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Das Vorgehen beim Entwicklungsprozess des Design Thinking. Ist man an einem Punkt des Kreises unzufrieden, kann man einen Schritt zurückgehen. - (Bild: NNGroup.com)

Bisher ist die Vorgehensweise in der verarbeitenden Industrie in Deutschland vor allem technologiegetrieben. „Das ist traditionell die Stärke der deutschen Wirtschaft“, sagte Vladimir Preveden von der Unternehmensberatung Roland Berger gegenüber der Fachzeitung ‚Produktion‘.

Man verbesserte einfach die Eigenschaften eines Produkts wie zum Beispiel eines Motors: Der Wirkungsgrad wurde erhöht, leichteres Material verwendet und der Verbrauch gesenkt. „Das ist technologiegetriebenes Denken, der Kunde kommt dabei kaum vor“, analysierte der Unternehmensberater und mahnte Kundenorientierung an.

Jetzt gibt es neue Modelle, wo junge Unternehmen, die noch nie ein Automobil produziert haben, ankündigen, bessere Fahrzeuge als die der großen Automobilkonzerne auf den Markt zu bringen. Diese Firmen setzen auf Kundenorientierung: Sie haben den Kunden befragt und von diesem erfahren, dass er sich einen Elektroantrieb sowie selbstfahrende Automobile wünscht. Diese Entrepreneure stellen sich die Frage, wie sie diese Aufgaben lösen können.

„Das ist ein grundlegender Unterschied: Traditionell verbessern die Unternehmen etwas, was sie bereits können“, erklärt Preveden. „Der Design Thinking-Ansatz fragt danach, was der Kunde will und was das Unternehmen machen muss, um den Kundenwunsch zu erfüllen.“ Auf diese Weise wird kundenorientiert gearbeitet.

Bei der Methode des Design Thinking stellt man den Kunden in den Mittelpunkt. „Es geht darum, den Kunden besser zu verstehen“, erläuterte Preveden. Dies könne auch ein interner Kunde sein. „Kunden gibt es in der verarbeitenden Industrie an jeder Schnittstelle der Wertschöpfungskette“, sagte Preveden, „vom externen Lieferanten zum Eingangslager und von dort zur Produktion.“ Und auch innerhalb der Fertigung existieren mehrere Schnittstellen – von einer Linie zur nächsten sowie von einer Schicht zur folgenden.

Den Kunden einen besseren Service bieten

Auf Basis dieses Kundenbegriffs überlegt man sich beim Design Thinking, wie man diesem einen besseren Service sowie ein ‚Kundenerlebnis‘ bieten kann. Das kann zum Beispiel eine bessere Qualität sein oder dass ihm eine Dienstleistung zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung gestellt wird.

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Vladimir Preveden, Roland Berger: "Es geht darum, den Kunden besser zu verstehen". - (Bild: Trendforum)

Als zweites theoretisiert man beim Design Thinking nicht so viel und sucht nicht die perfekte Lösung für ein Problem, sondern man versucht, durch die Erstellung von Prototypen schnell zu verschiedenen innovativen Lösungen zu gelangen. Weniger Erfolg versprechende Ideen können dann zügig verworfen werden und man konzentriert sich auf eine Idee mit dem  größten Potenzial.

In der deutschen Industrie hat sich die Methode des Design Thinking nach Einschätzung von Fachleuten bereits weit verbreitet. So nutzen Airbus, die Lufthansa, IBM und SAP die Methode und auch in der gesamten Automobil-In­dus­trie ist sie gang und gäbe.

Die Firmen der deutschen Industrie wenden die Methode jedoch in unterschiedlich starkem Maße an: Manche setzen Design Thinking im gesamten Unternehmen ein – inklusive Produktion –, andere beschränken die Anwendung auf einzelne Fragestellungen: Die Industrie-Unternehmen überlegen sich zum Beispiel, wie sie den Kundenservice verbessern können, um die Kundenorientierung zu erhöhen.

Angewendet wird Design Thinking beispielsweise am Standort Schwalbach des internationalen Konzerns Procter & Gamble, wo die Produktentwicklung stattfindet. Dort entwerfen die Mitarbeiter des sogenannten Passion Club neue Geschäftsmodelle. Dies sind Nachwuchskräfte mit Potenzial, die sich dort treffen und rechts und links des Weges nach neuen Lösungen suchen. Diese Mitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Bereichen von Procter & Gamble.

Diskussion über Umgang mit Fehlern

In sogenannten ‚Fuck up Nights‘ wird auch darüber diskutiert, wie man mit Fehlern umgehen könne, wenn man neues Denken wagt, zum Beispiel durch Design Thinking, erläuterte Chaimae Tichtiben von P&G. Bei den Veranstaltungen werde erörtert, was man daraus lernt, wenn man Fehler zulässt. Und die Organisatoren regten auch dazu an, das Gelernte aus einem Kreativprozess aufzuschreiben und anderen Abteilungen zur Verfügung zu stellen, damit diese davon lernen. So könnten andere Bereiche Fehler bei ihrer Entwicklung vermeiden.

VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann zu den Themen Innovation, Europa und Freihandel

Bei VW ist es das Volkswagen Group Future Center Europe in Potsdam, das Design Thinking nutzt, um Kunden bei der Entwicklung der Mobilität der Zukunft einzubinden. Das Center soll zusammen mit zwei Schwestereinrichtungen in den USA und China dafür sorgen, dass die Fahrzeuge des Konzerns auch im Bereich Kundenorientierung an der Spitze sind.

Damit bei den neuen Produkten das Erlebnis des Menschen im Vordergrund steht, setzt der deutsche Automobilhersteller auf eine Zusammenarbeit von Fachleuten aus dem Fahrzeug-Design und dem User Eperience (UX) Design. Dieses interdisziplinäre Team aus Designern und Digitalisierungsexperten soll bei der Entwicklung neue Wege beschreiten, die zu mehr Kundenorientierung führen: Es fragt nun, wie das Leben der Kunden aussieht, welche Mobilitätsbedürfnisse die Kunden haben und wie das Team deren Wünsche optimal erfüllen kann.

Co-Working-Spaces sollen die agile Zusammenarbeit fördern

Dafür steht dem Team eine inspirierende Arbeitsumgebung zur Verfügung: Zwischen den Schreibtischen der Fachleute befinden sich sogenannte Sitzkisten, bei denen Autositze und Cockpit angedeutet sind. Innovationen können die Mitarbeiter über daran installierte Sensoren und Screens direkt testen. Gefördert werden soll die agile Zusammenarbeit auch durch offene Büros, Co-Working-Spaces und ein transparentes Design.

Dieses Volkswagen Group Future Center Europe soll Vorreiter für das ganze Unternehmen sein und eine Start-up-Atmosphäre verbreiten.

Im Vergleich zu der agilen Methode Scrum ist Design Thinking nach Meinung des Beraters Preveden eher ein „grundsätzlich holistischer Ansatz“. Dort arbeite man mehr in interaktiven Teams, die quer über die Funktionen und die Hierarchien gehen, und höre dem Kunden zu. Das sei ein wesentliches Element von Design Thinking.

Bei Scrum stehe der Kunde nicht im Vordergrund, sagte Preveden. Bei der Methode gehe es eher ums Machen. Scrum, das aus der Software-Entwicklung kommt, setze eher darauf, dass man in kleinen Schritten iterativ vorgeht und die Ergebnisse kontinuierlich überprüft. anstatt den großen Wurf zu wagen und zu testen, ob dieser funktioniert.

„Mit Design Thinking fokussiert man sich darauf, das Richtige zu tun“, ergänzte Andreas Hauser, SAP Design-Global Head of App Haus Organization, „Scrum optimiert den Entwicklungsprozess.“ Beide Methoden ergänzten sich, aber konzentrierten sich auf unterschiedliche Phasen im Entwicklungsprozess. „Die Methode des Design Thinking ist als Werkzeug zu verstehen, das – wenn man es richtig anwendet – auf jeden Nagel passt“, meinte der SAP-Fachmann. „Sie eignet sich für viele Bereiche in der Industrie, wenn es darum geht, Silos zu durchbrechen und neue innovative Lösungen zu entwickeln.“

SAP wendet Design Thinking in den meisten Bereichen an

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Im App Haus arbeiten Mitarbeiter von SAP zusammen mit Kunden nach der Design-Thinking-Methode. - (Bild: SAP)

Der Walldorfer Software-Konzern SAP ist einer der Vorreiter bei der Nutzung der Entwicklungsmethode Design Thinking in Deutschland. Der DAX-Konzern wendet diese agile Methode in fast allen Bereichen an. Dies erstreckt sich von der Entwicklung der Produkte bis zur Beratung und zum Verkauf.

Und auch bei der Arbeit mit ihren Kunden setzen die Walldorfer Design Thinking ein. „Wir haben mehr als 700 Kundenprojekte im Design Thinking durchgeführt und mehr als 60 Kunden, die über die Erfolge sprechen“, sagte Andreas Hauser, SAP Design – Global Head of App Haus Organization, gegenüber der Fachzeitung ‚Produktion‘. Dafür hat das Unternehmen kreative Umgebungen geschaffen, in denen SAP auf eine neue Art und Weise arbeite: App Haus Lokationen.

Laut Hauser habe sich durch die Anwendung von Design Thinking die Wahrnehmung von SAP am Markt verändert: SAP wurde in den Design Value Index des DMI aufgenommen, zudem gewann die Software-Schmiede mehr als 30 Design Awards.

Eingeführt wurde Design Thinking bei SAP durch Hasso Plattner. „Hasso Plattner erinnerte die Methode an die Art und Weise, wie sie gearbeitet hatten, als sie die Firma gegründet haben: vor Ort beim Kunden, mit dem Endbenutzer und iterativ“, sagte der Leiter der App Haus Organization. Das Unternehmen ermöglichte es den Mitarbeitern, die eine Passion für das Thema haben, als Multiplikatoren zu agieren und die Vorgehensweise global auszuweiten. Design Thinking Coaches wurden ausgebildet und Projekte mit der Methode zum Erfolg gebracht.

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