MAN, Elektrotruck

Der Elektrotruck von MAN holt sich seine Energie aus der Steckdose, nicht aus der Zapfpistole. - (Bild: MAN)

Quizfrage: Wann und von wem wurden folgende Zeilen formuliert? „Zu der Frage, ob elektrischen oder Benzin-Motorwagen der Vorzug zu geben ist, führen wir aus, dass für Stadtbetrieb, oder in Fällen, wo es sich um Zurücklegung von insgesamt 30 bis 40 Kilometer Wegstrecken täglich handelt und elektrische Ladestellen vorhanden sind, nur ersterer, der elektrische Betrieb, vorzuziehen ist. Die Konstruktionen elektrischer Fahrzeuge sind weniger kompliziert wie bei solchen mit Benzinbetrieb und haben vor allem den Vorzug geräusch- und geruchlosen, wie stets be­reiten Betriebes.“ Nein, das twitterte nicht Tesla-Boss Elon Musk. So lautete im Jahre 1901 das offizielle Statement der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin-Ma­rien­felde. 

Doch letztlich hat es über 100 Jahre gedauert bis der Elektrotransporter seinen Durchbruch in der Stadt schaffte. Die Deutsche Post hat sich das Ziel gesetzt, die Produktion des Streetscooters – dem an der RWTH Aachen entwickelten elektrischen Lieferwagen – bis Ende des Jahres von 10 000 auf bis 20 000 Einheiten zu verdoppeln. Dazu wird der Logistikriese einen weiteren Produktionsstandort in Nordrhein-Westfalen in Betrieb nehmen.

Darüber hinaus verkauft das Unternehmen seine bislang für den Postbetrieb und Lieferverkehr optimierten E-Lieferwagen auch an Dritte. Mindestens die Hälfte der Jahresproduktion 2017 soll an externe Kunden gehen. Beeindruckende Zahlen, beeindruckende Pläne der Post. „Man muss festhalten, dass der Hype um Elektroantriebe auch den Truck-Bereich erfasst hat. Ein Signal dafür ist auch, dass Tesla-Chef Elon Musk sich hier engagiert. Denn wenn er den Ball aufgreift, ist zumindest Interesse da“, erklärt Axel Schmidt, Geschäftsführer im Bereich Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture.

Gleichwohl müsse man zunächst einmal den Truck-Markt selektieren. „Wir reden prinzipiell zunächst einmal über den Verteilerverkehr in Ballungsräumen“, so Schmidt, und ergänzt: „Denn bis einmal große Trucks Strecken von 1 000 Kilometern elektrisch zurücklegen können, dauert es noch eine ganze Weile.“ Mit der aktuellen Batterietechnik sei das nicht möglich.

Wie kontern die etablierten Hersteller MAN und Daimler?

Trotz der Beschränkung auf den innerstädtischen Verteilerverkehr  sorgten die Elektromobilitäts-Pläne der Post für einiges Aufsehen. Schnell richteten sich fragende Blicke an die etablierten Nutzfahrzeughersteller. Warum macht ihr das nicht? Zu deren Ehrenrettung muss gesagt werden: Elektrische Lieferwagen für Ballungszentren sind keine Neuheit. Schmidt kommentiert: „Daimler hat mit seinem Fuso Canter schon vor vier Jahren eine solche Technologie vorgestellt.“

Damit nicht genug. Mercedes-Benz Trucks bringt den laut eigenen Angaben weltweit ersten vollelektrischen, schweren Verteiler-Lkw noch dieses Jahr in Kleinserie auf den Markt. Die ersten Urban eTrucks mit 25 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und bis 200 Kilometer Reichweite liefert der Hersteller noch dieses Jahr an die ersten Kunden aus.

Martin Zeilinger, Leiter weltweite Vorentwicklung Daimler Trucks, sagt: „Mit der Kleinserie machen wir jetzt zügig den nächsten Schritt in Richtung Serienprodukt.“ Das größte Marktpotenzial für solche Elektro-Lkw sieht Zeilinger zunächst in Deutschland und in Europa: „Wir sind sehr optimistisch, nicht zuletzt weil der gesamtgesellschaftliche Trend und die daraus resultierenden Anforderungen – denken Sie an das Thema Einfahrbeschränkungen für Metropolen – in die Richtung von Elektroantrieben weisen und sich die Batterietechnologie rasant weiterentwickelt.“

Zunächst steht die Erprobung im Vordergrund. Deswegen macht Daimler Trucks noch keine Prognose zu Verkaufszahlen und einer konkreten Marktentwicklung. „Wir sind aber der festen Überzeugung, dass sich dieser entstehende Markt gut entwickeln wird“, so Zeilinger. Das spiegele sich in Gesprächen mit interessierten Kunden wider. Der Urban eTruck gilt im Hause Daimler als ein wichtiges Leuchtturmprojekt.

