Ronnie Vuine hat Micropsi Industries vor zehn Jahren gegründet.

Ronnie Vuine hat Micropsi Industries vor zehn Jahren gegründet. (Bild: Micropsi Industries)

Ronnie Vuine hat sein Start-up Micropsi Industries 2014 gegründet, um Produkte und Systeme im Bereich der KI zu erforschen. Im Jahr 2016 hat das junge Unternehmen die Idee entwickelt, mithilfe von KI eine Software für die Industrie zu erstellen, die "leer" zum Kunden kommt und beim Kunden lernt, welche Funktionen sie ausführen soll. "Die Systeme lernen beim Kunden und vom Kunden", so Vuine 2021. Inzwischen vertreibt das Unternehmen eine Software, die KI-getriebene trainierbare Robotersteuerungen für die Industrie ermöglichen soll.

Herr Vuine, wir haben 2021 bereits einen Artikel über Micropsi veröffentlicht. Wie ist es Ihnen denn seitdem ergangen?

Ronnie Vuine: Vor drei Jahren, also kurz vor Beginn der Pandemie, haben wir gerade angefangen, unsere Software zu verkaufen. Das Produkt war damals in einer noch etwas unreiferen Form im Verkauf. Da ist inzwischen einiges passiert, aber vor allem vertrieblich ist viel passiert.

Unsere Kunden sind jetzt die großen Namen aus der Automobilindustrie. Manche haben sieben Systeme laufen und reden jetzt über die nächsten 20. Manche haben eins und gewinnen gerade das Vertrauen. Daneben haben wir in der Elektronik Kunden, zum Beispiel im Elektrogeräte-Bereich.

Unsere Software wird überall dort eingesetzt, wo die einzige Alternative der Mensch ist. Zum Beispiel, um Werkzeuge an die richtigen – zum Teil verbogenen – Haken zu hängen. Ohne uns können Sie so etwas eigentlich nicht automatisieren und daraus ein Geschäft machen.

Werkzeuge an die richtige Stelle zu hängen sind auch Tätigkeiten, für die man nicht unbedingt einen Facharbeiter abstellen möchte, wenn man ja eh schon schwer Personal bekommt.

Vuine: Würde man denken, genau. Die Realität sieht aber so aus, dass in den Produktionen weiter überall Menschen sind und solche Dinge machen. Zum Beispiel in der Montage. Kabel stecken, kleine Plastikteile in kleine Löcher drücken: Das macht ein Mitarbeiter mit dem Daumen.

Die Innenräume von Autos werden immer noch durch Handarbeit gebaut. Weil die Technik fehlt, um das mit Robotern zuverlässig machen zu können. Oder gefehlt hat bisher.

Weil Ihre Software fehlt?

Vuine: Genau. Für uns geht es jetzt darum, mit den Kunden gemeinsam die Grenzen dessen, was geht, zu testen. Die Software fehlt, aber es fehlt noch etwas anderes. Menschen können mit ihren Händen Dinge fühlen, die ein Roboter nicht fühlen kann. Da gibt es auch keine Technologie, die das kann. Es gibt immer noch Sachen, da braucht man die Feinfühligkeit und die Beweglichkeit der menschlichen Hand.

Aber bei Dingen, bei denen man eigentlich nur die Bewegung der ganzen Hand braucht, können wir jetzt liefern. Solange eine Kamera dabei ist, können wir das mit fast jedem Werkzeug am Roboter lösen. Das geht inzwischen auch mit den großen Robotermarken wie Kuka und Fanuc.

Würden Sie sich selbst noch als Start-up bezeichnen, bei allem, was Sie inzwischen erreicht haben?

Vuine: Wir wollen (als Start-up gar) nicht so gerne als Start-up gesehen werden. Denn wir wollen ein verlässlicher Partner für die nächsten 20 bis 30 Jahre sein. Das zeigt auch die Art und Weise, wie wir mit unseren produzierenden Kunden interagieren. Sonst kennt man von Start-ups: Die verkaufen einen etwas und sind dann wieder weg.

Wir reden immer schon in den frühen Gesprächen über eine langfristige Zusammenarbeit. Wir sind dauerhaft da und liefern den Service, um die Komponenten am Laufen zu halten.

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Ist das Thema Kosten, also die Investition in Automatisierung, weiter ein Knackpunkt in Ihren Gesprächen? Oder sind Unternehmen inzwischen bereit, mehr zu investieren?

