Kreislaufwirtschaft

Durch digital gestützte Rückbaukonzepte wird sichergestellt, dass sich möglichst viele Stoffe sauber trennen, wiederverwenden und der Kreislaufwirtschaft zuführen lassen. (Bild: AdobeStock)

Die Praxis zeigt, dass die meisten industriellen Großanlagen ähnliche Probleme haben: Spätestens, wenn es um Rückbau oder Stilllegung geht, werden massive Informationslücken deutlich – sowohl für die Weiterverarbeitung von Materialien und die Planung oder Logistik der Projekte. Die Grundregel lautet: Je mehr vorher bekannt ist, mit desto weniger Überraschungen müssen sich die Rückbauexperten auseinandersetzen. Eine saubere Planung bedeutet zugleich, dass sich ein Rückbauprojekt mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit in Budget und in Time abschließen lässt. Digitale Daten und Transparenz sind an dieser Stelle also ein erheblicher Vorteil, mit dem sich sehr viel Geld sparen lässt. In der Vergangenheit war eine solche systematische Erfassung jedoch schlicht nicht üblich. Im besten Fall gibt es daher meist zwar einige dezentrale Daten, doch die Rückbauexperten wissen oft nicht, was auf sie zukommt.

Wenn die nötige Datenbasis nicht digital vorliegt, ergeben sich viele, häufig nur schwer vorhersehbare Probleme. Zu den größten Baustellen gehört dabei die mangelnde Transparenz. Sie macht sich im Betrieb und insbesondere im Rückbau schmerzhaft bemerkbar, wenn in der Belegschaft niemand weiß, wo die richtigen Daten, Informationen oder Teile zu finden sind. In der Regel wird hier sehr viel Zeit in das Suchen nach und das Zusammenführen von essentiellen Informationen investiert. Die Kosten, die so entstehen, sind nicht selten immens, insbesondere dort, wo es um Strahlenschutz geht. Ein Beispiel aus der Praxis: Als beim Rückbau eines Kernkraftwerks ein Gebinde vermisst wird, das Reststoffe enthalten soll, muss sich ein fünfköpfiges Team mehrere Wochen lang auf die Suche machen.

Nachträglich auf Software setzen

Doch auch beim Rückbau oder der Stilllegung bestehender Anlagen lässt sich mit Softwarelösungen heute viel bewegen, um Risiko- und Kostenfaktoren zu minimieren. Zwar ist das Nacherfassen von Daten ein erheblicher Aufwand, beispielsweise wenn nachträglich Informationen zu einer Pumpe und ihrem Umfeld erhoben werden. Viele Industrieanlagen sind schon sehr alt, oft ist es gar nicht möglich, überall nachzuschauen.  Gerade im AKW-Umfeld ist es häufig sehr schwierig nachzuvollziehen, welche Teile wie stark kontaminiert sind.

Dennoch lohnt sich die Anstrengung, denn entsprechende Lösungen ermöglichen nicht zuletzt eine revisionssichere Dokumentation der Rückbauprozesse und möglichst hohe Nachhaltigkeit. In der digitalen Beschreibung einer Anlage sollte erfasst sein, welche Materialien verbaut sind und welche Mengen davon jeweils existieren, beispielsweise an Betonschutt oder Eisen. Das ist elementar wichtig, um die nachgelagerte Weiterverarbeitung und das Recycling zu planen. Denn die Materialien gehen unterschiedliche Wege und unterliegen verschiedenen Regularien, beispielsweise für Transporte auf Deponien oder Genehmigungsverfahren bei kritischen Stoffen wie Asbest.

Konkrete Anforderungen bei Industrieprojekten

Für Neuprojekte gilt heute, schon im Vorfeld Systeme anzuschaffen, die für Transparenz sorgen. Bei bestehenden Projekten sollte zumindest der Versuch gemacht werden, das Versäumte ein Stück weit nachzuholen. Je rechtzeitiger das Datensammeln in Angriff genommen wird, desto besser sind Betreiber auf das Ende des Lebenszyklus ihrer Anlagen vorbereitet – schließlich wird oft unterschätzt, wie viel Zeit einige Dinge brauchen.

