Mittelstand oder Industrie – bringen punktuell oder regelmäßig Unternehmensberater ins Spiel. ‚Guter Rat ist teuer‘ – dieses Sprichwort kann man sowohl aus finanzieller Sicht als auch im Sinne von ‚wertvoll‘ interpretieren. Damit Unternehmen von einem Beratungsprojekt profitieren können, müssen Berater sich auf unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen einlassen.
Berater in Industrieunternehmen: Darum werden sie gerufen
Berater werden aus verschiedenen Gründen engagiert:
- Um neue Methoden wie zum Beispiel Lean Management einzuführen,
- Teams zu stärken,
- Geschäftsprozesse, IT oder Finanzen zu optimieren oder
- um mithilfe der ‚externen Brille‘ festgefahrene Strukturen aufzulösen und neuen Schwung in ein Unternehmen zu bringen.
- Manchmal geht es um existenzielle Fragen für das Unternehmen und sehr oft um Zukauf von Expertenwissen, das im Betrieb (noch) nicht vorhanden ist.
- Da bekanntlich der Prophet im eigenen Lande nichts gilt, kommt Beratern hin und wieder die Aufgabe zu, Botschaften zu übermitteln, die Führungskräfte nicht aussprechen möchten.
Laut Ralf Strehlau, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), gibt es unterschiedliche Anforderungen an Berater – je nachdem, ob diese für Industriekonzerne oder für den Mittelstand tätig sind. „Bei großen Unternehmen geht es immer wieder auch darum, dass eigene Konzepte aus externer Sicht verifiziert werden, zum Beispiel um Argumente gegenüber dem Betriebsrat zu haben. Es ist bei solchen Themenstellungen im Projekt eher eine Art Bestätigungsberatung, da schon viel internes Know-how vorhanden ist“, sagt er. „Der Mittelständler hingegen entscheidet selber, er sucht für eine Themenstellung gezielt fachliches Know-how, zum Beispiel für die Auswahl und Einführung eines neuen Produktionsplanungssystems.“
Während bei Konzernen solche Entscheidungen regelmäßig anstünden, sei dies bei Mittelständlern eher in längeren Zeitabständen der Fall, deshalb werde oft kein Know-how aufgebaut. So liege es auf der Hand, dass ein Großkonzern in so einem Fall Unternehmensberater zur Umsetzung engagiert, weil die Ressourcen fehlen. Expertise werde hier gezielt zugekauft, die Umsetzung zum Teil vorgegeben. Der Mittelständler hingegen erwarte gezielte Beratung, um das im Unternehmen fehlende Know-how zu ergänzen.
Trend geht zur spezialisierten Unternehmensberatung
„Die Tendenz geht eher dahin, dass sich Berater auch auf die Art der zu beratenden Unternehmen spezialisieren“, sagt Ralf Strehlau. „Die Sprachwelt im Konzern ist eine andere als beim Mittelstand, das beginnt schon damit, dass bei Großunternehmen viel Englisch gesprochen wird. Zudem fallen beim Mittelstand Entscheidungen schneller und es wird schneller umgesetzt.“
Letztendlich müsse die Chemie stimmen, Topf und Deckel müssten zusammenpassen. „Erfolgreiche Berater sind kundenorientiert und stellen den Mehrwert für den Kunden in den Mittelpunkt, um die passenden Empfehlungen zu geben“, betont er.
