scania haben bereits erste autonom fahrende Trucks auf die Straße gebracht. Auf Firmengrundstücken, wo gesetzliche Regelungen zum autonomen Fahren nicht greifen, fahren Fahrzeuge sogar schon vollkommen eigenständig von A nach B, etwa um Lager zu be- und entladen. Scania verschifft beispielsweise gerade den ersten komplett autonomen Lkw für einen Kunden nach Afrika, wo er in einer Mine fahrerlos seinen Dienst verrichten soll“, sagt Professor Josef Decker, Experte für Systeme und Prozesse in der Logistik an der IUBH Internationalen Hochschule.
Auch wichtig: Die Politik ist schon auf Kurs. Denn nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat den Weg frei gemacht für hoch- und vollautomatisiertes Fahren. Im Straßenverkehr wird in Kürze der Computer dem menschlichen Fahrer gleichgestellt.
Vernetztes Fahren mit führendem Fahrzeug
Was wiederum sagen Spediteure dazu? Ab wann könnten dort autonome LKW zum Einsatz kommen? Dazu Stefan Hohm, Corporate Director, Corporate Solutions, R & D bei Dachser: „In der Logistik sehen wir eine ganze Reihe von wertsteigernden Einsatzmöglichkeiten für autonome Technologien. Wir fahren schon Tests, zum Beispiel zur Abwicklung von Pallettenbewegungen im Warehouse durch autonom fahrende Transportsysteme.“ Das System könne Hindernisse erkennen und umfahren und sei auch im Mischbetrieb mit konventionellen Staplern einsetzbar.
Ein weiteres interessantes Anwendungsfeld sei der Betriebshof. Hier sei in den kommenden Jahren der autonome Einsatz von Hoffahrzeugen, die die Wechselbrücken umsetzen, denkbar. Hohm weiter: „Im Straßenverkehr selbst gibt es vielerlei Abstufungen des ‚autonomen Fahrens‘. Hier sehen wir Einsatzszenarien von bereits heute verfügbaren Fahrerassistenzsystemen und Abbiegeassistenten, bis hin zum teilautonomen Fahren, bei dem der Fahrer zusätzliche, höherwertige Aufgaben wie zum Beispiel Avisierung oder Tourenplanung übernehmen kann.“
Video: So funktioniert Platooning
Das voll autonome Fahren im Straßenverkehr sieht Hohm derzeit noch recht realitätsfern. „Hier müssen noch technische, vor allem aber rechtliche und auch ethische Fragestellungen geklärt werden. Eines ist für uns jedenfalls klar: In der Logistik werden auch künftig Menschen mit Menschen Kontakt haben“, so Hohm. Das gelte insbesondere für Fahrer, die den direkten Austausch mit den Kunden an der Rampe übernehmen. Die Digitalisierung werde diese Arbeitsplätze nicht abschaffen, sondern vielmehr mit höherwertigen Aufgaben anreichern, während sie einfachere Arbeiten automatisiere.
Die Zukunft bringt freiere Straßen
Alleine in Deutschland rollen im Durchschnitt rund 500.000 schwere LKW jeden Tag über die Straßen. Knapp ein Drittel davon sind Leerfahrten und tragen damit zu hohem Verkehrsaufkommen und Staus bei. Die Zukunft verspricht freiere Straßen. Dafür sprechen zwei Entwicklungen.
Zum einen verursachen autonom fahrende, vernetzte Fahrzeuge in Zeiten großen Verkehrsaufkommens durch ihr Fahrverhalten weniger Staus. Da Schlafpausen auf Rasthöfen durch autonom fahrende LKW entfallen, lassen sich zudem Transporte auch nachts durchführen. Das entzerrt den Verkehr zusätzlich. „Zum anderen koordinieren zentrale Plattformen Aufträge und Routen effizienter. Dadurch sind einerseits weniger Fahrzeuge nötig und andererseits werden Leerfahrten deutlich reduziert. Fortschrittliche Logistikprogramme berücksichtigen überdies Variablen wie Verkehrslage und Wetter und leiten die LKW-Ströme effizienter über die Straßen“, erläutert Decker.
