Vielen Senioren in Deutschland geht es finanziell zwar recht gut - doch steht die deutsche Rente im internationalen Vergleich nicht durchgängig gut da. In einem wichtigen Punkt hat Deutschland sogar die rote Laterne.

Selbstständige, Frauen und Geringverdiener müssen in Deutschland teils besonders große Rentenlücken fürchten, wie es in einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa heißt. Beim Rentenabstand zwischen Frauen und Männern bildet Deutschland im Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weiter das Schlusslicht.

Das zeigt die in Berlin präsentierte neue OECD-Studie "Renten auf einen Blick 2019". Ein Überblick zeigt, dass Deutschland bei der Rente nicht überall vorne liegt - es den Senioren hierzulande aber auch nicht schlecht geht.

Wie lange arbeiten die Menschen vor der Rente?

Die Beschäftigungsrate Älterer hat in Deutschland laut OECD im internationalen Vergleich in den vergangenen Jahren am stärksten zugenommen. In Deutschland stieg die Beschäftigungsrate der 55- bis 64-Jährigen seit 2000 um 34 Prozent - im OECD-Schnitt nur um 18 Prozent.

Die Leiterin der Sozialpolitik-Abteilung der OECD, Monika Queisser, sieht kritisch, dass einige OECD-Staaten Reformen hin zu längerem Arbeiten wieder zurückgenommen hätten - etwa Italien, die Niederlanden und die Slowakei. Für Deutschland fordert sie, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Seit 2012 wird das Rentenalter bereits schrittweise auf 67 Jahre angehoben.

Wie schneidet Deutschland bei den Renten nach voller Karriere ab?

Etwas schlechter als der OECD-Schnitt. Die Organisation hat errechnet, wie hoch die Rente im Vergleich zum letzten Einkommen nach Besteuerung ist, wenn man 45 Jahre gearbeitet und Durchschnittslohn bekommen hat. Ein Vollzeitarbeitnehmer kann bei Eintritt in den Arbeitsmarkt 2018 in Deutschland im Rentenalter später mit Bezügen in Höhe von 52 Prozent vom letzten Lohn rechnen - im OECD-Schnitt sind es rund 59 Prozent.

Bei Geringverdienern sind es 56 Prozent - im OECD-Schnitt 68 Prozent. Denn Umverteilung ist in der Rente in Deutschland bisher ein Fremdwort - in anderen Staaten nicht. Mit der geplanten Grundrente, der Aufwertung kleiner Renten nach 35 Beitragsjahren, dürfte sich dies aber ändern.

Ist das Einkommen im Alter in Deutschland also besonders gering?

Nein - auch weil die Rente nicht die einzige Einkommensquelle ist. So liegt das Durchschnittseinkommen der Über-65-Jährigen in Deutschland bei fast 89 Prozent des Durchschnittseinkommens der Gesamtbevölkerung - im OECD-Schnitt sind es 87 Prozent. In Frankreich, Luxemburg und Israel ist das der Älteren sogar höher - zum Beispiel in Österreich aber liegt es nur bei 72 Prozent.

Wie fällt bei Frauen und Männer der Rentenvergleich aus?

In Deutschland ist die Rente bei Frauen über 65 heute im Schnitt um 46 Prozent niedriger als bei Männern, in den Niederlanden sind es 42, in Österreich 39, in Frankreich 33 und im OECD-Schnitt 25 Prozent. Mit 2 Prozent ist diese Rentenlücke in Estland besonders klein.

"Das ist ein altes deutsches Problem", sagt Reinhold Thiede, Forschungschef der Rentenversicherung. Vor allem heutige Rentnerinnen in Westdeutschland hätten oft nur vorübergehend einen Job mit Rentenbeiträgen gehabt. Queisser nennt zudem die bei Frauen oft stärker verbreitete Teilzeitarbeit und die nach wie vor bestehenden Lohnunterschiede als Gründe.

Wie gut sind Selbstständige abgesichert?

In den meisten OECD-Ländern müssen Selbstständige eine Rentenversicherung haben - in Deutschland nicht. Dementsprechend sei die gesetzliche Rente von Selbstständigen im Vergleich zu Angestellten hier viel geringer als in vielen anderen Ländern, sagt Queisser.

Selbstständige bekommen laut OECD hierzulande bei Renteneintritt 2018 ein gesetzliches Renteneinkommen von rund 50 Prozent der Renten eines Arbeitnehmers. Im OECD-Schnitt sind es 80 Prozent. Zwar gebe es rund 90 berufsständische Versorgungswerke, die aber weniger als 30 Prozent der Selbstständigen absicherten.

Was sind die Folgen für die Selbstständigen?

Viele sind im Alter also auf andere Einkommen, Vermögen oder auch Sozialhilfe angewiesen. Laut einer älteren Studie des Forschungsinstitut DIW verfügen knapp zwei Drittel der nicht gesetzlich Abgesicherten über Immobilien-, Geld- oder Anlagevermögen von mindestens 100.000 Euro.

Sorgen bereiten den Forschern vor allem Kleinselbstständige und Menschen, die über Internetplattformen arbeiten. Im Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird derzeit an einem Gesetz gearbeitet, das eine Pflichtabsicherung vorsieht: Selbstständige sollen zwischen der gesetzlichen Rente und anderen geeigneten Formen wählen können.

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dpa