Vuine: Es ist immer blöd, wenn es Geld kostet. Aber unsere Kunden kennen Automatisierung. Sie wissen, dass die Kosten eigentlich nie das Thema sind. Selbst wenn etwas ein bisschen zu teuer ist, es aber gut ist und funktioniert, passt es. Es muss dann eben ein Jahr länger laufen und man hat nicht so viel verdient, wie man verdienen wollte. Aber man hat immer noch Geld verdient.

Die Kosten sind nicht das Entscheidende. Das Fehlermachen ist das Entscheidende. Wenn ich 70.000 Euro für ein Automatisierungssystem ausgebe und das läuft hinterher nicht, wäre das eine Katastrophe.

Profitieren Sie von dem KI-Hype, den es derzeit überall gibt?

Vuine: Gerade im deutschen Markt merkt man schon, dass das Interesse da ist. Vor allem für KI 'Made in Germany'. Man merkt, dass ein klassischer Maschinenbauer das Wort jetzt auch in den Mund nimmt. Das war vor zwei, drei Jahren noch nicht so.

Wir merken, als Türöffner ist der KI-Hype hilfreich. Aber im Gespräch erklären wir immer zuerst, welche Art von KI wir machen. Denn es gibt sehr viele Begriffe, auf die der KI-Stempel draufgepackt wurde. Manchmal ist das ein bisschen Aufklärungsarbeit. Denn die einfachsten Dinge sind teilweise KI. Und die werden schon sehr lange genutzt, es wurde nur nie KI genannt.

Was man auch merkt, ist, dass die Angst vor KI zurückgegangen ist.

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Sie haben schon gesagt, dass Sie im Automotive-Bereich stark vertreten sind. In welchen Märkten wollen Sie denn noch Fuß fassen?

Vuine: Jede Menge. Im Bereich Lackieren, aber auch Metall kann noch viel gehen. Die ganze Kabelwelt ist spannend. Es ist jetzt nicht so, dass der ganze Markt nächstes Jahr eroberbar ist für uns. Es sind viele Bausteine, aber es ist klar, es wird robotisiert. Das sehen wir derzeit in den USA. Wir machen übrigens inzwischen mehr Umsatz in den USA als in Deutschland.

Haben Sie dann in den USA auch einen Standort und ein Büro?

Vuine: Ja, wir haben einen großen Standort mit eigenem Engineering in San Francisco. Und dann aber auch Vertriebsmitarbeiter im Land verteilt. In den USA haben wir jetzt zunehmend auch Kunden aus Industrien, die wir bisher noch nicht bedient haben. Medizin und Pharma zum Beispiel. Da passiert in den USA mehr als in Deutschland.

Ein anderes Beispiel ist Aerospace. Flugzeuge werden gern von Hand gebaut, weil man nicht so viele produziert und der Robotereinsatz schwierig ist. Wir haben aber Aerospace-Kunden, die auch Kleinteile produzieren. Wir sind uns aber noch nicht sicher, ob da viel für die Robotik zu holen ist in der nächsten Zeit.

Und dann natürlich Elektronik. Das ist aber natürlich ein asiatisches Thema. Das beginnt oft in Kalifornien. Da hat man Gespräche mit Elektronikfertigern. Die Umsetzung passiert dann typischerweise in Asien. Deshalb schauen wir gerade, wie wir uns in Korea und Japan aufstellen können.

Gehört das dann zu Ihrem Wachstumsplan für die nächsten Jahre?

Vuine: Wenn wir bloß bei unseren Automotive-Kunden wachsen, dann wäre das schon genug. Im Automotive-Bereich dauert es immer lange, bis man das Vertrauen hat und man durch alle Prozesssachen durch ist. Aber die Branche weiß, wie man Roboter betreibt. Das ist einfach toll. Die Autobauer wissen, was sie sich zutrauen können. Und die können dann auch einen Schritt von 3 auf 20 Systeme einfach mal gehen. Im Automotive-Bereich ist also noch Wachstum bei den Kunden möglich, die wir sowieso schon haben.

Dann gibt es Opportunitäten. Zum Beispiel Japan. Da stellen wir uns die Frage, wie wir das machen könnten und warum wir den Markt liegen lassen. Das ist aber auch nicht so einfach. Denn die Erfahrung zeigt, man muss die Märkte kennenlernen. Man hat die Lösung, man muss aber verstehen, wie die unterschiedlichen Branchen ticken.

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

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