Festo, Montagewerk, USA
Hier ist Können gefragt: Festo setzt an seinem Standort in der Nähe Cincinnatis auf gut ausgebildete Mitarbeiter. Für das Training der Werker sorgt das Unternehmen mithilfe eines eigenen Ausbildungsprogramms selbst. - (Bild: Festo)

"Damit die Reindustrialisierung der USA tatsächlich von Erfolg gekrönt sein wird, muss die Skill-Gap geschlossen werden", sagt Tony Oran. Der Director of Training bei Festo Didactics meint damit das extreme Gefälle zwischen den gut ausgebildeten Ingenieuren und den einfachen Arbeitern. Wie hoch der Bedarf nach fähigen Arbeitern ist – wobei die Betonung auf ‚fähig‘ liegt – zeigt die Statistik: Im Bundesstaat Ohio gibt es aktuell 30 000 freie Stellen in der Industrie. Gleichzeitig gibt es 130 000 Arbeitslose. Diese gelten aus US-Sicht als ‚mid-skilled‘, haben also schon in der Industrie gearbeitet und auch eine gewisse Ausbildung genossen.

Das reicht allerdings nicht, um sich für die neuen Jobs in den Indus­triebetrieben zu qualifizieren. Von einem Ausbildungslevel, wie wir es in Deutschland dank der dualen Ausbildung haben, kann erst recht keine Rede sein. So suchen die Unternehmen in den USA händeringend nach Mitarbeitern mit technischer Ausbildung. Die müssen in der Lage sein, mit den modernen Produktionssystemen – Stichwort Industrie 4.0 – umzugehen.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem dabei: Ein Job im Shop Floor der produzierenden Industrie genießt in den Vereinigten Staaten nach wie vor keinen hohen Stellenwert. Lehrer und Eltern bläuen den Jugendlichen ein: Nur mit einem Universitätsstudium kannst du die Karriereleiter erklimmen.

Dass sich eine solche Denkweise nicht von heute auf morgen ändern lässt, ist klar. Doch der Anfang scheint gemacht. Festo Didactic, das Sinclair Community College sowie fünf Unternehmen aus dem Großraum Cincinati (Art Metal Group, Clippard Instruments, Festo Inc., MQ Automation, Nestlé) haben jüngst eine zweijährige Berufsausbildung ins Leben gerufen. Der Fokus liegt dabei auf der Mechatronik. Das Programm stützt sich auf drei Säulen: Theoretische Schulungen im Community College, Hands-on-Training im Ausbildungszentrum von Festo und Training-on-the-Job in den jeweiligen Unternehmen.

Deutsche Ausbildung als Vorbild

Die Initiative orientiert sich somit am deutschen Ausbildungsmodell. Elf Lehrlinge zählt der erste Jahrgang. Sie sollen fit sein für die Industrie 4.0, die nach und nach Einzug in die Region hält. "Die Technologie entwickelt sich schnell weiter", sagt Jennifer Paine, Site Management Lead bei Nestlé. "Für uns ist das ein Bekenntnis an unsere Mitarbeiter. Die Verbesserung ihrer Fähigkeiten macht unser Unternehmen wettbewerbsfähiger." So trägt Festo Didactic mit seinem Ausbildungsprogramm und seinem Trainingscenter zum Aufschwung der Industrie im Großraum Cincinnati bei.

Doch trotz der positiven Entwicklung der Stadt sind die Straßen der ‚Königin des Westens‘, wie die Einwohner Cincinnati liebevoll nennen, nicht mit Gold gepflastert. Die Highways sind oft noch von Schlaglöchern übersät. Ist man zu Fuß in Downtown unterwegs, dauert es nicht lange, bis der erste Bettler um ein Almosen bittet. Beim Blick in manch parkendes Auto scheint es, als ob der Besitzer nicht nur einmal seinen Wagen als Schlafplatz zweckentfremdet hat. Es heißt, die ein oder andere Brücke über den Ohio River steht kurz vor dem Zusammenbruch.

Anders die Situation in Mason: Das Städtchen an der Peripherie Cincinnatis zählt zu den 100 sichersten Orten Amerikas. Ein Golfplatz und ein Freizeitpark liegen nahezu im Stadtzentrum. Trotz der Erfolge lassen die Verantwortlichen der Kleinstadt nicht locker, um weitere Unternehmen in die Gegend zu locken.

Michele F. Blair, Direktorin des Economic Development der Stadt Mason, wirbt mit der niedrigen Kriminalitätsrate und dem internationalen Flair ihrer Gemeinde. Dort leben zahlreiche Ingenieure und Manager aus Europa und Japan. Besonders stolz sei sie nun, dass sich mit Festo ein deutscher Konzern in Mason angesiedelt habe. Das könne eine gewisse Sogkraft auf andere Unternehmen haben. Auch die erwähnte Bain-Studie prognostiziert, dass die Industrialisierung in den USA weiter an Fahrt gewinnt und deutschen Industrieunternehmen erhebliche Expansionsmöglichkeiten eröffnet.

Schreitet die Renaissance der Industrie am Ohio River weiter voran, könnte in Cincinnati also das gelingen, was Mason im Kleinen schon geschafft hat. Und auch Schwiegerväter können sich dann wieder unbewaffnet nach Over-The-Rhine wagen.

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