Hier suchen sich Unternehmen gezielt Beratung
Wie BMW Berater einsetzt
Dr. Martin Grüneisl, Leiter Produktionssystem, Digitalisierung bei der BMW Group in München, arbeitet in vielfältigen Bereichen mit Beratern zusammen. „Wir haben einen bunten Mix an Beratungsunterstützung, zum Beispiel Strategieberatung, operative Exzellenz oder KATA-Coaching“, sagt er. „Wir überlegen fallweise, wer am besten zu der aktuellen Aufgabenstellung passen könnte.“ Weiter betont er: „Ich erwarte von Beratern, dass sie fachlich Impulse in der richtigen Dosierung setzen. Das heißt, sie sollen unnötige Unruhe in der Organisation vermeiden, aber sie müssen Wirkung erzielen. Hier das richtige Maß zu finden, ist wahrscheinlich die größte Herausforderung. Und wir legen Wert darauf, dass ein Berater kulturell zu uns passt. Offenheit ist wichtig und es muss eine Vertrauensbasis vorhanden sein.“
Jaco: Berater müssen bereit sein, sich überflüssig zu machen
„Von einem Berater erwarte ich ein ganzheitliches, systemisches Verständnis für die Belange des Unternehmens“, sagt Dr. Richard Glahn, Werkleiter bei Jaco – Dr. Jaeniche GmbH & Co. KG in Kehl. Das bedeute, die Optimierung an einer Stelle darf sich woanders nicht nachteilig auswirken. „Außerdem sollte er Problemlösungskompetenz mitbringen.“ Darunter versteht Glahn, der selbst einige Jahre als Berater tätig war, dass keine Aussagen kommen wie „Man könnte …“, sondern ganz klar: „So funktioniert es. Damit kommen wir zum Erfolg.“ Und er erwartet von Beratern die Fähigkeit und die Bereitschaft, ihr Know-how auf die Teams im Unternehmen zu übertragen und dort Problemlösungskompetenz aufzubauen. „Berater müssen bereit sein, sich überflüssig zu machen. Wichtig ist, dass wir von den Beratern lernen und das Know-how reproduzieren können“, betont er.
Diese Anforderungen müssen Berater bewältigen
Wie die Beratungsqualität gemessen werden kann
Der BDU hat ein Beziehungsdreieck von Qualitätskriterien für Berater definiert, das die Anforderungen an den Berater, die Dienstleistung und die Klientenbeziehung beleuchtet. Demnach sollen Berater selbstverständlich Fachkompetenz mitbringen, um professionell agieren zu können. Wichtig sei auch die Haltung des Beraters, die letztendlich sein Handeln bestimmt. Ein weiterer Faktor ist die Integrität des Beraters, die auf einem stabilen Wertesystem und der Orientierung an ethischen Standards basiert.
Die Qualität der Kundenbeziehung definiert sich durch den Klienten-Nutzen, die Unabhängigkeit des Beraters und eine vertrauensvolle Partnerschaft. Kriterien für die Qualität der Beratungsdienstleistung ist eine transparente und nachvollziehbare Planung sowie die Einhaltung von Terminen. Hinzu kommt eine transparente Kostenstruktur und das Agieren im Rahmen geplanter Budgets. Und am Ende wird die Beratungsleistung am Ergebnis gemessen. Daher ist es wichtig, dass die Projektplanung eine laufende Bewertung des Projekterfolgs beinhaltet, bei der messbare Kriterien und das Gesamtziel im Auge behalten werden.
Auch die Branche der Berater hat Nachwuchssorgen
Der BDU verzeichnet in der Beratungsbranche seit knapp zehn Jahren ein kontinuierliches Wachstum im höheren einstelligen Bereich. Als wachstumshemmenden Engpass sieht Klaus Strehlau den Mangel an Beraternachwuchs. „Bei Hochschulabsolventen ist teilweise das Vorurteil in den Köpfen, dass die Beratungstätigkeit eine gute Work-Live-Balance ausschließen würde.“ Dies habe sich jedoch im Vergleich zu früher deutlich geändert und durchgearbeitete Nächte sind kein Thema mehr. Neue Berater rekrutieren sich auch aus Führungskräften aus Konzernen, die sich selbstständig machen und eine hohe Fachexpertise mitbringen. „Viele Freelancer verkaufen eher ihre Kapazität in Form von Arbeitszeit, als dass sie wirklich beratend tätig sind“, sagt er. Das sei jedoch in Ordnung, wenn es dem Klienten weiterhilft.
Sich als Berater einen Namen aufzubauen und sich als Marke zu etablieren, würde nur etwa jeder zehnte Berater schaffen. Die meisten Berater arbeiten in dem Feld Prozess- und Organisationsberatung. Weitere Tätigkeitsfelder sind Strategie-, IT- und Personalberatung. Als Zukunftstrend im Consulting-Business nennt der BDU, dass die Unternehmen aufgrund großer Herausforderungen weiter verstärkt auf die Expertise von Beratern zurückgreifen werden. Beispielsweise müssen in der Automobilindustrie passende Lösungen gefunden werden für alternative Antriebe, vermehrten Einsatz von IT und dem Trend zu Plattformen als Businessmodelle.