Nicht jede Technologie wird einfach so verdrängt und manch eine Erfindung kann sogar Jahrhunderte lang überdauern. Rohrpost wird zum Beispiel immer noch verschickt.

Nicht jede Technologie wird einfach so verdrängt und manch eine Erfindung kann sogar Jahrhunderte lang überdauern. Rohrpost wird zum Beispiel immer noch verschickt. (Bild: Lapp)

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reicht die Geschichte der Rohrpost zurück. In England baute der Ingenieur Josiah Latimer Clark die erste funktionierende Rohrpostanlage, um Telegramme innerhalb der Londoner Börse zu transportieren. Kurz darauf führte Heinrich von Stephan, späterer Generalpostdirektor des ehemaligen Deutschen Reiches, das System zur Beförderung von Nachrichten und Gegenständen auch in Deutschland ein. Die Pionieranlage wurde am 1. Dezember 1865 in Berlin in Betrieb genommen und verband über eine Strecke von etwa einem Kilometer Länge das Haupttelegraphenamt mit der Börse.

Später kamen die Rohrpostnetze insbesondere in großen Städten wie Paris, Wien und New York zum Einsatz, um kleinere Gegenstände, Briefe und Informationen auf schnellem und sicherem Weg für Telegraphenämter, Banken, Ministerien und Zeitungsredaktionen zu versenden. Über die Jahre und Jahrzehnte wurden sie immer ausgeklügelter und konnten zum Teil aus mehreren Hundert Kilometern an Rohrpostleitungen bestehen.

„Heute kennen die meisten Menschen die Rohrpost aus dem Krankenhausbetrieb, zum Beispiel für den schnellen Versand von Blutproben ins Labor oder Blutkonserven direkt in den Operationssaal“, erklärt Jürgen Wörle von Aerocom. „Das ist auch korrekt, aber sie ist darüber hinaus beispielsweise auch in Industrieanlagen, Supermärkten, Apotheken, Banken und großen Firmen im Einsatz“. Bereits seit 1956 produziert das Unternehmen aus Schwäbisch Gmünd Rohrpostanlagen und vertreibt sie an die unterschiedlichsten Kunden. An dem Grundprinzip, wie das Transportgut durch die Rohre geschickt wird, hat sich sowohl über die Jahre seit der Firmengründung als auch seit der Erfindung des Kommunikationssystems nicht viel verändert.

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(Bild: mi-connect)

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Auch Stahlwerke nutzen Rohrpost

Die Anlagen bestehen aus einem System aus Kunststoff- oder Metallröhren, in denen zylindrische Behälter, die sogenannten Büchsen, transportiert werden. Als Antrieb dient dabei Druck- oder Sogluft, die die Büchse mit einer Geschwindigkeit von ca. 6 bis 10 m/s durch die Rohre schiebt oder aber ein Vakuum, das die Behälter vom Zielpunkt aus ansaugt. Das System verfügt über verschiedene Einwurf- oder Entnahmestellen inklusive Klappen oder Schleusen, die angesteuert werden können. Über eine Steuerzentrale kann die Luftströmung reguliert und durch automatische Weichen und eine ausgeklügelte elektronische Steuerung jede Büchse an die richtige Zielstation geleitet werden.

„Wir haben unterschiedliche Kundensparten“, erzählt Jürgen Wörle. „Zum einen Kunden, die die Rohrpost nutzen, weil sie besonders schnell, sicher und zuverlässig ist und zum anderen Sonderprojekte, die unsere Anlagen quasi zu Kunstwerken machen.“ Tankstellen etwa sind ein Anwendungsbeispiel für die erste Gruppe, die Bargeld nach dem Bezahlvorgang sicher und unauffällig in den hauseigenen Tresor senden, sodass Überfälle hinfällig sind.

Auch Stahlwerke benutzen die Anlagen, um heiße Stahlproben in Alu- oder Edelstahlbüchsen schnell in Labore zu senden und so gegebenenfalls Mischverhältnisse anpassen zu können, ohne viel Produktionszeit zu verlieren. Beispiele für die zweite Gruppe sind etwa eine Installation im Münchner Patentamt oder auch ein Kreuzfahrtschiff, das seine Rutschenanlage mit einem Rohrpostsystem ergänzt hat, um Brillen, die beim Rutschen getragen werden, wieder zum Rutscheinstieg zurückzubefördern.

Warum die Rohrpost weiter überlebt

Doch wie konnte die Technologie die vielen neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die seit ihrer Erfindung hinzukamen, überleben? „Das liegt an der Art und Weise des Transports“, weiß Jürgen Wörle. „In Krankenhäusern, in denen vieles zeitkritisch ist, ist sie schlicht und einfach die schnellste Option, um etwas von A nach B zu befördern. Darüber hinaus ist sie zuverlässig, sicher, günstig und extrem langlebig.“

Daten können beim Versand mit der Rohrpost nicht einfach abgegriffen werden, wie es bei digitalen Informationen beispielsweise durch Hacking möglich sein kann. Der Mensch ist der beinahe einzige Risikofaktor für die einfache, aber intelligente Technologie hinter dem System. Die Anlagen brauchen nur wenig Wartung, für ihren Betrieb wird vergleichsweise wenig Strom benötigt und sowohl Büchsen als auch Rohrsysteme weisen erst nach längerer Zeit Anzeichen von Verschleiß auf.

