Bald wohl öfter zu sehen: Autos an einer Ladestation für Elektrofahrzeuge.

Bald wohl öfter zu sehen: Autos an einer Ladestation für Elektrofahrzeuge. - (Bild: Audi)

Die deutsche Automobilindustrie hat schon bessere Zeiten erlebt. Jahre, in denen sie wusste, wo die Fahrt hingeht. Doch die Orientierung ist ihr abhanden gekommen. Weil im Dieselskandal die moralische Richtschnur riss und die EU daraufhin den strengen WLTP-Abgastest einführte, Motoren von Volkswagen, Daimler & Co. diesen aber nicht bestanden, mussten die Autobauer ihre Produktion im August 2018 um 32 Prozent zurückfahren, so Zahlen der Deutschen Bank.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wollte helfen, scheiterte jedoch. Obwohl er auf den Dieselgipfeln als Vertriebsmitarbeiter der Konzerne auftrat und deren „Umtauschrabatte“ anpries, als würde er die Autos selbst verkaufen, hat sich der Absatz von Selbstzündern bislang nicht erholt.

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Was der Maschinenbau denkt

Den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Hartmut Rauen, wundert das nicht. „Die Politik versagt. Es gelingt ihr in der Diskussion über CO2- und Stickstoffoxidgrenzwerte nicht, Orientierung zu stiften“, moniert Rauen. Kunden bräuchten beim Kauf eines neuen Fahrzeugs aber Verlässlichkeit, um sich entscheiden zu können.

Planungssicherheit bräuchte auch die Autoindustrie. Denn Dieselskandal und Grenzwertdiskussion sind nur ein Teil ihres Problems. Auch die künftige Entwicklung auf ihren wichtigsten Auslandsmärkten kann die Branche derzeit nicht absehen. Wie der Austritt Großbritanniens aus der EU endet, ist genauso unklar, wie die Lage im Handelsstreit mit den USA.

Präsident Donald Trump könnte jeden Tag Strafzölle auf Autos aus der EU einführen. Auch der Absatz in China schwächelt. Auf dem größten Automobilmarkt der Welt verkauften deutsche Autobauer 2018 zwölf Prozent weniger Fahrzeuge als im Vorjahr.

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Automobilindustrie verkauft weniger

Insgesamt setzten die 16 größten Automobilkonzerne 2018 vier Prozent weniger Fahrzeuge ab als im Vorjahr, belegt eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young. Die deutsche Autobranche verkaufte zwar nur 2,7 Prozent weniger Fahrzeuge. Doch brach ihr Gewinn im Schnitt um 7,6 Prozent ein.

Im laufenden Jahr wird sich daran wenig ändern. Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers rechnet für Deutschland mit einem Absatzrückgang um ein Prozent. Nach dem Verkaufsboom der vergangenen Jahre sind aus der EU und den USA keine Impulse zu erwarten, die den Absatz beleben könnten.

VW hat daher angekündigt, 7.000 Stellen zu streichen. Beim Zulieferer Schaeffler sollen 950, bei Bosch 600 Jobs wegfallen. Ford könnte sich ganz aus Europa zurückziehen.

Automobilindustrie muss sich der Zukunft stellen

„Sondereffekte wie der Dieselskandal, WLTP oder die schwache Weltkonjunktur erklären dies jedoch nur zum Teil“, warnt Dr. Andreas Cornet, Leiter des Automobil- und Advanced Industry Sectors bei McKinsey. „Zu den aktuellen Schwierigkeiten kommen der technologische Wandel und die ökologischen Notwendigkeiten, denen sich die Automobilindustrie seit Jahren stellen muss.“

Zuletzt beschlossen die 28 EU-Staaten im Oktober, dass der Co2-Ausstoß der Modellflotten der Autokonzerne bis 2030 um 35 Prozent sinken muss. Diesel dürfen schon 2021 im Schnitt nur noch 3,6 Liter verbrauchen, 2030 nur noch 2,6 Liter.

Diese Vorgaben können die Autobauer nur erfüllen, wenn sie mehr Elektroautos anbieten. Die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet, dass 2025 jedes dritte in Europa neu zugelassene Fahrzeug elektrisch angetrieben wird. Zugleich steigt bis 2030 aber auch die Produktion sparsamer Verbrennungs- und Hybridmotoren um zwölf Prozent auf 100 Millionen Stück, erwartet der VDMA.

Mercedes EQV
Daimler präsentierte auf dem Genfer Autosalon das elektrische Concept Car EQV. - (Bild: Daimler)

Bye bye Diesel-Pkw, hallo Elektroauto

Neben dem allmählichen Abschied von Verbrennungsmotor und Selbstzünder setzt die Entwicklung des autonomen Fahrens die Automobilindustrie und ihre Zulieferer unter Druck. Die Analysten von Roland Berger erwarten, dass dank künstlicher Intelligenz und hochleistungsfähiger Sensorik in 15 Jahren bis zu einem Viertel der Fahrzeuge keinen menschlichen Fahrer mehr braucht.

Im US-amerikanischen Phoenix betreibt Waymo mit der Technologie die ersten kommerziellen Robotertaxis. In Deutschland wollen Daimler und BMW autonome Fahrzeugtechnologien künftig gemeinsam entwickeln.

Auch Tier-1-Zulieferer wie Bosch, Schaeffler oder Continental stecken Milliarden Euro in automobile Zukunftstechnologien. Allein ZF investiert 12 Milliarden Euro in Elektromobilität, automatisiertes Fahren sowie Robotertaxis. Drei Milliarden Euro investiert das Unternehmen, in seine Getriebefertigung. In Kooperation mit Nvidia hat ZF zudem einen Zentralrechner mit 600 TeraOps Rechenleistung entwickelt, der autonome Fahrzeuge mit Künstlicher Intelligenz steuert - dazu die entsprechende Sensorik, Radar- und Kameratechnologie.

