Was ist ein Cybathlon?
Der Cybathlon ist ein internationaler Wettbewerb, der von der ETH Zürich ins Leben gerufen wurde und seit 2016 alle vier Jahre stattfindet. Dabei treten Teams aus aller Welt mit innovativen Assistenztechnologien gegeneinander an, die Menschen mit Behinderungen unterstützen. Der Wettbewerb umfasst verschiedene Disziplinen, bei denen die Teilnehmer Technologien wie Exoskelette, Prothesen, elektrische Rollstühle, motorisierte Prothesen und sogar Brain-Computer-Interfaces nutzen, um alltägliche Aufgaben zu bewältigen.
Der Cybathlon hat das Ziel, die Entwicklung von Technologien voranzutreiben, die Menschen mit Behinderungen mehr Unabhängigkeit und Lebensqualität ermöglichen. Durch die praxisnahen Wettkämpfe wird die Leistungsfähigkeit der entwickelten Lösungen unter realen Bedingungen getestet und zur Schau gestellt. Der Cybathlon fördert den Austausch zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren, Nutzern und der Öffentlichkeit und trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen zu schärfen.
Wie unterstützt der Cybathlon die Entwicklung von Exoskeletten?
Seit die Idee des Cybathlon 2013 geboren wurde, ist Maxon Teil des Non-Profit-Projekts der ETH Zürich. Entwicklerteams aus der ganzen Welt arbeiten gemeinsam mit und für Menschen mit Beeinträchtigung an Assistenztechnologien. Alle vier Jahre treten sie in Wettkämpfen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an.
Der Cybathlon-Wettbewerb 2024 umfasst acht Disziplinen, darunter ein Rennen mit intelligenter Sehassistenz für blinde Menschen und eins mit Assistenzrobotern für Menschen mit stark beeinträchtigten Armen und Beinen. Die Aufgaben in den einzelnen Disziplinen sind so gestaltet, dass sie alltägliche Tätigkeiten widerspiegeln, die für Menschen mit Behinderungen eine Herausforderung darstellen können.
Der Schweizer Antriebsspezialist Maxon engagiert sich als Gold Partner des Cybathlons, unterstützt aber auch lokale Teams finanziell und durch Expertise. Eines dieser Teams kommt aus Deutschland, genauer gesagt von der Technischen Universität Berlin. Gemeinsam mit der studentischen Initiative „Sozial Engagierte Ingenieur*innen“ (SEI) startet der Fachbereich Medizintechnik mit RISE (Research and innovation in student exoskeleton development) ein innovatives und praxisnahes Modul an der TU Berlin, um Menschen mit Querschnittlähmung das Aufstehen und Gehen zu ermöglichen.
Warum ist die Antriebstechnik so wichtig für Exoskelette?
Gemeinsam mit den Pilot*innen wird das robotische Exoskelett – also ein High-End-Hilfsmittel – in transdisziplinären Teams von mehr als 40 Studierenden von Grund auf entwickelt und optimiert. Ziel ist es, in aufeinander aufbauenden Arbeitspaketen wie Konzeption, Entwicklung, Produktion und Erprobung ein konkurrenzfähiges Exoskelett aufzubauen, das am Cybathlon 2024 im Wettkampf der Para-Athleten siegreich ist. Lukas Schneidewind (Foto) , Team-Leitung und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Medizintechnik des Instituts für Maschinenkonstruktion und Systemtechnik an der TU Berlin gibt im Interview tiefere Einblicke in das Projekt und zeigt, wo die technischen und organisatorischen Herausforderungen liegen.
Wie arbeitet das Team RISE an der TU Berlin?
Herr Schneidewind, stellen Sie uns bitte das Team RISE und die Idee dahinter vor.
Das Team 'Research and Innovation in Studen Exoskeleton Development, kurz: RISE, arbeitet seit 2022 mit Begeisterung an der Entwicklung und Konstruktion eines Exoskeletts für Menschen mit Querschnittlähmung. Unser Ziel ist es, mit dieser Technologie vom 25. bis 27. Oktober 2024 am internationalen CYBATHLON an der ETH Zürich teilzunehmen.
Was sind die technischen Herausforderungen bei diesem Projekt?
