Was hindert Unternehmen daran, Roboter einzusetzen? Oft ist es der Preis – viele Hersteller sind für Experimente zu teuer. Ein weiterer Hemmschuh ist die Sorge, entweder einen eigenen Roboter-Programmierer einstellen zu müssen oder aber für jede Änderung auf externe Dienstleister angewiesen zu sein. Das junge Unternehmen fruitcore robotics aus Konstanz hat sich beider Sorgen angenommen – mit sehr preiswerten Industrierobotern Made in Germany, die auch noch einfach zu programmieren sein sollen. Haben sie das Ziel erreicht?
Was die Kosten angeht, ist das leicht zu kontrollieren: Ja, die Roboter vom Bodensee sind fast schon konkurrenzlos günstig. Die Geräte namens „Horst“ (Highly Optimized Robotic Systems Technology) liegen preislich allesamt unter 20.000 Euro, der neue kompakte Horst600 im Einführungspreis Anfang 2021 sogar unter 10.000 Euro. Das ist eine Ansage. Erreicht werden diese Preise durch innovative Kinematiken wie Viergelenkketten bei den größeren Modellen, effiziente Fertigungsmethoden sowie die Verwendung von Standard-Getrieben.
Horst ist nicht nur in den Anschaffungskosten deutlich günstiger als vergleichbare Wettbewerber. Der Roboter zeichnet sich auch durch transparente und niedrige Lebensdauerkosten aus. Den Leistungsdaten tut das allerdings keinen Abbruch – die Horst-Roboter sind sehr dynamisch und mit einer Wiederholgenauigkeit von 0,05 Millimetern auch in der Präzision konkurrenzfähig.
Einfache Programmierung dank grafischer Nutzeroberfläche
Interessanter wird es bei der zweiten Anforderung: User Experience. Lässt sich ein Industrieroboter von einem zwar technik-affinen, aber in der Roboter-Programmierung unerfahrenen Menschen in Betrieb nehmen und programmieren? Schließlich finden sich in vielen Unternehmen technisch begabte und auch vorgebildete Mitarbeiter – Elektriker, Mechatroniker, Laboranten, Ingenieure oder Wissenschaftler zum Beispiel. Sind diese in der Lage, Horst in Betrieb zu nehmen und zu programmieren? Wie lange dauert die Einarbeitung?
Diesen Fragen sind wir in einem Selbst-Experiment nachgegangen. Wir haben uns einen Roboter in die Redaktion kommen lassen – und zwar dank Corona sogar unter erschwerten Bedingungen ins Home-Office. Dort haben wir ihn in Betrieb genommen, initialisiert und ein erstes einfache Programm erstellt. Im Video sehen Sie, wie das ablief.
Nicht nur auf die Hardware, auch auf die Software kommt es an
Kurz gesagt, es lief erstaunlich gut. In weniger als einer halben Stunde war der Roboter angeschlossen, initialisiert und betriebsbereit – die Verschraubung am Einsatzort nicht gerechnet. Das liegt auch daran, dass sich fruitcore robotics nicht nur als Roboterbauer sieht, sondern auch als Hersteller von Steuerungen und Software. Horst ist ein durch und durch digitalisierter Roboter. Und die Software, genannt „HorstFX“, bedient über den Touchscreen des Bedienpendants „HorstPanel“, trägt wesentlich zur angenehmen Benutzererfahrung bei. Nach einer etwa einstündigen Online-Schulung durch einen fruitcore-Experten konnten wir uns auch an die Programmierung wagen. Und siehe da, die ersten einfachen Programme waren in 15 Minuten erstellt.
Realistisch gesehen sollte man sich schon einen guten Tag lang mit der Bedienung des Roboters auseinandersetzen, und wenn komplexere Anbindungen an die SPS einer anderen Maschine oder an Laborgeräte erfolgen sollen, dann dauert auch das länger. Aber es ist für Techniker jeder Couleur in kurzer Zeit erlernbar – auch dank der grafischen Programmieroberfläche und einem cleveren Palletier-Assistenten.
Die Erfahrung zeigt außerdem, dass man erst nach ein paar Wochen im realen Betrieb in der Lage ist, das System richtig zu optimieren. Aber das gilt im Grunde für alle komplexeren Maschinen. Wer noch mehr optimieren will, der darf aber auch bei Horst in die tiefe, codezeilen-basierte Programmierung einsteigen – auch diese Option ist vorhanden.
Neuer Standort: Wachstum auch in schwierigen Zeiten
Um dem steigenden Interesse an seinen Industrierobotern gerecht zu werden, eröffnet fruitcore robotics im Pandemie-Jahr 2020 einen Produktionsstandort in Villingen-Schwenningen. Damit vergrößern die Roboterexperten ihre Produktionsfläche um 1.000 Quadratmeter. Mehrere hundert Horst-Roboter pro Jahr können hier das Licht der Welt erblicken. Dank moderner Kommunikationsmöglichkeiten ist der neue Standort gut mit dem Stammhaus in Konstanz vernetzt, wo die Entwicklungsabteilung, Teile der Produktion und die zentralen Bereiche verbleiben. Das garantiert reibungslose Prozesse.