Ganz wichtiger Bestandteil einer entsprechenden Software-Lösung ist ein Modul, mit dem sich die wiederkehrende Instandhaltung digital umsetzen lässt. Aber auch das Thema Regelkonformität ist entscheidend: Die Software sollte Governance und Compliance mit gesetzlichen Vorgaben sicherstellen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Prozesse selbst immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Hier stehen Themen wie Arbeitsschutz und die Nachweispflicht gegenüber Behörden im Fokus. Auch in Gebäuden und Maschinenparks von Industriebetrieben ist die digitale Dokumentation wesentlich, beispielsweise um zu wissen, wo Kabel oder Rohre liegen. Am Beispiel der Chemieindustrie ist schnell klar, welchen Unterschied eine durchgängige, digitale Lösung macht: Wenn bestimmte Bereiche für die Wartung betreten oder bestimmte Rohre auseinandergeschnitten werden müssen, lassen sich Freischaltprozesse direkt regeln oder potenzielle Gefahren vorab konkret abschätzen.

KI unterstützt die professionelle Vorarbeit

Manche Aufgaben gestalten sich heute durch die Nutzung von KI-Technologie deutlich einfacher: So lässt sich anhand von Innenaufnahmen mit Steckdosen per Bildverarbeitung errechnen, wie viele Elektrokabel wo in der Wand liegen. Auch die Architekturpläne können digitalisiert und dann Teil der Datenbasis werden, Stichwort Building Information Modelling. Im System muss sich allerdings nicht nur die Instandhaltungsplanung und -durchführung abbilden lassen: Vor allem kommt es auf eine fundierte, systematische Dokumentation an, bei der zum Beispiel umfangreiche Daten in Form von Konstruktionszeichnungen, Bildern oder Videos flankierend mit abgespeichert werden können. Im optimalen Fall ist also ein digitales Abbild der Anlage mit Instandhaltungsplanung und allen nachgeordneten Prozessen und Dokumenten auf Knopfdruck verfügbar. Auch die schnelle Suche in großen Datenvolumen muss möglich sein.

Alte Anlagen lassen sich häufig durch Sensorik aufwerten und länger nutzen, indem Ausfälle besser antizipiert und kritische Komponenten gezielt überwacht werden können. Für die Verfolgung beispielsweise von Reststoffgebinden eignen sich RFID-Chips oder Barcodes, um die korrekte Weiterverarbeitung sicherzustellen. Dabei lassen sich deren Daten erfassen, wenn bestimmte Tore durchlaufen oder per Scanner abgefragt werden.

Den Lifecycle von Anfang bis Ende spannen

Während der Betriebslebenszeit sollte die Instandhaltungsstrategie im Fokus stehen. Werden Maschinen und Anlagen mit Sensorik bestückt und vorbeugend gewartet, dann halten sie nicht nur wesentlich länger, sondern produzieren auch weniger Ausschuss. Beide Aspekte tragen zu mehr Nachhaltigkeit bei. Dafür müssen die Assets jedoch bis ins kleinste Detail bekannt sein, von Material- und Stücklisten bis zu Historien, die Ausfälle von Teilen dokumentieren. Nur so lassen sich problematische Komponenten besser im Auge behalten. Die kontinuierliche Pflege der Wartungshistorie, eventuell sogar das Umkonstruieren von besonders anfälligen Bauteilen, sind Teil einer konsequenten digitalen Instandhaltungsstrategie.

Bei neuen Projekten gilt es heute jedoch auch, traditionelle Konzepte für Industriekomplexe zu hinterfragen. Sind große zentrale Anlagen noch zeitgemäß oder eignen sich eher kleinere, dezentrale Industrieanlagen? Ist es sinnvoller, die Produktion wieder nach Deutschland zu holen, um die immer fragileren Logistikketten zu vermeiden?

Restmengen so gering wie möglich halten

Für Bau, Betriebsführung und später den Rückbau sind zentrale Systeme notwendig, damit alle Beteiligten auf demselben Kenntnisstand sind und schnell auf wichtige Informationen zugreifen können. So weiß jeder und jede, was zum jeweiligen Zeitpunkt aktuell passiert. Durch digital gestützte Rückbaukonzepte wird zudem sichergestellt, dass sich möglichst viele Stoffe sauber trennen, wiederverwenden und der Kreislaufwirtschaft zuführen lassen. Eine entsprechende Lösung hat die einzelnen Bearbeitungskanäle, die Flussverfolgung der Abbaumassen und die damit verbundenen Aufgaben sowie eine transparente Dokumentation und Bilanzierung im Blick. Ziel ist es immer, die Restmengen, die nicht wieder der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden können, sondern als Abfälle teuer und aufwändig deponiert werden müssen, so gering wie möglich zu halten.

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