Embedded Vision

Eingebettete Systeme wie hier die uEye LE USB 3.1 Gen 1 Kameraserie mit USB Type-C Anschluss wecken inzwischen die Begehrlichkeiten der Industrie. - (Bild: IDS)

Mit Embedded Vision beschäftigen sich die Hersteller von Bildverarbeitungssystemen schon länger, nun wächst auch das Interesse seitens der Industrieverbände, beispielsweise des VDMA.

„Durch die aktuellen Entwicklungstrends in der digitalen Bildverarbeitung erfährt Embedded Vision gerade einen enormen evolutionären Schub. Vielen industriellen Lösungen steht dadurch eine ‚smarte Revolution‘ bevor“, meint dazu Heiko Seitz, Software-Entwickler und Technischer Redakteur bei IDS Imaging Development Systems, einem Hersteller von Industriekameras.

Von Embedded Vision profitieren

Er ergänzt: „Menschenähnlich sehende und handelnde Roboter können auf wechselnde Produktionsbedingungen reagieren und schaffen damit eine neue Flexibilität in der Industrie. Klassische hochautomatisierte Anlagen, die bisher äußerst unflexibel gegenüber Produktwechseln waren, profitieren von dieser Flexibilität.“

Gründe für den Entwicklungsschub eingebetteter Hard- und Software: die Prozessoren haben an Leistung gewonnen, verbrauchen weniger Energie, sind kostengünstiger und die Algorithmen sind besser geworden. „Heute können die Bilddaten direkt auf Prozessorebene ausgewertet werden. Das heißt, Auswertung und Optik verschmelzen miteinander“, erklärt Kai-Udo Modrich, Geschäftsführer der Carl Zeiss Automated Inspection, der selbst im Vorstand eines Industrieverbandes aktiv ist – im europäischen Verband der Bildverarbeiter (EMVA). Ein einziges Device kann seine Umgebung oder die Applikation auf Basis visueller Merkmale sowohl verstehen als auch steuern.

"Heute können die Bilddaten direkt auf Prozessorebene ausgewertet werden." - Kai-Udo Modrich, Geschäftsführer der Carl Zeiss Automated Inspection

Eingebettete Systeme sind an sich nichts Neues: Ein System, das integriert in einem anderen eine eigenständige Aufgabe mit klar definierten Schnittstellen ausführt, ist in der Bildverarbeitung die klassische Machine Vision. Der Systemintegrator Isys Vision setzt solche Lösungen seit vielen Jahren ein: „Wir haben unsere Bildverarbeitungslösung seit jeher als Bestandteil eines Positioniersystems geliefert, selten als Stand-alone-Lösung“, berichtet Projektmanager René Purwin. Die Bildverarbeitung findet direkt auf einer eigens dafür entwickelten Soft-SPS statt. Je enger die Systeme miteinander verzahnt sind, desto näher kommen sie dem Industrie 4.0-Konzept.

Roboter Kuka
Künftig könnte zum Beispiel der Schweißprozess automatisiert gesteuert und geregelt werden. - (Bild: Kuka)

Selbst steuern und regeln

Modrich erklärt anhand des Karosseriebaus exemplarisch, inwiefern die Inline-Messtechnik ein Basisbaustein für Industrie 4.0 ist: „In der Karosseriefertigung befindet sich die Inline-Messtechnik am Ende der Produktionslinie. Dort nehmen wir mit Roboter-Sensoren die geometrischen Merkmale jedes Teils auf und liefern dem Produktionsleiter einen Trend über die Güte seines Schweiß-Prozesses.“

Mit einem Embbeded-Vision-System mit kognitiven Softwaremodulen könnte künftig der Schweißprozess selbstgesteuert und geregelt werden. Die Systeme könnten mithilfe der Machine-Learning-Algorithmen automatisiert auf Basis der Verläufe und Zusammenhänge zwischen den geometrischen Messwerten und den Prozessparametern des Bearbeitungsroboters entscheiden, ob es sinnvoll ist, den Kathodenstrom des Roboters höher zu drehen oder den Abstand zum Bauteil zu verringern.

Qualitätskontrolle gewinnt an Bedeutung

„Die lernenden Softwaremodule werden in Zukunft, Erfahrungswissen, welches derzeit ausschließlich beim erfahrenen Betreiber solcher Anlagen vorhanden ist, sukzessive in den Strukturen ihrer künstlichen Intelligenz abbilden und somit zu einer fehlerfreien Produktion beitragen“, sagt Modrich. Einfach sei dies allerdings nicht, meint Purwin, „doch es wird kommen.“

In der Robotik hat Isys Vision bereits Anwendungen mit einem hohen Grad an Flexibilität realisiert – beim klassischen Griff in die Kiste. Robotik und Automotive seien Vorreiter, doch auch der Qualitätskontrolle kommt eine immer höhere Bedeutung zu: „Die Vorteile der Integration sind hier unmittelbar erlebbar“, so Purwin.