Gute Frage, denn da gibt es einige: Ganz allgemein die Komplexität der Gesamtentwicklung mit der Notwendigkeit einer sicheren und robusten Gewährleistung aller Unterfunktionen. Angefangen mit der aufwändigen Anforderungsermittlung an das System. Diese müssen zunächst von Grund auf definiert werden. Die Herausforderungen decken eine Vielzahl an technischen und nutzendenzentrierten Bereichen ab: von Themen wie mobiler Energiezufuhr und Leistungselektronik über Abwärme, Leistungsvermögen, Leichtbau, Softwareinfrastruktur und Kommunikation, Reglermodellierung bis hin zu Nutzendenfreundlichkeit und Intuitivität, muss Vieles gleichzeitig angegangen werden.
Eine große Herausforderung des diesjährigen Cybathlon ist die neue Anforderung einiger Hindernisse an eine stabile Gleichgewichtsregelung der Exoskelette. Dadurch ergeben sich technisch neue Aufgaben, wie beispielsweise die Erhöhung der Freiheitsgrade, um Korrekturbewegungen ausführen zu können.
Wie kommen hier die Maxon Motoren zum Einsatz?
Die Motoren stellen den Kern des Antriebsstrangs dar und müssen bei unseren acht Freiheitsgraden entsprechend möglichst kompakt und leistungsdicht sein, damit wir eine hohe Dynamik trotz geringem Gewicht ermöglichen können.
Warum haben Sie sich für Maxon Motoren entschieden?
Maxon ist nicht nur im Cybathlon-Umfeld weit bekannt, sondern bereits in diversen High-Tech-Applikationen zu finden. Von verschiedenen Exoskeletten bis hin zu Mars Rovern sind bereits einige ruhmreiche Einsatzgebiete bekannt, was auf die Zuverlässigkeit und Qualität der Motoren rückschließen lässt.
Darüber hinaus ist Maxon auch sehr gut vernetzt, sodass die Kooperation mit unserem Getriebehersteller Ovalo auch problemlos möglich war.
Förderung durch das Young Engineers Program: Jetzt bewerben!
Mit dem Young Engineers Program, kurz YEP, hat Maxon ein Programm ins Leben gerufen, das den Nachwuchs und die Innovation fördert. Schulen und Universitäten können sich mit ihren Projekten bewerben. Wird das Projekt gefördert, erhalten die Teilnehmer nicht nur Maxon Produkte zu vergünstigten Preisen, sondern es wird ihnen auch technischer Support zur Seite gestellt. Mehr Infos gibt's hier.
Wie ist Ihr Team aktuell aufgebaut?
Wir haben eine flache Struktur mit einer sehr dünnen Leitungsebene aus wenigen Personen, die das Projekt betreuen. Im Kern organisieren wir unsere über 40 fleißigen Studis über die fünf Fachbereiche Konstruktion, Elektrotechnik, Regelungstechnik, Human Machine Interaction, und Biomechanik, in denen sich aktuell 13 Teams bilden.
Einige Teilnehmer entwickeln und optimieren ihre Exoskelette bereits seit Jahren. Sie nehmen als Newcomer teil, wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Natürlich wäre es vermessen, direkt auf den Wettbewerbssieg zu setzen. Unser Team hat seit Oktober 2022 grundlegend auf dem weißen Blatt Papier begonnen. Eine Systementwicklung innerhalb von zwei Jahren ist eine Mammutaufgabe. Wir sind auf einem guten Weg und das große Ziel ist es, das Exoskelett an den Start zu bringen. Wenn wir am Ende ein paar Hindernisse auslassen müssen, wäre das nicht dramatisch.
Auf der anderen Seite stehen aber auch fast alle Teams vor der neuen großen Herausforderung durch die Änderungen der Hindernisse und die geforderte Gleichgewichtsregelung. Eine Anpassung bestehender Systeme kann manchmal auch komplizierter werden als die komplette Neuentwicklung. Auch wenn diese Teams natürlich von ihrer bisherigen Erfahrung profitieren.
Blicken wir nach vorne: Wie geht's nach dem Cybathlon weiter?
Wir werden natürlich weiter machen und wollen unser neugegründetes studentisches Team verstetigen und eigenständiger verwalten lassen. Damit haben wir schon im letzten Semester begonnen mit einer studentisch geleiteten Projektwerkstatt, sodass wir als Fachgebiet nur noch die fachliche und räumliche Unterstützung darstellen und das Exoskelett als Forschungsplattform einsetzen können.