Ein Azubi und sein Ausbilder arbeiten konzentriert an einem Werkstück.

Die Kombination aus betrieblicher Ausbildung und Berufsschule sorgt für gut ausgebildete Arbeitnehmer. Doch immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine duale Ausbildung. - (Bild: AdobeStock/auremar)

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt verliert die duale Ausbildung weiter an Anziehungskraft. Ähnlich wie die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 droht auch in der Corona-Rezession eine weitere Verschärfung der Situation. Nach jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur gab es Ende Juli gut acht Prozent weniger neue Ausbildungsplätze (499.000) sowie in ähnlicher Größenordnung auch weniger Bewerber (knapp 440.000) für eine Lehrstelle. Um eine "Generation Corona" und einen anschließenden Fachkräftemangel zu verhindern, versuchen Betriebe, Gewerkschaften und Agentur mit einem Ausbildungspakt gegenzusteuern.

Der Ökonom und IAB-Direktor Bernd Fitzenberger zieht den Krisenvergleich und warnt: "Im Jahr 2009 sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr, und zwischen 2008 und 2010 ging die Anzahl der ausbildenden Betriebe um fünf Prozent zurück. Dieser Rückgang wurde danach nie wieder aufgeholt."

"In vielen Betrieben fehlte der Nachwuchs schon vor der Krise"

Das Statistische Bundesamt bemerkt am Mittwoch (12.8.20) zur Vorstellung der Ausbildungsstatistik 2019: "In vielen Betrieben fehlte der Nachwuchs schon vor der Krise." Vor allem in der Gastronomie sind die Zahlen der neuen Ausbildungsverträge seit Jahren auch ohne Corona rückläufig, immer weniger junge Menschen wollten beispielsweise Koch oder Fachfrau für Systemgastronomie werden. Diese beiden Berufe verzeichnen seit 2010 einen Rückgang bei den Anfängerzahlen um 45,3 Prozent beziehungsweise 40,8 Prozent.

Dass die Gastro-Branche gemeinsam mit dem Handel am härtesten vom Corona-Schock getroffen wird, macht die Aussichten für junge Menschen in diesen Berufen nicht besser. DGB-Chef Reiner Hoffmann sieht zusätzliche Gründe für Nachwuchsprobleme: "Junge Frauen und Männer machen offensichtlich einen großen Bogen um die Branchen, die für ihre schlechte Ausbildungsqualität bekannt sind. Hohe Abbrecherquoten, ein raues Arbeitsklima und dürftige Perspektiven nach der Ausbildung - wer sowas bietet, darf sich über zunehmende Probleme, Fachkräfte zu finden, nicht wundern", betonte der Gewerkschafter in Berlin.

"Jetzt schlägt wieder die Demografie zu"

Nach einem kleinen Zwischenhoch ist im vergangenen Jahr auch die Gesamtzahl der Ausbildungsanfänger wieder gesunken. Mit 513.300 Menschen ging die Zahl im Vergleich zu 2018 um 1,6 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Weniger waren es nur 2016 mit knapp 510.000. In den beiden Jahren danach hatten insbesondere Bewerber aus Asylherkunftsländern zusätzlich eine Ausbildung begonnen. "Jetzt schlägt wieder die Demografie zu", wies eine Sprecherin auf die allgemeine Bevölkerungsentwicklung hin.

IAB-Experte Fitzenberger rechnet allgemein mit einer sinkenden Ausbildungsbereitschaft in der anstehenden Rezession. "Für Betriebe ist Ausbildung eine Investition, die sich nur bei positiven Geschäftsaussichten rechnet." Er verweist auf Ungleichgewichte, wenn Ausbildungsplätze in großer Zahl wegfielen. Leidtragende seien Jugendliche mit geringeren Bildungsabschlüssen, während die erfolgreicheren Schüler einfach länger im Schulsystem blieben. Das führe in der Tendenz zu einer weiteren Akademisierung der Ausbildung und zu Lücken bei den Fachkräften, die nicht mit Hochschulabsolventen zu schließen seien.

Das sind Argumente für den eigens beschlossenen und seit August gültigen "Schutzschirm", mit dem der Bund Auszubildende und Betriebe stützen und einen "Ausbildungsjahrgang Corona" verhindern will. Wer weiterhin ausbildet oder sogar neue Plätze anbietet, kann Prämien von 2.000 beziehungsweise 3.000 Euro beantragen. Der Staat zahlt auch Zuschüsse zu den Ausbildungsvergütungen und Übernahmeprämien, wenn Azubis aus insolventen Betrieben übernommen werden.

Der DGB mahnt die Unternehmen, die neuen Hilfen nun auch zu nutzen. "Wer als Arbeitgeber jetzt nicht alles tut, um neue Ausbildungsplätze zu schaffen und bestehende zu halten, wird spätestens nach Corona über den Fachkräftemangel klagen", sagt Hoffmann.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) sieht keinen Grund zur Dramatisierung. Die hohe Zahl angebotener und nicht besetzter Plätze setze ein klares Signal, dass die Unternehmen ihre Verantwortung auch im Corona-Jahr wahrnähmen, betonte der Verband. Es liege im ureigenen Interesse, den notwendigen Nachwuchs an Fachkräften zu gewinnen.

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