"Embedded Vision in die Produktion zu integrieren ist nicht einfach, doch es wird kommen." - René Purwin, Projektmanager, Isys Vision

Es besteht Entwicklungsbedarf

Doch fällt es den Betroffenen vielfach schwer, Gefahren und Potenziale korrekt einzuschätzen. „Es ist noch eine Menge Aufklärungsarbeit notwendig. Sowohl im Vertrieb als auch beim Kunden“, meint Seitz. Hilfreich sei, die aktuellen Entwicklungen und Trends korrekt zu vermitteln, weil nur so die Akzeptanz für die vielen neuen Möglichkeiten der eingebetteten Geräte gefördert würde.

Seitens der vorhandenen IT-Strukturen besteht außerdem Entwicklungsbedarf. „Wenn geeignete IT-Strukturen vorhanden sind und die Prozesse sicher ablaufen, wird der Produktionsleiter akzeptieren, dass künftig die Software Entscheidungen fällt“, sagt Modrich. Digitale Bildverarbeitung mit Embedded Systemen bringt der Bildverarbeitung einen enormen Schub. Peu a peu werden die Geräte im Produktionsumfeld intelligenter.

Interview mit Kai-Udo Modrich, Carl Zeiss Automated Inspection:

Kai-Udo Modrich

Für Embedded Vision gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, wo ist der Haken?
"Theoretisch gibt es heute in der Fabrik für Embedded Vision sehr viele Möglichkeiten. Allerdings kommt es bei der Steuerung einer Fabrik auf vieles mehr an: welche IT Strukturen sind vorhanden, welche Standards und welche Schnittstellen sind definiert? Es kommen Informationen aus verschiedenartigen Quellen zusammen, aus den Maschinen, den Sicherheitseinrichtungen, den visuellen Systemen. Damit wird das Ganze natürlich auch komplexer und fehleranfälliger."

Mit welchen Folgen?
"Das Interesse des Produktionsleiters ist es, die Prozesse so robust, stabil und qualitätsbasiert wie möglich zu halten. Wenn Systeme automatisiert Entscheidungen fällen, die für den  Produktionsleiter nicht mehr nachvollziehbar sind und womöglich einen Störbetrieb zur Folge haben könnten, sinkt seine Akzeptanz. Das ist sicherlich ein Hinderungsgrund für die schnelle Durchsetzung solcher Systeme."

Wie sollte man solche Embedded System Projekte angehen?
"Der Messtechniker, der Automobilist, der Forscher und das Start-up können nicht mehr jeder für sich im Elfenbeinturm entwickeln. Solche Entwicklungsprojekte müssen alle gemeinschaftlich vorantreiben."

Ihre Prognose für die Zukunft?
"In den nächsten Jahren wird sich die Entwicklung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz noch einmal deutlich beschleunigen und deren Anwendungsgebiete auf unterschiedliche Branchen und Märkte ausdehnen. Fehlende Standards in den spezifischen Anwendungsgebieten werden die Umsetzungsgeschwindigkeit jedoch noch bremsen. Sie sind ein absolutes Muss für einen sicheren Betrieb. Herrschen hier keine klaren Strukturen und Hierarchien bezüglich der erzeugten Daten und deren Verarbeitung, besteht ein hohes Risiko, plötzlich eine komplette Fabrik lahmzulegen."

Interview mit Heiko Seitz, IDS:

Heiko Seitz

Was zeichnet Embdded Systeme aus?
"Ein Embedded System muss klein sein, wenig Energie verbrauchen und zu geringen Kosten herstellbar sein, damit es massenhaft eingesetzt werden kann. Sind diese Systeme stark optimiert, besitzen sie unter Umständen weder Anschlüsse für Monitor noch Tastatur. Das verunsichert die Laien, da sie nicht wissen, wie man so ein System kontrolliert und darauf entwickeln soll."

Ist die Unsicherheit berechtigt?
"Man muss gar nicht zwingend auf diesen Boards selbst entwickeln. Durch die Möglichkeit, identische Software zu nutzen, ist eine vollständige Entwicklung auf den ‚bekannten‘ Desktopsystemen inkl. der Vision-Bildverarbeitung möglich, die dann später nur noch auf das Eingebettete System aufgespielt werden muss. Das vereinfacht die Entwicklung und die Einstiegshürde immens."

Was hat Embedded Vision mit Industrie 4.0 (I 4.0) zu tun?
"Immer größere Datenmengen können über moderne Schnittstellen immer schneller übertragen werden. Hochleistungsdatenübertragung über weite Strecken, Verkabelung, Installation – das alles kostet viel Geld. Dabei geht es letztendlich gar nicht um die Daten, sondern um das Wissen und die Information, die darin steckt. Im Zeitalter I 4.0 werden nicht nur sehr viele Daten benötigt, sondern eher Ergebnisse, die bereits von Embedded-Vision-Systemen vorinterpretiert und gefiltert wurden. Mit Embedded Vision zieht das IoT in der Industrie ein."

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