„Ein Abenteurer muss man schon sein“, sagt Rainer Miksch mit strahlenden Augen, wenn er über seine Reisen in den hohen Norden berichtet. Der Hüne mit eisernem Händedruck ist Vice President Engineering Vehilce Validation Truck & Bus bei MAN. Neben der Sommererprobung in Spanien, gehört eben auch der Wintertest in Skandinavien dazu. Jedes Jahr Ende November zieht ein 230 Mitarbeiter starker MAN-Tross von München gen Norden. Erst Ende März geht es wieder zurück. Das genaue Reiseziel will Miksch nicht verraten. Zu groß wäre die Gefahr mit einem genauen Lageplan, Erlkönigjäger anzulocken.

Die 230 MAN’ler – zu der Gruppe zählen Maschinenbauingenieure, Regeltechniker, Elektroingenieure, aber auch Werker – legen die mehr als 2.500 Kilometer von München Richtung Nord-Schweden auf eigener Achse, in den Trucks und Bussen zurück. Bis zu vier Tage sind die Tester unterwegs, sammeln erste Testdaten schon bei der Anreise. Insgesamt spulten alle 47 Testfahrzeuge letzten Winter zusammen eine halbe Millionen Erprobungs-Kilometer im hohen Norden ab.

Temperaturen von bis zu Minus 30 Grad Celsius, teils metertiefer Schnee - die Bedingungen für einen Wintertest sind in Schwedisch-Lappland optimal. Wer als MAN-Mitarbeiter hier mit von der Partie sein will muss eine hohe Eigenverantwortung mitbringen. „Schließlich ist das Fahren eines Trucks oder Busses unter diesen widrigen Bedingungen eine enorme Herausforderung“, betont Miksch.

MAN fährt in Lappland viele Tests auch auf öffentlichen Straßen. Ungefähr ein Drittel der Erprobungsfahrten spulen die MAN’ler auf dem Testgelände ab, den Rest auf öffentlichen Straßen. Die sind im Winter nie schnee- und eisfrei. Eine zehn bis 15 Zentimeter dicke Schnee- und Eisschicht bedeckt stets den Asphalt. Gesalzen werden die Straßen auch nicht. Logisch, bei solch niedrigen Temperaturen würde auch das den Schnee nicht zum Tauen bringen.  „Das bedeutet, dass man das Fahrzeug vollumfänglich beherrschen muss“, hebt Miksch hervor.  

„Sehr emotionale Phase eines Erprobungsjahrs“

Trotz der harten Bedingungen ist es für MAN kein Problem, Mitarbeiter für die Wintertests zu finden. „Es ist mit Sicherheit eine sehr emotionale Phase eines Erprobungsjahrs“, sagt Miksch und ergänzt: „Die Bereitschaft der Mitarbeiter hier mitzumachen ist sehr ausgeprägt.“

Das muss sie auch sein, schließlich sind die Tester teilweise bis zu zwei Monate vor Ort. Doch alleine die Tatsache, dass die MAN-Mitarbeiter bei der Entwicklung selbst mitwirken können, ist laut Miksch für sie Anreiz und Motivation genug, „erst recht, wenn sich die Tests am Rande des Polarkreises abspielen.“

Mittlerweile gibt es beim bayerischen Truck- und Bushersteller echte Polarkreis-Profis. Teilweise können die Tester mehr als 20 Jahre Wintertest-Erfahrung vorweisen. Rainer Miksch selbst ist immerhin schon seit insgesamt zwölf Jahren dabei. Da in den letzten Jahren immer die gleichen Tester im Einsatz waren, ist laut dem Testleiter kein spezielles Winterfahrtraining mehr erforderlich. Neue Leute werden aber vor Ort von sogenannten Mentoren angeleitet, erhalten anfangs Unterstützung bei ihren ersten Fahrtests. Miksch: „Wir können das Können, die Erfahrung und das Know-how unserer Leute so sehr gut einschätzen.“

Die Straße ist verschneit, der Schnee am Wegesrand ist mannshoch aufgetürmt, die Sonne lässt sich allenfalls nur wenige Stunden blicken. Die MAN’ler müssen trotzdem raus, auch wenn der Wind noch so kalt über das dünn besiedelte, aber dichtbewaldete, flache Land pfeift. 

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