Adaptiver Arbeitsplatz bei Fraunhofer IPA

Ein adaptiver Arbeitsplatz passt sich automatisch auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters an. - (Bild: Fraunhofer IPA)

Lean Management ist im Grunde so einfach wie gut: „Ob Lean Ergonomics oder Lean Production: Man kann die Lean-Philosophie letztlich auf einen zentralen Aspekt herunterbrechen: Vermeidung von Verschwendung“, erläutert Ulrich Fröleke, Lean-Experte bei Treston, einem Spezialisten für ergonomische Arbeitsplatzlösungen. Unabhängig davon, auf welcher Ebene, in welcher Funktion, ob es sich um Material, Fläche oder menschliche Arbeitskraft handele, der Kern sei Vermeidung von Verschwendung.

Die Skepsis gegenüber Lean Management rührt laut Fröleke oft daher, dass die Mitarbeiter denken, sie sollen nur schneller und kostensparender für das Unternehmen arbeiten. „Aber darum geht es nicht“, bekräftigt der Experte für schlanke Fabriken.

Stress und Belastungen am Arbeitsplatz sollen sinken

Mit dem Lean-Ergonomics-Ansatz wolle man vielmehr Belastung und Stress bei den Mitarbeitern reduzieren, Abläufe erleichtern, Tätigkeiten sowie die Arbeitsplätze viel ergonomischer gestalten und dadurch den Produktionsprozess insgesamt verschlanken. „In vielen Fertigungsbereichen denkt man noch, wenn man den gleichen Handgriff zwanzigmal hintereinander durchführt, sei das effizient“, berichtet Fröleke.

Tatsächlich wirkten sich solche einseitigen Belastungen negativ auf die Gesundheit der Mitarbeiter aus – es drohten Fehltage und Produk­tionsausfall.

Zum anderen bedeute eine solche Produktionsweise eine unglaubliche Kapitalbindung. „Wenn zwanzig Motoren in Einzelschritten nach und nach gefertigt werden, vergeht eine viel zu lange Zeitspanne, in der das Unternehmen mit dem Produkt noch kein Geld verdient.

Fertigt das Unternehmen dagegen nach dem One-Piece-Flow, kann der erste Motor nach kürzester Zeit verkauft und die erste Rechnung gestellt werden“, erklärt der Lean-Experte. Ein wichtiger Grundsatz bei der Planung von Lean-Arbeitsplätzen ist für Fröleke ‚work smarter, not harder‘.

Arbeit wird intelligenter dank Lean-Management

Treston realisiert mit seinen Produkten die Materialorganisation und die Arbeitsorganisation für eine Fließfertigung in der Industrie nach dem Lean-Production-Prinzip. Konkret für die Materialorganisation sind es die Fifo-Durchlaufregale in allen Abmessungen, die mobilen Durchlaufregale, die mobilen Wagen­systeme und die Materialmodule an den Arbeitsstationen.

Um die Ar­beits­or­ga­nisation zu realisieren, wird das modulare Fertigungssystem Moduline eingesetzt. Hierbei handelt es sich um fünf standardisierte Module, mit denen alle I-Linien, L-Linien und U-Linien realisiert werden können. Hub- und Drehstationen sind bereits in die Module integriert. Des Weiteren können auch die elektrisch höhenverstellbaren Arbeitsstationen in die Fertigungslinien integriert werden.

Diese Bedeutung haben Lean-Arbeitsplätze in digitalisierten Fabriken

Petra Foith-Förster Fraunhofer IPA

Petra Foith-Förster, Leiterin des Applikationszentrum Industrie 4.0 am Fraunhofer IPA erklärt: „Mit Industrie 4.0 hält die Digitalisierung Einzug in die Fabriken. Deshalb gelten die Prinzipien einer schlanken Fabrik, wie von Lean propagiert, nach wie vor.

Entsprechend behalten auch Lean-Arbeitsplätze grundsätzlich ihre Bedeutung. Allerdings ändert die Digitalisierung die Art und Weise, wie diese Prinzipien umgesetzt werden: die Computerisierung hält stärker Einzug. Sichtbarkeit und Transparenz über Kennzahlen sowie Arbeitsdokumente sind nicht mehr mit Papier und Bleistift am Arbeitsplatz gepflegt, sondern werden den Mitarbeitern über Tablets oder Smart Wearables zielgerichtet zur Verfügung gestellt, wobei zielgerichtet in diesem Fall bedeutet: Informationen zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge, auf den Informationsbedarf des Einzelnen zugeschnitten.

Zudem entwickeln sich Arbeitsplätze zu reagierenden Arbeitsumgebungen, die sich auf den daran arbeitenden Menschen, zum Beispiel ergonomisch, und auf die entsprechende Arbeitsaufgabe anpassen, um ein effizienteres und menschengerechtes Arbeitssystem zu erreichen. Arbeitsplätze sind miteinander vernetzt, um auch die weiterführenden Entwicklungsstufen der Industrie 4.0 – sprich Prognose und autonome Adaptierbarkeit – zu ermöglichen.“

Auch Bott, ein Hersteller von Betriebseinrichtungen und Arbeitsplatzsystemen für die Industrie, bietet Lösungen für eine schlanke Produktion. „Grundsätzlich geht es bei der Lean Produktion um das Vermeiden von Verschwendung und darum, nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu eliminieren, beispielsweise unproduktive Wegezeiten und Suchzeiten“, berichtet ein Unternehmenssprecher.

