Katapult, das eine Frau in Superman-Pose in die Luft schießt

Die Methoden von New Work können Mitarbeiter in neue Dimensionen 'katapultieren'. - (Bild: peshkov - stock.adobe.com)

Der Begriff ‚New Work‘ lässt sich nicht einfach so definieren - das Konzept New Work bietet vielmehr die richtigen Rahmenbedingungen und muss dann im Unternehmen vor allem ‚gelebt‘ werden. Trotzdem versuchen wir es in diesem Artikel trotzdem mit einer Definition: Ursprünglich stammt der Begriff von dem 1930 in Deutschland geborenen austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann. „Die zentralen Werte der ‚Neuen Arbeit‘ nach Bergmann sind Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft“, erklärt Birte Welsch von Tandemploy, einem Anbieter von Matching-Software für eine vernetzte Organisation.

Warum sollten Unternehmen in der Produktion auf New Work setzen?

Bei New Work und den Veränderungen durch die Digitalisierung geht es laut Welsch nicht um den Einsatz einzelner Methoden. „Oft wird versucht, ‚Neue Arbeit‘ in alte Muster zu pressen, ohne die Basis wirklich kritisch zu hinterfragen oder zu verändern“, berichtet die Customer Happiness Managerin. Diese kulturellen und strukturellen Veränderungen bräuchten aber Zeit und ließen sich nicht durch kurzfristige Techniken ersetzen. Dabei sei es wichtig, dass Unternehmen alle Mitarbeiter in Transformations- und Innovationsprozesse einbeziehen.

Das gilt für Welsch besonders für Beschäftigte in der Produktion. Denn gerade die besäßen wertvolles Wissen über Produktionsabläufe. „Dieses Wissen steht jedoch nicht zur Verfügung, solange Organisationen es nicht schaffen, die Angestellten einzubeziehen“, appelliert Welsch. Ihre Erfahrung zeigt, dass Produktionsmitarbeiter ein hohes Interesse haben, sich einzubringen – wenn man es ihnen zutraut. Und am Ende kann es schon hilfreich sein, wenn etwa Schicht- und Einsatzpläne für alle digital auf mobilen Endgeräten einsehbar sind.

Wie können New-Work-Konzepte die Industrie verändern?

Bosch nutzt die neue Arbeitsweise ebenfalls in der Produktion. „Immer wenn es um aktive Beteiligung, Wissen und Erfahrung von Mitarbeitern geht, können New-Work-Methoden auch in der Produktion eingesetzt werden“, erläutert Katharina Krentz. Die Verlagerung einer Fertigungslinie in einem Bosch-Werk wurde zum Beispiel von einem agil arbeitenden Team bewerkstelligt, in das auch Produktionsmitarbeiter eingebunden waren. Auch die Arbeit mit Kanban Boards und Visualisierung sei gelebte tägliche Praxis in der Fertigung.

Bei Bosch in Nürnberg wurde gerade ein begleitetes Working-Out-Loud-Programm durchgeführt, um die Zusammenarbeit und Kommunikation der Produktionsmitarbeiter mit den anderen Bereichen zu verbessern. „Die Ergebnisse zeigen: Es geht bei New Work immer um Menschen, und jede Methode ist erfolgreich, wenn sie zu Mensch und Thema passt und auf Vertrauen, Offenheit und Wertschätzung für den Einzelnen basiert“, berichtet Krentz.

New Work Bosch Design Thinking
In der Projektarbeit bei Bosch wird
Design Thinking angewandt. Es geht
zum Beispiel darum, Kundenwünsche
in kreativen und strukturierten
Prozessen zu verstehen. - (Bild: Bosch)

Grundsätzlich werden bei Bosch New-Work-Methoden wie Design Thinking, Scrum, Lean, Lean Start-up, Working Out Loud, Community-basierte Zusammenarbeit, agiles Arbeiten und agiles Projektmanagement genutzt. In vielen Projekten hat der agile Ansatz laut Krentz zu deutlich mehr Transparenz und Kollaboration, besserem Kundenverständnis, neuen Ideen und viel Begeisterung geführt. „Mitarbeiter bringen sich intrinsisch motiviert auch in Themen außerhalb des eigenen Bereichs ein“, berichtet Krentz.

Was sind wichtige Elemente von New Work?

