Magnet zieht neue Mitarbeiter an

Eine gesunde Mischung aus attraktiver Arbeitgebermarke, Investition in interne Weiterbildung und Entwicklung eigenen Nachwuchses ist die beste Methode, dem Fachkräftemangel zu begegnen und neue Arbeitskräfte anzuziehen. - (Bild: Adobe Stock)

Fachkräftemangel ist Top-Thema bei Arbeitgebern im Maschinenbau

„Je kleiner das Unternehmen und je ländlicher dessen Lage, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für einen Fachkräftemangel“, konstatiert Jörg Friedrich vom VDMA. Der Geschäftsführer des Landesverbands Mitte und Abteilungsleiter Bildung weiß, dass der Fachkräftemangel aktuell ein Top-Thema der Maschinenbau-Branche ist.

Das bestätigt Felix Stecher, HR Business Partner bei der Zumtobel Lighting GmbH: Beispielsweise bei der Montage von Leuchten sei das Fachwissen von ausgebildeten Elektrikern unabdingbar. Angelernte Kräfte verfügen hier über zu wenige Hintergrundkenntnisse, um auftretende Schwierigkeiten schnell zu lösen. Während beim Schweizer Unternehmen vor allem Elektro-Fachkräfte fehlen, werden insgesamt im Maschinenbau meist Mitarbeiter im Bereich Informatik und IT gesucht.

Offene Stellen oft schwer zu besetzen

Bildungsexperte Friedrich beobachtet, dass es lange dauert, freigewordene Stellen mit Angestellten mit Berufserfahrung neu zu besetzen. Auch Stecher sieht dies: „Ausschreibungen für Vorarbeiterstellen, die eine Fachausbildung als Elektriker enthalten, bleiben oft Monate ohne Bewerbung.“

Die Personalstrategie der betroffenen Unternehmen sei laut VDMA-Beobachtungen sehr unterschiedlich. „Ich kenne Familienunternehmen auf dem Land, die sich heute vor Bewerbungen kaum retten können. Denn sie haben über Jahre in die Attraktivität ihrer Arbeitgebermarke investiert“, sagt Friedrich.

Andere Unternehmen könnten nach seiner Meinung noch nachlegen, um mehr Bewerbungen zu erhalten. Stecher und sein Team fahren HR-strategisch gut mit einer gesunden Mischung aus Entwicklung eigener Experten sowie Anwerbung von qualifizierten Bewerbern.

Strategien für die Nachwuchsgewinnung im Mittelstand

Bei der Nachwuchsgewinnung ist es besonders wichtig, sich Netzwerke mit Schulen und Hochschulen aufzubauen. Dass rund 60 Prozent aller Auszubildenden ihre Stelle über ein Schülerpraktikum erhalten, bestätigt eine Studie des VDMA aus dem Jahr 2014. Deshalb sollten Firmen Praktikumsplätze anbieten sowie Möglichkeiten, bei ihnen eine Bachelor- und Masterarbeit zu schreiben. „Aber bitte mit System“, fordert der Bildungsexperte Friedrich. Auch zufriedene eigene Azubis als Mentoren und Botschafter einzusetzen, könne eine sinnvolle Maßnahme sein, um junge Leute für den Beruf und das Unternehmen zu begeistern.

„Um überhaupt Bewerbungen zu erhalten, ist es manchmal besser, die benötigten Qualifikationen realistisch zu beschreiben, damit Jobsuchende nicht aufgrund eines zu hohen Anforderungsprofils abgeschreckt werden. Das kann natürlich bedeuten, dass Firmen den neuen Mitarbeiter länger einarbeiten oder intern weiterbilden müssen.“

Jörg Friedrich, Geschäftsführer des Landesverbands Mitte und Abteilungsleiter Bildung beim VDMA

Warum eine gute Arbeitgebermarke wichtig ist

Um Fachkräfte mit Berufserfahrung auf sich aufmerksam zu machen, bedarf es einer guten Arbeitgebermarke. Gängige Online-Portale, wie Stepstone, Monster oder Kununu zu pflegen, hilft dabei, ein positives Image aufzubauen. „Kleinere Betriebe haben oft den Vorteil, durch familiäre Strukturen zu punkten. Dies kann aktiv in der Rekrutierung und Entwicklung genutzt werden.“ Allerdings sei es nicht leicht, eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen, heißt es vom VDMA. Es bedarf einer langfristigen Denke und professioneller Strategien.

Wie man offene Stellen richtig beschreibt

Die exakte Formulierung von Stellenanzeigen sollte ebenfalls Teil einer professionellen Personalstrategie sein, findet Friedrich. Er beobachtet, dass Unternehmen häufig das Anforderungsprofil zu hoch ansetzen. „Um überhaupt Bewerbungen zu erhalten, ist es manchmal besser, die benötigten Qualifikationen realistisch zu beschreiben, damit Jobsuchende nicht aufgrund eines zu hohen Anforderungsprofils abgeschreckt werden. Das kann natürlich bedeuten, dass Firmen den neuen Mitarbeiter länger einarbeiten oder intern weiterbilden müssen.“

Wie ist die Situation am Arbeitsmarkt in der Schweiz?

Auch in der Schweiz spüren Maschinenbauer den Fachkräftemangel, konstatiert Robert Rudolph vom Branchenverband Swissmem. Zwar seien generelle Aussagen zum genauen Mangel nicht möglich, weil Unternehmen, Teilmärkte und Regionen zu unterschiedlich sind. Allerdings hätten Unternehmen vor allem dort Schwierigkeiten, wo forschungsnah ganz spezifisches Fach-Know-how gesucht ist. „Bekannte Unternehmen haben in der Regel kaum Probleme, Fachkräfte zu rekrutieren“, schränkt Rudolph ein.