Im Rahmen von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen trage das Avero-Arbeitsplatzsystem dazu bei, dass sich die manuelle Fertigung stets flexibel anpassen lässt. Das Baukastensystem des Avero-Arbeitsplatzsystems erleichterte die Standardisierung im Betrieb.

„Wir planen das Avero-Arbeitsplatzsystem individuell für unsere Kunden“, sagt der Firmensprecher. Hierbei ist Bott der reibungslose, logisch durchdachte Materialfluss besonders wichtig. Das heißt: Keine Zwischenlagerung von Material oder Baugruppen und eine lückenlose Materialbereitstellung.

Arbeitsplatz von Bott
Bei den Arbeitsplatzsystemen von Bott ist der reibungslose, durchdachte Materialfluss besonders wichtig. - (Bild: Bott)

Das Arbeitsplatzsystem lässt sich flexibel an den Bedarf anpassen und unterstützt so dabei, dass die Arbeitsvorgänge sauber und einfach strukturiert ablaufen. Unnötige oder doppelte Arbeitsschritte bei der Vormontage von Baugruppen lassen sich vermeiden. Das ermöglicht eine Konzentration auf die wesentlichen Tätigkeiten und somit kurze Durchlaufzeiten.

Das Material für unterschiedliche Varianten eines Produkts ist am Arbeitsplatz vorhanden, sodass eine Individualisierung der Produkte prozesssicher umzusetzen ist. Die Intralogistik ist hier ebenso wichtig wie die Abläufe in der manuellen Montage: „Mit dem Avero-Arbeitsplatzsystem sorgen wir bei unseren Kunden für einen reibungslosen Materialfluss von der Bereitstellung des Materials nach dem Fifo-Prinzip über die Montage bis hin zum Verpacken des fertigen Produkts“, sagt der Unternehmenssprecher.

Mitarbeiter bei Lean-Umrüstungen frühzeitig einbinden

Bei Continental ist es vorrangiges Ziel, dass ein Arbeitsplatz wertschöpfend ist. Das berichtet Markus Gleixner, Leiter Continental Business System (CBS) 2 am Standort Regensburg. Typische Indikatoren dafür seien bestimmte Kennziffern wie zum Beispiel Kosten, Qualität und Kundentakt. Alle Arbeitsplätze im Konzern unterliegen außerdem einer ergonomischen Begutachtung.

Soll ein Montage-Arbeitsplatz nach den Lean-Prinzipien umgerüstet werden, wird darüber frühzeitig gesprochen. „Hierbei ist es besonders wichtig, dass bereits vorab – in der Phase der Beschaffung – Mitarbeiter und Experten zusammen in Workshops und Simulationen Verschwendungen und Abweichungen identifizieren und Lösungen dafür bereitstellen“, erläutert Gleixner.

Beim sogenannten ‚Workplace Design‘ geht es bei Continental stets um die Weiterentwicklung und Verbesserung der Arbeitsplätze. Dabei werden Gesamtprozesszeiten verkürzt und der Aufwand für Aufgaben und Prozesse minimiert.

Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Verschwendung unter Berücksichtigung von Arbeitssicherheit, Ergonomie und Kundentakt zu beseitigen. Eingesetzt werden sollen laut CBS zum Beispiel einfache, flexible und anpassungsfähige Hilfsmittel zur Durchführung der operativen Prozesse.

Aus der Praxis: Lean-Management bei Continental

Markus Gleixner, Leiter Continental Business System (CBS) 2 bei Continental in Regensburg

"Wichtig ist, dass bereits vorab – in der Phase der Beschaffung – Mitarbeiter und Experten zusammen in Workshops Verschwendungen identifizieren." - Markus Gleixner, Leiter Continental Business System (CBS) 2 bei Continental in Regensburg

Warum Lean-Prinzipien auch in zunehmend digitalisierten Fertigungen Bestand haben, erläutert Petra Foith-Förster, Leiterin des Applikaionszentrums Industrie 4.0 am Fraunhofer IPA:  So seien Lean und Industrie 4.0 kein Widerspruch, sondern sollten sich sinnvoll ergänzen.

„Ein in einer Industrie 4.0-Umgebung eingebetteter, vernetzter Arbeitsplatz ermöglicht unter anderem eine stärkere Automatisierung von Prozessen“, berichtet die Maschinenbau-Ingenieurin. Zum Beispiel könnten Informationen über den Fortschritt der Arbeitsaufgabe sensoriell erfasst und weiter gegeben werden, Materialien automatisiert bestellt oder Qualitätsdaten erhoben werden.

Lean-Prinzipien gelten auch im Zeitalter von Industrie 4.0

Die entscheidende Frage ist laut Foith-Förster: Wie können Konzepte und Technologien der Digitalisierung und Industrie 4.0 eingesetzt werden, um Verschwendung zu vermeiden. Das Fraunhofer IPA begleitet Unternehmen im Thema Industrie 4.0 in Projekten industrieller Auftragsforschung und in öffentlich geförderten Projekten.

Potenzialanalysen und Konzeptentwicklung sind dabei ebenfalls Teil der Kompetenz wie Technologieentwicklung und Umsetzungsbegleitung. „Gerade für KMU gibt es eine Vielzahl an Förderlinien, die die Einführung von Industrie 4.0 unterstützten“, sagt die Fraunhofer-Forscherin.

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