„Die Räume im Villinger Technologiepark bieten ideale Voraussetzungen für die Serienproduktion unserer Industrieroboter“, erklärt Johannes Füßl, Produktionsleiter von fruitcore robotics. „Und falls es notwendig werden sollte, können wir uns sofort um weitere 700 Quadratmeter vergrößern.“ Denn fruitcore robotics bleibt auf Wachstumskurs: Sieben Mitarbeiter sind momentan am neuen Standort beschäftigt, binnen eines Jahres sollen es bereits 20 sein.
Kompakt und dynamisch: Der neue Horst600
Da nach aktuellen Studien weniger als fünf Prozent der Roboter in einer echten Kooperation oder Kollaboration mit Menschen eingesetzt werden, hat fruitcore sich entschieden, seine Roboter nicht als Cobot auszulegen, auch nicht den kleinsten Horst600. Der ist vor allem für Anwendungen auf geringem Raum geeignet und lässt sich für noch mehr Flexibilität beim Einsatz auch an der Wand oder Decke montieren. Mit einer Aufstellfläche von 382 x 200 Millimetern und einer Reichweite von 584 Millimetern kann Horst600 Traglasten von bis zu drei Kilogramm schnell und präzise bewegen – und das wie seine großen Brüder mit einer Wiederholgenauigkeit von ± 0,05 Millimetern.
Den Industrieroboter gibt es in zwei unterschiedlichen Ausführungen: Das Standardmodell kommt im industriellen Umfeld zum Einsatz, etwa in der Metallverarbeitung, in der Logistik oder in der Kunststoffbranche. Typische Aufgaben sind beispielsweise Pick-&-Place-Anwendungen, Palettieren oder das Be- und Entladen von Maschinen.
Die Version Horst600 lab, was für „laboratory“ steht, ist speziell für Labore, Pharma- und Chemieunternehmen konzipiert. Neben einem hierfür passenden Design ist dieser Industrieroboter auf die Schnittstellenanforderungen der Branche angepasst und kann mit einem entsprechenden Greifer ausgestattet werden. Spezielle Features und Module erlauben zudem die einfache Handhabung von Reagenzgläsern oder Proben.
Weitere Innovationen unter der Haube
Dank innovativer Fertigungstechnologie ist die bewegte Masse von Horst600 sehr gering. Der leistungsfähige Kleinroboter wiegt rund 25 Kilogramm und besitzt eine andere Kinematik als die größeren Baureihen. Ermöglicht die Viergelenkkette bei seinen großen Brüdern deutliche Steifigkeitsvorteile und erlaubt den Einsatz kleinerer Motoren und Getriebe, sind die Pluspunkte dieses kinematischen Konzepts bei kleinerer Baugröße nicht erforderlich und kommen darum nicht zur Anwendung.
Die Ingenieure von fruitcore robotics legten bei Horst600 mehr Gewicht auf eine kompakte Bauweise. Sie erlaubt optimale Beweglichkeit in einem möglichst großen Arbeitsraum. Der wie bei den großen Brüdern modular aufgebaute Roboterarm ist vergleichsweise leicht und kann schnell gewartet oder repariert werden.
Ebenfalls eingesetzt wird die von fruitcore robotics entwickelte Encodertechnik, die in Verbindung mit dem hochwertigen Antriebssystem für Genauigkeit sorgt. Mit Horst600 stattet fruitcore robotics zudem den ersten Roboter optional mit dem Play-Back-Verfahren aus. Damit kann der Bediener den Roboter auch per Hand führen, was die Programmierung noch weiter vereinfacht.
Über fruitcore robotics
Die fruitcore robotics GmbH mit Sitz in Konstanz ist spezialisiert auf die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung technisch herausragender und einfach zu bedienender Industrieroboter. Das junge Team hat ein Industrierobotersystem entwickelt, das Unternehmen aller Größen die Automatisierung erleichtert.
Zum modularen Portfolio gehören der Industrieroboter Horst in verschiedenen Traglast- und Reichweitenklassen, die intuitiv bedienbare Software horstFX sowie intelligente Features zur Kameraerkennung und Plug-and-Play-Lösungen inklusive Greifern. Die Robotersysteme sind Made in Germany, von der Hardware bis zur Software.
fruitcore robotics wurde 2017 gegründet und beschäftigt rund 75 Mitarbeiter, darunter hochspezialisierte Fachleute für Konstruktion, Elektronik sowie Softwareentwicklung. Neben dem Hauptsitz in Konstanz am Bodensee hat das Unternehmen einen weiteren Produktionsstandort in Villingen-Schwenningen.
fruitcore robotics ist ein mehrfach ausgezeichnetes Technologieunternehmen. 2019 mit dem handling award prämiert, folgten im Jahr 2020 die Auszeichnungen mit dem Best of Industry Award in der Kategorie Robotik und mit dem Sonderpreis der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg (MBG), der im Rahmen des Innovationspreises des Landes Baden-Württemberg 2020 verliehen wurde.