Supply Chain visualisieren und analysieren
Wie steht Dachser zu solchen Plattformen? Hohm erläutert, dass Dachser bereits vor 30 Jahren die Entwicklung zum Informationslogistiker forciert und sich dafür entschieden hat, seine IT-Kernsysteme für Transport- und Warehouse-Management selbst zu entwickeln. „Die Programme werden wöchentlich zentral aktualisiert und kommunizieren miteinander ohne Schnittstellenproblematiken. Die daraus gewonnenen, einheitlichen Daten können wir heute schon tief und umfassend für unsere Kunden auswerten. Wir können zum Beispiel unmittelbar und proaktiv Informationen über Probleme im Sendungsverlauf geben und schaffen wertvolle Zeit für alternative Maßnahmen.“
Über ein weiteres Tool könne Dachser auch die komplette Supply Chain der Kunden visualisieren und analysieren und Optimierungspotenziale aufzeigen. Hohm ergänz dazu: „Die Grundlagen in Sachen Datenqualität sind also geschaffen, um diesen Weg auch in Zukunft konsequent weiterzugehen: Sendungsdaten immer intelligenter auszuwerten und auch mit externen Daten anzureichern, um eine wertsteigernde, vorausschauende Logistikdienstleistung anzubieten.“
Intelligenz verbessert Distribution
Joachim Weise, Senior Vice President Data Strategy and Analytics bei der Schenker AG, stellt zu den Plattformen Folgendes dar: „Wir evaluieren für eine Reihe verschiedener datengetriebener Projekte verschiedenste externe Datenquellen wie etwa Verkehrs- oder Wetterdaten, aber auch insbesondere makroökonomische Daten. Diese lassen sich so für Prognosemodelle im Rahmen der Marktentwicklung oder Risikobewertungen im Rahmen einer Supply Chain Resilience nutzen.“
Der globale Markt für KI-basierte Dienstleistungen, Software und Hardware wächst jährlich um bis zu 25 Prozent und wird bis 2025 voraussichtlich 130 Mrd US-Dollar erreichen. Unternehmen wie Cargonexx zeigen, was schon heute dank Künstlicher Intelligenz möglich ist: Ein selbstlernender Algorithmus sorgt für optimale Auslastung von LKW, Vermeidung von Leerfahrten und transparente Preise. „Wir nennen es One-Click-Trucking“, erläutert Gründer Rolf-Dieter Lafrenz, „denn der Transport von Waren wird mit unserem System so einfach wie Taxifahren oder Online-Shopping.“ Beispiel Kostenkalkulation: Diese übernehmen moderne Vorhersagemodelle, die tagtäglich dazulernen und unmittelbar den fairsten Preis errechnen. „Schon bald können wir für Transportunternehmen nicht aktuelle Touren optimieren, sondern auch eine Auslastung für die kommenden Tage garantieren“, so Lafrenz.
Hohm sagt, dass auf Grundlage der Transport- und Warehouse-Management-Systeme Dachser heute bereits ausgefeilte Tools zur Routenplanung im Einsatz habe, die für maximale Auslastung und die Vermeidung von Leerfahrten sorgen. „Wir verfolgen die technologische Entwicklung auf dem Gebiet der KI genau, um hier auch in Zukunft auf dem neuesten Stand der Technologie zu sein.“
Zu DB Schenker erläutert Weise: „Machine Learning hält auch Einzug in die Logistik. Wir befassen uns mit der Entwicklung Künstlicher Intelligenzen zur Echtzeitoptimierung bei der Disposition von Ladungsverkehren insbesondere im Landverkehr und bei der Erstellung von Sendungsprognosen.“
Vorteile durch KI in der LKW-Logistik
- Freiere Straßen: Durch weniger Leerfahrten würde das LKW-Aufkommen auf den Straßen spürbar reduziert.
- Sinkende Unfallgefahr: Die Gefahr von Auffahrunfällen durch eingenickte LKW-Fahrer wäre gebannt, aktuell ist das die häufigste Unfallursache.
- Sinkende Kosten: Derzeit entfallen im Transportgewerbe zwischen 40 und 45 Prozent der Betriebskosten auf die Mitarbeiter am Steuer. Menschliche Fahrer müssen darüber hinaus viel pausieren und dürfen nur begrenzt fahren, die Flotten sind deshalb nicht optimal ausgelastet. Autonom fahrende LKW versprechen, die Kosten deutlich zu senken.
- Sichere Versorgung: Der akute Fahrer-Mangel würde keine Gefahr mehr für Versorgungsengpässe und somit negative Auswirkungen auf die Wirtschaft darstellen.