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Für die Langstrecke ist die Batterie zu schwer

Für die Langstrecke ist der e­Truck mit seiner Reichweite von 200 Kilometern allerdings nichts. Denn für einen typischen Fernverkehrseinsatz mit 40 Tonnen benötigen die Spediteure Trucks mit Reichweiten von 800 bis 1.000 Kilometern pro Tag. Hier sind Diesel-Lkw ganz klar im Vorteil.

Allein Batterie, die ein Elektrofahrzeug dieser Größenordnung benötigt, würde ein Gewicht von über 15 Tonnen bedeuten. „Das ist weder von den Kosten noch der Ladezeit her auch nur annähernd wirtschaftlich oder sinnvoll“, so Zeilinger. Und er ergänzt: „Seien Sie sicher, wir als Vorentwicklungsbereich bei Daimler Trucks schauen uns alle alternativen Antriebsarten genau an, aber immer mit Blick auf unsere Kunden.“

Ob Zeilinger damit die Brennstoffzelle meint, bleibt offen. Ein Thema in den Entwicklungsabteilungen des Daimler-Konzerns wird sie aber auf jeden Fall sein. Ebenso wie bei Nutzfahrzeug-Rivale MAN.

Dr. Götz von Esebeck, Leiter E-Mobility bei MAN, sagt: „Im Moment ist noch nicht abzusehen, welche Technologien sich in der Langstrecke durchsetzen werden. Im Rennen sind neben dem rein elektrischen Antrieb auch E-Fuels und die Brennstoffzelle.“ Gleichwohl gebe es bei Letzterer noch einige Herausforderungen, wie beispielsweise das Thema Speicherung von Wasserstoff. 

Rund 100 Entwickler sind auf das Thema E-Mobility angesetzt

Wie Konkurrent Daimler hat mit MAN auch ein anderer deutscher Hersteller für den innerstädtischen Verkehr den batterie-elektrischen Antrieb im Fokus. Wie ernst es dem Nutzfahrzeughersteller mit der Elektromobilität ist, belegen die Zahlen. Bei MAN beschäftigen sich mehr als 100 Entwickler mit dem Thema. Darüber hinaus setzt die VW-Tochter auf Synergie-Effekte innerhalb des Konzerns.

„Natürlich prüfen wir auch, ob wir Technologie aus dem Volkswagen-Konzern nutzen können“, so von Esebeck. Eigene Erfahrung mit Elektroantrieben sammelt MAN seit mehreren Jahren. Seit 2010 hat der Hersteller den MAN Lion’s Hybrid als seriellen Hybridbus in Produktion.

„Ein serieller Hybrid bildet quasi die Basis für ein reines Elektrofahrzeug“, erklärt von Esebeck. Denn beim seriellen Hybrid erfolgt der Antrieb über den E-Motor. Der Verbrennungsmotor dient nur als Generator, also als Stromerzeuger. Was die elektrische Zukunft angeht, hat MAN einen klaren Plan: Zunächst kommt das sogenannte CNL-Projekt in Österreich. Dort wird es einen Praxistest mit Elektro-Lkw geben. Darüber hinaus wird die VW-Tochter 2018 mit dem Feldversuch für Elektrobusse in mehreren Städten starten. Der Elektrobus geht 2019 in Serie.

Kostengünstige Fertigung ermöglicht Street­scooter-Erfolg

Fazit: Es kann keine Rede davon sein, dass die beiden großen Nutzfahrzeughersteller den Trend Elektromobilität verpennt haben. Alles deutet daraufhin, dass sie das Thema ernst nehmen, Maßnahmen ergreifen, passende Produkte serienreif auf den Markt bringen.

