Prof. Schuh, Prof. Abele, Dr. Schütte und Prof. Reinhart präsentieren Positionspapier auf Bühne

Übergabe des WGP-Standpunktpapiers Industrie 4.0 auf dem BMBF-Kongress. Von links nach rechts, Prof. Schuh, WGP; Prof. Abele, Präsident WGP; Dr. Schütte, BMBF; Prof. Reinhart, WGP. - (Bild: WGP)

Im Rahmen des Kongresses "Produktionsforschung 2016", den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) durchführt, überreichte Prof. Eberhard Abele, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) Staatssekretär Dr. Georg Schütte das "WGP-Standpunktpapier Industrie 4.0".

"Wir wollen nicht das x-te Positionspapier auf den Weg bringen, sondern Ihnen als Stellvertreter der Politik ebenso wie Unternehmern und Wissenschaftlern einen auf wissenschaftlich neuestem Stand stehenden, längerfristig anwendbaren Leitfaden an die Hand geben, um Industrie 4.0 in der Produktion möglich zu machen", betonte Abele.

"Werkzeugmaschinen sind bereits seit 20 Jahren digitalisiert"

Die WGP – ein Zusammenschluss führender deutscher Maschinenbau-Professoren – erweitert damit die Diskussion zum Thema Industrie 4.0 um die Perspektive der Produktionstechnik. Bisherige Stellungnahmen zeigen vor allem die Sichtweise von Informatik, IT und Unternehmensberatungen.

So weisen die WGP-Professoren darauf hin, dass noch nicht, wie oft behauptet, alle notwendigen Technologien existieren und sie lediglich entsprechend kombiniert werden müssten. Das eigentlich Revolutionäre sei zudem nicht die Digitalisierung: "Werkzeugmaschinen sind bereits seit 20 Jahren digitalisiert", betont Prof. Günther Schuh, einer der Hauptautoren des Standpunktpapiers.

Das Schlüsselloch ist der Digitale Schatten

Das eigentlich Revolutionäre sind aus Sicht der WGP-Forscher die Möglichkeiten, die sich aus der Vernetzung technischer Systeme in Echtzeit ergeben. Die dabei anfallenden immensen Datenmengen lassen sich jedoch nur dann mit unternehmerischem Nutzen auswerten, wenn ein "hinreichend genaues" Abbild relevanter Daten geschaffen werden kann – der Digitale Schatten.

"Und genau das ist das Schlüsselloch, durch das produzierende Unternehmen hindurch müssen", gibt Schuh zu bedenken. "Doch darüber wurde bisher kaum geredet. Mit unserem Standpunktpapier erhalten produzierende Unternehmen nun eine Roadmap, wie sie durch diese Engstelle hindurch Schritt für Schritt zum Nordstern Industrie 4.0 kommen. Und diese Reise ist für kleine und mittlere Unternehmen genauso zu meistern wie für große Konzerne."

Vom produzierenden Betrieb zur Lernfabrik

Die in Teilen digitalisierten Betriebe arbeiten "quasi wie mit einem Flugschreiber, dessen Daten sie im Nachhinein, etwa nach einem Maschinenausfall, auswerten und nutzen können. Mit Industrie 4.0 aber haben sie einen Autopiloten, der detaillierte Datensätze sammelt und in Echtzeit für die Steuerung nutzt. Mit einem Autopiloten würde es womöglich erst gar nicht zu einem Ausfall kommen. Unsere Betriebe würden dann zu Lernfabriken, die ihre Produkte, Produktion und Produktionsketten ständig analysieren und optimieren", begeistert sich Schuh.

Wie mit Industrie 4.0 Ihr Aufwand reduziert werden kann

Auch können Unternehmen, die über eine einheitliche, über das Internet verbundene Datenstruktur mit einem zentralen Product-Lifecycle-Management-System verfügen, häufig vorkommende technische Konstruktionsänderungen mit vergleichsweise minimalem Aufwand durchführen. Ein Mittelständler beispielsweise, der Roller produziert, muss heute noch die neuen Abläufe in die jeweiligen Systeme seiner 20 Werkzeugmaschinen und 10 Montagestationen einzeln eingeben.

"Damit hat er einen riesigen Betreuungsaufwand und die Umstellung kostet ihn etwa ein halbes Jahr", schätzt Schuh. "Mit Industrie 4.0 wäre die Umstellung in zwei bis drei Wochen erledigt. Der Aufwand läge bei gerade einmal noch 10 Prozent."

Industrie 4.0 in „realen Labors“ testen

Industrie 4.0 Kommunikation zwischen Mensch und Maschine mit Handy
Kommunikation ist eine Voraussetzung für Industrie 4.0. - Bild Institut für industrielle Informationstechnik

Die Zeit allerdings drängt: "Die WGP treibt die Sorge um, dass die traditionell starke Produktionswirtschaft, ein Grundpfeiler des Standorts Deutschland, nicht mehr im Blickfeld von Politik und Gesellschaft ist. Gleichzeitig könnte sie von ausländischen Unternehmen etwa aus China an sich gezogen werden. Mit unserem Standpunktpapier wollen wir dieser Entwicklung etwas entgegensetzen. Denn sind die notwendigen Voraussetzungen, zu denen bekanntermaßen auch die noch fehlenden Schnittstellenstandards und die IKT-Infrastruktur zählen, erst einmal geschaffen, hat der deutsche Mittelstand die Kraft und das Know-how, die Produktion im Lande zu halten und auch die großen Herausforderungen durch Industrie 4.0 zu meistern", ist sich Abele sicher.

Hierzu allerdings ist auch die Politik gefordert. "Wir benötigen Unterstützung beispielsweise für sogenannte Living Labs: echte Fabriken zu Demonstrationszwecken, in denen die Roadmap angewendet und die Entwicklung hin zur Industrie 4.0 aufgezeichnet wird, damit wir alle lernen, wie es real funktioniert", ergänzte Schuh.

Autoren des Standpunktpapiers Industrie 4.0:

Prof. Thomas Bauernhansl (Initiator); Prof. Jörg Krüger, Berlin; Prof. Gunther Reinhart, München; Prof. Günther Schuh, Aachen.

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