Autos fahren auf Containerschiff

Verschiffung des BMW i3 in Bremerhaven. Die BMW Group hat jederzeit Informationen darüber, was sich in ihrer weltweiten Lieferkette tut. - (Bild: BMW)

1. Das Risiko beim Verlagern geographisch streuen
In globalen Supply-Chains werden regionale Endmontage-Shops zur Bedienung der Weltmärkte genutzt. Handarbeits-intensive Tätigkeiten werden in Länder mit relativ niedrigen Personalkosten in die Nähe regionaler Absatzmärkte verlagert. Die Kostenhebel müssen analysiert werden, da sich eine Verlagerung nur bei einem hohen Anteil Handarbeits-intensiver Tätigkeiten lohnt.

Solche Montagen werden nicht nur in einer Weltregion etabliert, sondern typischerweise in der Nähe regionaler Zielmärkte, zum Beispiel in Mexiko oder Brasilien für Amerika. Für Westeuropa kann das Tschechien oder Polen sein. Malaysia oder China können für die asiatischen Märkte diese Rolle übernehmen. So entsteht eine natürliche Risikostreuung und die Shops könnten sich ergänzen.

2. Lieferketten sollten nicht zu eng getaktet werden
Für eine sinnvolle Beschaffung in globalen Lieferketten reichen Produkte mit kurzen Lieferfristen oft nicht aus. Auch Produkte mit einer großen Vielfalt und Komplexität sind wenig geeignet. Es müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, damit Produkte in geographisch entfernten Gegenden überhaupt beschafft oder hergestellt werden können. Lagerprodukte mit einem hohen Standardisierungsgrad oder Projektbedarfe mit Lieferfristen mit einigen Wochen eignen sich besser für globale Supply Chains.

3. Einen kontinuierlichen Fluss aufrecht halten
Die Supply-Chains sind so aufzubauen, dass bei Verlust eines See-Containers trotzdem noch genügend Waren im Lager sind, bis der nächste See-Container eintrifft. In den globalen Supply-Chains wird der See-Container oft als fahrendes Lager mitberücksichtigt. Aber dennoch ist die Logistik so zu organisieren, dass ein kontinuierlicher Fluss stattfindet, mit der Gewissheit, dass wenn ein Container verloren geht, die Lücke bis zum Eintreffen der nächsten Sendung mit Lagerware überbrückt werden kann. Produkte ohne entsprechend kontinuierliche Bedarfe wären weniger geeignet.

4. Strategisches Lieferanten-Management aufbauen
Ein ganz zentraler Punkt in der Lieferkette ist strategisches Lieferantenmanagement, um die Risiken zu beherrschen. Dazu gehört die systematische Qualifizierung und Freigabe von Lieferanten. In globalen Lieferketten werden die Lieferanten vor Ort besucht und in einem systematischen Prozess qualifiziert. Erstmusterprüfung ist dabei ein klassisches Instrument. Es kann zwei bis drei Jahre dauern, bis nachhaltige Lieferketten aufgebaut sind.

5. Vor Ort bei den Zulieferern präsent sein
Ein weiterer Punkt, um die Risiken in globalen Supply Chains zu beherrschen: Ein internationales Purchasing-Team muss kontinuierlich vor Ort sein. Ohne lokale Präsenz gelingt es kaum, von Westeuropa in Asien Produkte einzukaufen. Chinesische Lieferanten müssen kontinuierlich betreut werden. Jede oder jede zweite Woche findet ein persönlicher Kontakt statt. Mit den Lieferanten wird eng zusammengearbeitet. Anders funktioniert der Einkauf dort kaum. Wiederum werden kritische Volumina vorausgesetzt, damit sich das Sourcing in diesen Ländern überhaupt rechnet.

6. Die Lagerbestände zur Sicherheit ausweiten
Es gibt Beispiele von Unternehmen, die Produkte in Asien beschaffen und die einen Lagerbestand für viele Monate oder bis zu einem Jahr in Europa haben. Das kann mit einem spezifischen Produkt und den Besonderheiten einer geographischen Region zusammenhängen. Mit einem zusätzlichen Lager wollen diese Unternehmen die Liefersicherheit gewährleisten und dann im Notfall einen alternativen Lieferanten aufbauen.

7. Parallel in verschiedenen Regionen der Welt sourcen
Was die Unternehmen überdies vorsehen, ist, dass sie parallel beschaffen. So pflegen sie eine Lieferantenbasis mit qualifizierten Lieferanten sowohl in Asien als auch in Westeuropa. Bestellungen werden an beide Lieferantengruppen vergeben. Dies bedingt Produkte mit einem kontinuierlichen und kritischen Bedarf.