Daimler Trucks wie auch MAN profitieren davon, dass sie innerhalb ihrer Konzernstrukturen Synergien nutzen können und schlichtweg genug kritische Masse mitbringen, um auf mehr als nur einer Hochzeit zu tanzen. Für die kleineren Nutzfahrzeughersteller könnte es jedoch schwer werden, die Perfektionierung des Verbrennungsmotors voranzutreiben und gleichzeitig alternative Antriebskonzepte zu entwickeln.

Darüber hinaus bekommen es die Nutzfahrzeughersteller – ob klein oder groß – mit neuen Playern am Markt zu tun. So einer ist die Deutsche Post. Dank der Einfachheit des Elektroantriebs sind die Markt­eintrittsbarrieren gesunken. Mit dem Streetscooter nutzt die Post das geschickt. Vor allem eine kostengünstige Fertigung macht den derzeitigen Erfolg des Street­scooters erst möglich.

Manch einer wird dieses Konzept kopieren. Jetzt ist die Zeit, wo der Markt für elektrische Nutzfahrzeuge aufgeteilt wird. Wer hier nicht mithält, verliert den Anschluss.

Was elektrische Nutzfahrzeuge für die Produktion bedeuten

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Die Deutsche Post will 20.000 Streetscooter pro Jahr produzieren. Das sind relevante Stückzahlen. „Es ist schon erstaunlich, dass sich etablierte OEMs hier im Grunde von einem Nobody die Butter vom Brot nehmen lassen. Das ist zu vergleichen mit Teslas Rolle im Pkw-Geschäft“, sagt Axel Schmidt, Geschäftsführer im Bereich Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture.

Er hält den Weg vieler traditioneller Nutzfahrzeughersteller für falsch. „Wenn ich ein konventionelles Fahrzeug mit Gewalt in ein Elektrofahrzeug umbaue, habe ich am Bedarf vorbei gearbeitet“, so Schmidt. Schließlich habe ein Elektrofahrzeug ganz andere Bauraum-Verhältnisse und Auslegungen. Anders ausgedrückt: Um ein Elektrofahrzeug zu bauen, braucht man lediglich ein Chassis, einen Elektromotor, eine Batterie sowie eine Aufbaueinheit.

„Wenn man so anfängt, kommt man mit einem ganz anderen Fahrzeug raus, als wenn man versucht, einen konventionellen Lieferwagen zu elektrifizieren“, sagt Schmidt. Im Grunde hat ein E-Fahrzeug drei Kerneinheiten. Das ist zum einen der Elektromotor. „Und das ist eine Commodity und damit kein Differenzierungsmerkmal“, erklärt Schmidt. Das zweite ist die Batterie, ein hochkomplexes und teures System. „Lohnt sich eigentlich für keinen OEM, weil die Stückzahlen fehlen. Was das betrifft, ist der Zug wahrscheinlich auch schon weitestgehend abgefahren, wenn man sich hier die asiatischen Player anschaut“, kommentiert der Experte. „Dabei ist bei der Zellenfertigung Skalierung alles.“

Batteriemanagement gewinnt an Bedeutung

Zu guter Letzt kommt das Batteriemanagement. Schmidt: „Das ist recht komplex und das machen viele OEMs in Eigenregie.“ Anders formuliert: Die Komponenten eines E-Fahrzeugs kann man alle zukaufen, muss sie nur noch zusammenbauen. Da kann man nicht von Wertschöpfungstiefe sprechen, das sind nur noch einfache Montagetätigkeiten.

Was muss nun also eine Marke tun, um weiterhin markendifferenziert da zu sein? Da hat man auf der einen Seite den Markennamen und man hat ein Qualitätsversprechen im Sinne von Touch & Feel. „Im Nutzfahrzeugbereich ist dies allerdings deutlich weniger relevant, weil es eben ein B2B-Geschäft ist“, so Schmidt. Das ist der Grund, warum neue Wettbewerber hier schnell hereinkommen können.

Eine weitere Frage, die sich stellt: Ist eine Marke so stark, dass sie weiterhin im Vordergrund stehen wird oder wird es am Ende ein Device-Manufacturer sein, der lediglich Fahrzeuge einem Mobility Provider zur Verfügung stellt? „Und genau das gilt auch für den Truck-Bereich. Der Spediteur kauft in erster Linie das, was für ihn die beste Lösung im Sinne von Total-Cost-of-Ownership ist“, so Schmidt.

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