Ranking: Die 10 wertvollsten Autobauer der Welt 2018

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E-Mobility bei Nutzfahrzeugen

Die ehemalige Zahnradfabrik baut auch Elektromotoren für Pkw in Serie. In London ist der erste Doppeldeckerbus mit einem E-Motor von ZF unterwegs. Das Unternehmen zielt damit auf Kunden wie Uber oder dessen chinesische Konkurrenz Didi Chuxing, die Mobilität als Dienstleistung anbieten.

Der französische Partner von ZF, Transdev, betreibt für Städte Elektrobusse sowie Robotaxis und autonome Shuttles auf Flughäfen, Messe- oder Werksgeländen. Diese Unternehmen wollen selbst keine Fahrzeuge entwickeln und bauen.

„Auch ZF wird kein Fahrzeughersteller, aber wir wollen die Hersteller und die neuen Mobilitätsanbieter als Systemlieferant immer besser unterstützen“, erklärt Torsten Gollewski, Head of Autonomous Mobility Systems bei ZF.

Wie der Maschinenbau die Elektromobilität meistert

ZF erschließt sich so neue Kundengruppen und entwickelt sich vom Lieferanten mechanischer Komponenten zum Hightech-Unternehmen. So weit müssen Maschinenbauer nicht gehen, die Automobilbauer und ihre Zulieferer ausrüsten.

Doch wird der Technologiewandel in der Automobilindustrie auch für sie zur großen Chance - oder zur Existenzfrage. „Viele Fahrzeugteile könnten irgendwann mit neuen Werkstoffen oder 3D-Druck hergestellt werden, weil die aktive Sicherheit in selbstfahrenden PKW dank Künstlicher Intelligenz steigt“, erklärt McKinsey-Experte Cornet.

Die Bedeutung von Presswerken und Anlagen für die Blechverarbeitung werde dann entsprechend abnehmen.

„Für manche Maschinenbauer könnte der Markt durch den Technologiewandel in der Automobilindustrie somit kleiner werden“, warnt auch Dr. Manfred Dangelmaier, Institutsdirektor für Engineering Systeme am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Einige Maschinenbauer könnten deshalb gezwungen sein aufzugeben.

Ein Elektrofahrzeug hat weniger komplexe Bauteile

Das gilt auch für Hersteller von Anlagen, zur Fertigung von Benzin- und Dieselmotoren. „Hängt der Umsatz eines Maschinenbauers davon ab, wie viele Verbrennungsmotoren die Automobilindustrie baut, bedroht ihn die Entwicklung der Elektromobilität“, befürchtet Dangelmaier. „Die Nachfrage nach Anlagen zum Fräsen und Zerspanen von Motorblöcken und Getrieben wird irgendwann nachlassen“, erwartet auch Cornet von McKinsey.

Die Fertigung des Antriebsstrangs trägt bei einem Elektroauto daher zwei Drittel weniger zur Wertschöpfung bei als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, hat der VDMA berechnet. Der Bedarf an Batteriesystemen, Sensoren und elektrischen Antrieben steigt dagegen künftig um bis zu 1.000 Prozent, erwartet die Unternehmensberatung Deloitte.

Maschinenbauer können von dieser Entwicklung jedoch auch profitieren – und das gleich doppelt. „Da Technologien für die Elektromobilität und das autonome Fahren auch in mobilen Arbeits-, Land- und Baumaschinen sowie Flurförderfahrzeugen Einzug halten, lassen sich zusammen mit den hohen Absatzzahlen in der Automobilindustrie Skalenerträge erzielen“, erklärt Rauen vom VDMA. „Dadurch amortisieren sich Entwicklungskosten schneller. Maschinenbauer können leichter, leistungsfähige Lösungen zu guten Preisen anbieten.“    

Auch Luxus-Modelle wie der neue BMW 7er fahren zumindest teil-elektrifiziert.
Auch Luxus-Modelle wie der neue BMW 7er fahren zumindest teil-elektrifiziert. - (Bild: BMW)

Aumann AG profitiert schon jetzt von der Elektromobilität

Was für eine gewaltige Chance die Elektrifizierung von Autos Maschinenbauern bietet erfährt derzeit die Aumann AG aus Beelen in Westfalen. Die 980 Mitarbeiter des Unternehmens stellen neben Anlagen zur Fertigung von Komponenten von Verbrennungsmotoren auch Spezialmaschinen her, mit denen sich Kupferdrähte in Elektromotoren wickeln und Batteriesysteme produzieren lassen. Ihre Maschinen liefern sie nicht nur an Autobauer.

Auch Kunden aus Luft- und Raumfahrt sowie der Bahnindustrie kaufen bei Aumann ein – und das nicht zu knapp. Von Januar bis September steigerte der Mittelständler seinen Umsatz mit Anlagen für die Elektromobilität um 94,4 Prozent auf 78 Millionen Euro. Im Oktober kamen nochmals Bestellungen über 20 Millionen Euro von Kunden in Asien hinzu.

„Für uns in der Maschinenbauindustrie kann der Antrieb im Wandel auch ein Wachstumsgeschäft sein“, weiß auch VDMA-Präsident Carl-Martin Welcker. „Immerhin zwingt der Technologiewandel die Automobilindustrie, in neue Maschinen und Anlagen zu investieren“, ergänzt Rauen. Allerdings muss die Politik den Automobilkonzernen dazu endlich die Richtung weisen.

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