Wie massiv die Branche von der Elektromobilität betroffen ist, zeigte eine TED-Umfage unter den 480 Gipfel-Teilnehmern. Demnach sind immerhin bei 42 Prozent der Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen durch den Wechsel der Antriebstechnologie betroffen, bei einem guten Drittel sogar direkt. Nur 24 Prozent spüren keine Auswirkungen. Kein Wunder also, dass sich hier die Geister scheiden.
“Wir sind auf dem Weg zum schadstofffreien Verbrennungsmotor“, gab sich Prof. Michael Bargende überzeugt. Der Vorsitzender des Vorstandes beim Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) in Stuttgart glaubt, der Verbrennungsmotor werde das EU-Ziel erfüllen, nach dem ab 2030 nur noch schadstofffreie Antriebe zugelassen werden sollen. Mittlerweile gebe es neue Geräte, um Emissionen zu messen.
„Hybridisierung tut not und muss sein, damit erschließen wir die Potentiale des Verbrennungsmotors. Diese Hybride brauchen keine Ladeinfrastruktur und leiden nicht unter unzureichenden Reichweiten“, ergänzte der Wissenschaftler. Aus Sicht von Bargende ist die Antriebsthematik offen, so hätte China nach der Entdeckung großer Erdgasvorkommen ein neues Programm zur Förderung von Erdgasantrieben aufgebaut.
Über batteriegetriebene Elektrofahrzeuge hat Bargende nicht viel Gutes zu sagen. Bei Nutzung der Heizung schrumpften 380 Kilometer Reichweite schnell auf 200 Kilometer zusammen. Zudem seien die Stecker zum Laden sehr unterschiedlich und bis Ende 2016 habe es nur gut 7000 Ladepunkte gegeben.
In den letzten Monaten ist häufiger als zuvor die Rede von Hybrid-Konzepten, aber auch von einem Mix der Antriebsarten. Dabei bleibt unklar, ob es sich um eine Wunschprojektion handelt, mit der die Bedrohung der Disruption für die Autoindustrie und ihre Zulieferer, allen voran den Maschinenbau, nicht allzu schmerzlich fühlbar wird. Aber dabei muss klar sein, dass der Markt nicht wartet. Sobald chinesische, koreanische oder auch indische Hersteller Fahrzeuge so skalieren, dass der Preis attraktiv ist, werden die Verbraucher Fakten schaffen.
„Ich mache mir Sorgen über die zukünftige Aufstellung der deutschen Autoindustrie und in der Folge über die mittelfristigen Folgen des Maschinenbaus“, erklärte Stefan Roßkopf, CEO der Teamtechnik Maschinen und Anlagen GmbH aus Freiberg. „Wir erleben derzeit ein Generalversagen von Wirtschaftspolitik und Automobilindustrie“, so Roßkopf, der vor harten Konsequenzen in den nächsten zehn Jahren warnte. Denn wenn in der Autoindustrie strategische Fehler passieren, habe das schwere Folgen: Die Autoindustrie sei der größte Kunde des Maschinenbaus, beide Branchen auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden.
„600.000 Arbeitsplätze und 13 Prozent der industriellen Wertschöpfung in Deutschland hängen an der automobilen Verbrennertechnik“, konstatierte Roßkopf. Beim Elektroauto aber lägen 35 bis 40 Prozent der Wertschöpfung in der Batterie – dennoch gebe es keine einzige deutsche Fabrik für Batteriezellen, kein Unternehmen hier befasse sich mit dem Know-how-intensivsten Aspekt der Elektromobilität.
„Wir erleben derzeit ein Generalversagen von Wirtschaftspolitik und Automobilindustrie.“ - Stefan Roßkopf, CEO Teamtechnik, Freiberg
Alle deutschen Hersteller lehnen eine eigene Batteriezellenproduktion ab. „Ich halte das für einen fatalen strategischen Fehler: Ohne japanische, koreanische und künftig chinesische Batterien können wir kein Auto mehr bauen“, so Roßkopf. Zugleich sei das wertschöpfungsintensivste Element mit Blick auf die Reichweiten auch das wichtigste Differenzierungsmerkmal. Dabei wolle man sich nun von anderen Herstellern abhängig machen. In Zukunft fielen erhebliche Umfänge an Wertschöpfung im Antriebsstrang weg.
Verlustgefahr
Auch habe er von keinem Autohersteller die Zielsetzung gehört, dass ein neuer Antriebstrang im Haus produziert werden soll. Wenn die Produktion dieser Aggregate nicht in Deutschland stattfinde, verliere man „über kurz oder lang auch die Fähigkeit zur Herstellung der Produktionstechnik dafür, also den Maschinenbau“. Als anderes Problem hob der Teamtechnik-CEO die mangelhafte Ladeinfrastruktur hervor. Diese Infrastruktur könne die Autoindustrie nicht leisten. Deswegen müsse die Politik sich engagieren und sich nicht mit dem Argument aus der Affäre ziehen, dass sich in der Industrie schon die beste und kostengünstigste Technologie durchsetzen werde.
Auch der Streit darüber, wann die Entwicklung stattfindet, sei sinnlos. „Der Verbrenner wird früher oder später massiv an Bedeutung verlieren. Lassen Sie nur mal 20 bis 30 Prozent ohne adäquaten Ersatz wegbrechen – was machen Sie dann?“, fragte Roßkopf.
Nachdem sich der VDMA zu Kongressbeginn klar gegen ein Verbot der Verbrennertechnologie ausgesprochen hatte, wünschte sich Roßkopf, dass sich der Verband anders positioniert. Wesentlich sei eine Vision für den Standort Deutschland, sich die E-Mobilität als weltweit größten Megatrend zunutze zu machen.
„Anstatt zu zögern und zaudern und sich lustig zu machen, könnten wir diesen Megatrend zu einem neuen Geschäftsmodell für Deutschland machen“, kritisierte Roßkopf. Kein Land der Welt habe dafür bessere Voraussetzungen, denn man habe viel Erfahrung mit der dezentralen Erzeugung, der Speicherung und Verteilung von Strom. Diese Technologien sollten vernetzt und in den nächsten 15 Jahren zur Blüte gebracht werden. „Dann können wir diese Technologie verkaufen – inklusive der Investitionsgüter ihrer Herstellung“, so Roßkopf.
E-Mobility kommt - nur wann?
„Die Zukunft des Antriebs ist tatsächlich elektrisch, auf Basis von erneuerbaren Energien“, war sich auch Dr. Klaus Bonhoff sicher. Der Geschäftsführer der NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) erklärte: „Elektrofahrzeuge werden kommen, die Frage ist nicht, ob sondern wie schnell, und ob sie aus Europa kommen“, so Bonhoff. Neben Batterie-Konzepten brauche es insbesondere für große Fahrzeuge, die lange Strecken fahren müssen, auch Technologien wie die Brennstoffzelle.
„Wir tun uns einen großen Gefallen, darüber nachzudenken, wie man den Brennstoffzellen-Stack hochskalieren kann und nicht den gleichen Fehler zu machen wie bei der Batterieherstellung“, so Bonhoff. Das sei auch gut für die Zulieferindustrie des Verbrennungsmotors, denn die alten Komponenten fänden sich auch bei der Brennstoffzellentechnologie wider. Bis 2023 soll es mit H2 Mobility 400 Wasserstofftankstellen mit internationalen Standard und einer einheitlichen „nozzle“ geben.