„Ganz wie in anderen deutschsprachigen Ländern haben auch in der Schweiz viele Firmen zunehmend Mühe, innerhalb sinnvoller Zeit die richtigen Fachkräfte zu finden.“ Daraus entstehende Engpässe werden in der Regel durch temporäre Mehrarbeit gedeckt. Der Verbands-Mann kennt anekdotisch Fälle, in denen Unternehmen Aufträge ablehnen mussten, weil sie nicht über die notwendigen Personal-Kapazitäten verfügten. Bei Qualität und Effizienz sei hingegen niemand bereit, Einbußen aufgrund zu weniger Arbeitskräfte zu akzeptieren. „Es geht dann eher Umsatz verloren und damit Substanz, welche für ein Wachstum benötigt würde“, so Rudolphs Einschätzung. Bedauerlicherweise werde gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen in Situationen mit Engpass dann bei der Entwicklung und der Weiterbildung gekürzt, um das Tagesgeschäft zu stützen.

Auch in der Schweiz sind Arbeitgebermarke und Nachwuchsförderung wichtig

Bei der Personalstrategie sind auch die Unternehmen der Schweiz unterschiedlich aufgestellt: „Die kleineren, familiengeführten Firmen haben nachvollziehbarerweise eine weniger ausgearbeitete und dokumentierte Strategie. Dafür lebt die Leitung nach bewährten Grundsätzen und hat eine ganz andere Erreichbarkeit der Mitarbeiter als ein Großunternehmen.“ Starke Arbeitgebermarken entstehen unter anderem dadurch, dass ein attraktives Gesamtbild nach außen präsentiert wird. Also ein Paket, bestehend aus dem Renommee der Firma, den Arbeitsbedingungen, Einstellungskriterien sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Die unterschiedlichen Zielgruppen, wie Absolventen, Berufstätige mit mittlerer oder umfangreicher Erfahrung, müssen dabei berücksichtigt werden.

Dem Fachkräftemangel begegnen Betriebe am besten, indem sie auf Nachwuchs aus den eigenen Reihen setzen, glaubt der Experte aus der Schweiz. „Das Thema Entwicklung ist aus meiner Sicht das wichtigste Element, sowohl mit der Perspektive der Unternehmung wie auch der Mitarbeitenden“, sagt Rudolph. Auf der anderen Seite werden damit das Interesse und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden belohnt.

Wie SEW Eurodrive die richtigen Azubis findet

Einen besonderen Ansatz in Sachen Nachwuchsgewinnung verfolgt SEW Eurodrive. Die Strategie beim nordbadischen Unternehmen ist es, die Eltern zukünftiger Auszubildender anzusprechen. „Studien belegen, dass Eltern einen großen Einfluss darauf haben, welchen Lebensweg ihre Söhne und Töchter einschlagen“, erläutert Markus Süß, Leiter des technischen Ausbildungszentrums. Das Wichtigste sei es, dass Mütter und Väter ein gutes Gefühl dabei haben, ihre Kinder zu SEW in die Ausbildung schicken. „Bei Elterninformationsabenden bei uns im Haus und auch in den Schulen vermitteln wir, dass Azubis bei uns gut aufgehoben sind“, erläutert Süß. Dabei spreche er sowohl die Fakten an als auch über Praxisbeispiele gelungener Karrieren die Emotionen.

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„Wir erklären, dass nicht jeder studieren muss, dass nach einer Ausbildung nicht nur ein sicherer Arbeitsplatz winkt, sondern auch weitere Aufstiegs- und Qualifikationsmöglichkeiten“

Markus Süß, Leiter des technischen Ausbildungszentrums bei SEW Eurodrive

Wie man auch als nicht-Akademiker einen guten Job zu bekommt

Immer wieder stelle er fest, dass Schüler, die in der Schule oft unauffällige oder schlechte Leistungen erbrachten, bei einer praktischen Arbeit regelrecht aufblühen. Auf diese Weise werde so manche ‚Historie des Versagens‘ zu einer Lehre mit Motivation und Erfolgserlebnissen. Süß und Kollegen, die jährlich 70 Auszubildende rekrutieren, beraten Eltern und Sprösslinge generell zum weiteren Lebensweg: „Wir erklären, dass nicht jeder studieren muss, dass nach einer Ausbildung nicht nur ein sicherer Arbeitsplatz winkt, sondern auch weitere Aufstiegs- und Qualifikationsmöglichkeiten“, so Süß.

Er erlebt, dass Eltern zunehmend verunsichert sind. Eine große Anzahl an Möglichkeiten sowie zahlreiche einander widersprechende Informationen führen zu Irritation. Erziehungsberechtigte brauchen ein Gesamtbild und Entscheidungsmöglichkeiten. „Wir kümmern uns“ ist die Botschaft, die wir vermitteln“, erläutert der Ausbildungsleiter. Er ermutigt Mütter und Väter dazu, die Stärken und Talente ihrer Kinder heraus zu arbeiten, um ihnen auf dieser Basis Vorschläge für Ausbildungsberufe oder Studiengänge zu machen. Bislang geht Süß’ Strategie auf: Es werde zwar schwieriger, diese zu besetzen, aber noch bleiben bei SEW Eurodrive keine Azubi-Stellen offen.

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