Für Elatec-Personalchefin Sabine Thier ist New Work vor allem eine Haltung. „Vertrauen zu geben und damit Gestaltungsspielraum ermöglichen, eine Führung auf Augenhöhe und mit Wertschätzung, den Mitarbeiter als Mensch mit seiner Persönlichkeit und individuellen Bedürfnissen sehen, flexible und zukunftsträchtige Arbeitsstrukturen zu schaffen, Fehler als Chance zur Weiterentwicklung zu sehen und vieles mehr“, gehört für sie dazu.

So gibt es bei dem Hersteller von RFID-Lesegeräten zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit, auch wenn dies durch die Anforderungen in der Produktion ein wenig eingeschränkt sei. Außerdem werden Mitarbeiter in möglichst viele Entscheidungen einbezogen. „Wir haben eine sehr starke Unternehmenskultur, die von unseren Mitarbeitern und auch unseren Kunden und Dienstleistern sehr geschätzt wird“, erzählt Thier stolz.

Trumpf wiederum ist es laut Oliver Maassen, Leiter Personal- und Sozialwesen, ein Anliegen, das volle Potenzial von allen Angestellten zu entfalten. Das Unternehmen muss dazu das richtige Umfeld schaffen. „Verbessert sich die Mitarbeiterzufriedenheit, die wir regelmäßig messen, dann haben wir alles richtig gemacht“, erklärt der Personalchef. New Work sieht Maassen nicht auf bestimmte Abteilungen beschränkt.

Arbeit 4.0 bei Trumpf
Arbeit 4.0 wird bei Trumpf auf allen Ebenen gelebt. Im Bild zu sehen (v.l.): Daniela Schindler, Kai-Uwe Hüber, Livia Greisinger, Julian Gergen, Daniel Stannard (Ausbilder Informatik) und Torsten Klaus (Gruppenleiter technische Ausbildung). - (Bild: Trumpf)

Bereits 1998 hat man etwa unter dem Stichwort ‚Synchro‘ ein neues Konzept in der Produktion eingeführt, das organisatorisch von der Standplatz- zur Fließmontage führte, hauptsächlich aber über viele Veränderungen in der Zusammenarbeit die Produktion bei Trumpf revolutioniert hat.

„Ähnliches erleben wir derzeit bei unserer digitalen Transformation. Auch sie erfordert ein neues Miteinander, lässt neue Arbeitsformen entstehen und verändert Organisation, Kultur und Kompetenzen“, sagt Maassen.

Gilden-Programm ist universelle Management-Methode

Auch für Silvia Hernandez, Partner bei der Beratung EY, sind New-Work-Methoden universell anwendbar – somit auch in der produzierenden Industrie. Eine Methode ist ihrer Meinung nach das Gilden-Programm, das man auch bei EY implementiert hat.

Mitarbeiter aus verschiedenen Teams werden dabei für ein eigenständig definiertes Projektthema zusammengeführt. Innerhalb eines festgelegten Zeitraums sowie Budgets arbeiten die Teams an der jeweiligen Problemstellung, um erarbeitete Lösungsansätze schließlich in einem Pitch vorzustellen.

„Wo, wann und vor allem wie das erfolgt, bleibt dem Team überlassen“, erklärt Hernandez. So würden unternehmerische Fähigkeiten gefördert und der Raum für vertrauensvolles Arbeiten geschafft. In der industriellen Produktion könnten hierbei bahnbrechende Durchbrüche erreicht werden.

Laut Hernandez erhöhen New-Work-Methoden in Industriebetrieben die Transparenz und Mitarbeiterbindung während bürokratischer Aufwand sinkt. Das zahle sich auch monetär aus.

Was können Industriebetriebe konkret tun, um New Work umzusetzen?

Dr. Helena Pleinert von der Personalberatung Pleinert & Partner empfiehlt, über virtuelle Informationsstrukturen das Arbeiten von beliebigen Orten möglich zu machen. VR-Technologie könnte das in Zukunft auch in Produktionsbereichen ermöglichen. Virtuelle Begegnungsräume seien ebenfalls Teil eines solchen Konzepts.

Grundsätzlich sollte es laut Pleinert den Mitarbeitern überlassen werden, wie viel und wann sie arbeiten. In ihrem Unternehmen übertrage man daher Mitarbeitern lediglich die Verantwortung für Arbeitsergebnisse. Das ist ihrer Meinung nach auch in der Produktion sinnvoll, aber in der Praxis schwieriger umzusetzen.

Überarbeitet von Julia Dusold am 03.11.2020

Sie möchten gerne weiterlesen?