„Sie reinigen sich sogar quasi selbst!“, so Wörle. Die Büchsen sind mit Büchsenringen aus einem weichen Flauschbelag versehen, ähnlich dem Material eines Klettverschlusses. Sie dienen zur Reibungsminderung im Rohrsystem und zur Abdichtung für die optimale Nutzung der Luftströmung. Parallel dazu „fegen“ sie bei jedem Versand manuell durch das Rohrsystem und halten es staubfrei. So bleiben Rohrpostanlagen nach wie vor beliebt und werden von überall aus der Welt bei Aerocom angefragt.

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Stromversorgung und Datenverarbeitung in einer Leitung

Während der Lebenszeit der Rohrpost hat sich jedoch auch etwas verändert: die Datenmengen, die für die Steuerung, der immer komplexer gewordenen Systeme anfallen. Die Anlagen benötigen neben einer zuverlässigen Energieversorgung auch eine Steuerleitung, über die alle Daten sicher und schnell übermittelt werden können. Ein Knackpunkt bei den Rohrpostanlagen: „Es wäre sehr schwierig, bei der Montage der Systeme zwei Kabel zu verlegen“, so Jürgen Wörle. „Daher brauchten wir eine Sonderleitung, die beides vereint – Strom und Daten - und uns bei der Installation Platz und sehr viel Zeit spart.“

Die Lösung fand Aerocom schließlich bei Lapp. Der Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie entwickelte für den Kunden eine Spezialanfertigung. Die kundenspezifische Lösung vereint Energieversorgung und Datenübertragung platzsparend und mit zwei verschiedenen Spannungen in einem Kabel. Eine entsprechende Isolation gewährleistet die Sicherheit der Leitung.

„Das Kabel läuft an den Rohren der Rohrpost entlang“, erklärt Jürgen Wörle. „Die 24 Volt des Kabels versorgen in der Regel alle Geräte und Weichen des Systems mit Energie, sodass die Entnahmestationen keinen zusätzlichen Netzanschluss benötigen.“ Von Lapp bezieht der Kunde zwei Ausführungen der Sonderleitung: Zumeist kann eine Leitung mit PVC-Mantel genutzt werden, in Bereichen mit hohen Sicherheitsanforderungen an den Brandschutz greift Aerocom jedoch auf eine halogenfreie Variante zurück, etwa in Krankenhäusern oder öffentlichen Gebäuden. Da Aerocom großen Wert auf die genauen Produkteigenschaften der Sonderleitungen legt, darf ein anderes Kabel von Partnern von Aerocom nicht für die Rohrpostanlagen verwendet werden.

Die Rohrpostanlagen benötigen neben einer zuverlässigen Energieversorgung auch eine Steuerleitung, über die alle Daten sicher und schnell übermittelt werden können.
Die Rohrpostanlagen benötigen neben einer zuverlässigen Energieversorgung auch eine Steuerleitung, über die alle Daten sicher und schnell übermittelt werden können. (Bild: Lapp)

Eine langjährige Partnerschaft zwischen schwäbischen Tüftlern

„Als schwäbische Tüftlerunternehmen passen Lapp und Aerocom einfach zusammen“, resümiert Jürgen Wörle über die rund 15-jährige Partnerschaft der beiden Unternehmen. „Wir vertreiben ein hochwertiges Produkt und arbeiten deswegen gerne mit hochwertigen Partnern aus der Region zusammen. Die Nähe macht eine gute Zusammenarbeit viel einfacher.“ Gemeinsam sei man auch schon durch schwierige Zeiten gegangen, reflektiert Wörle weiter. „Die Zusammenarbeit war dabei immer geprägt von einer Kommunikation auf Augenhöhe und gegenseitigem Verständnis.“

Auch in Zukunft soll die erfolgreiche Partnerschaft fortbestehen – die Sonderleitungen sollen dabei sogar noch weiterentwickelt werden. „Mit unseren Anlagen sind wir immer am Zahn der Zeit und brauchen deswegen auch Komponenten, die das mittragen“, so Jürgen Wörle über diese Überlegung. Heute sind die Anlagen alle zentral rechnergesteuert. Bei besonders großen Projekten wie etwa im Heidelberger Uniklinikum werden pro Tag 4.000 Büchsen über 35 Kilometer Rohre an rund 190 Stationen auf dem Gelände versandt. „All das generiert eine riesige Menge an Daten, welche gegen elektromagnetische Störeinflüsse geschützt werden müssen“, so Wörle. Eine Herausforderung, für die sich Lapp auch weiterhin gerne an die Seite von Aerocom stellt.

(Quelle: Lapp)

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