Die beiden parallelen Lieferquellen bringen mehr Sicherheit in die Lieferkette. Sollte der asiatische Lieferant die Anforderungen nicht erfüllen, so werden die Bedarfe durch den westlichen Lieferanten gedeckt, oder auch umgekehrt.

8. Kontinuierliche Lieferanten-Bewertung vornehmen
Eine kontinuierliche Lieferantenbewertung ist für die Unternehmen ein kritisches Instrument zur Sicherung ihrer Supply Chain. Damit Liefertermine strikt eingehalten werden und eine fehlerfreie Qualitätsware beim Auftraggeber ankommt, müssen die Supplier fortdauernd bewertet und betreut werden. Dafür muss das Einkaufsteam den persönlichen und direkten Kontakt zu den Zulieferern kontinuierlich halten.

Die USA haben radikal verlagert

Abbildung Dr. Stephan Hofstetter, Kloepfel Consulting. Grauer Anzug, weißes Hemd, Krawatte, Brille
Dr. Hofstetter: „Das Verhältnis der USA zu Mexiko entwickelte sich in den vergangenen zwanzig Jahren massiv zuungunsten der USA.“ (Bild: Kloepfel Consulting)

Produktion: Herr Hofstetter, der neue US-Präsident hat bereits Strafzölle für deutsche Unternehmen in den USA angedroht. Wird es Probleme für die verarbeitende Industrie beim Export in die USA geben?

Dr. Stephan Hofstetter, Partner bei Kloepfel Consulting: "Die europäische Industrie produziert bereits sehr stark in den USA. Das wird helfen. Die Pharma-Unternehmen haben fast so viele Mitarbeiter in den USA wie hier in den Stammländern in Westeuropa. Insofern wird es diese Unternehmen nicht so stark treffen. Die deutsche Automobilindustrie produziert ebenfalls in eigenen Werken in den USA. Die Entwicklung ist derzeit noch nicht leicht einzuschätzen.

Bei den Importzöllen gibt es überdies Beschränkungen durch internationale Vereinbarungen. Auch andere Länder wie Brasilien, China und Russland erheben neben der EU ausgewählte Importzölle und zwingen die Unternehmen, im Land zu produzieren. Das Verhältnis der USA zu Mexiko hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren massiv zuungunsten der USA entwickelt."

Wie unterscheiden sich die Produktionsverlagerungen in Europa von denen in den USA?

Hofstetter: "Aus Europa wird sehr viel verlagert nach Osteuropa, nach Asien und Indien. Aber so radikal, wie Amerika verlagert hat, fand das hier nie statt. Wenn man in den USA ist und durch Industriegebiete fährt, dann fällt auf, dass ganze Industriequartiere praktisch leer geräumt sind und jedes Industriegebäude zum Verkauf steht. Das hat hier in Westeuropa nie in diesem Ausmaß stattgefunden, weder in Deutschland noch in der Schweiz. Das sind ganz andere Dimensionen. Von diesen Menschen, die das täglich erleben, wurde Trump gewählt.

In Deutschland und der Schweiz hätte man diese extrem starken Verlagerungen nicht toleriert: Es gibt viele Mittelständler, die sehr stark in ihren Regionen verankert sind. Arbeitsplätze spielen eine große Rolle in den strategischen Entscheidungen. Die Interessen der einzelnen Anspruchsgruppen werden berücksichtigt. Die Entscheidungen werden viel umsichtiger getroffen."

Welche Unternehmen haben denn ihre Supply Chain vorbildlich abgesichert?

Hofstetter: "Größere Unternehmen sind seit vielen Jahren dabei, globale Supply Chains zu führen. Unternehmen mit handarbeitsintensiven Arbeitsplätzen sind gezwungen, sich global aufzustellen, und auch mittelständische Unternehmen mit globalen Absatzmärkten sind seit vielen Jahren vor Ort, um etwa den geforderten lokalen Anteil zu erreichen. Es gibt jetzt immer mehr Mittelständler, die verstärkt verlagern und entsprechende Erfahrungen machen. Das Thema ist nicht neu. Neben den Chancen sind auch die Risiken umsichtig zu bearbeiten."

Wie kann man mit lokalen Kräften vor Ort gut zusammenarbeiten, um die Supply Chain von Deutschland aus abzusichern?

Hofstetter: "Firmen benötigen ein Team vor Ort: Ein Einkäufer muss dabei sein, ein Qualitätsfachmann und ein technisch ausgerichteter Mitarbeiter. Die Firmen benötigen ein kleines Team, das die Lieferanten persönlich betreut. Teilweise ist das Team in einer Verkaufsniederlassung angesiedelt oder in Kombination mit einer lokalen Produktion. Wichtig ist, dass das Team vor Ort ist und einen direkten Kontakt mit den Lieferanten pflegt. Das ist inzwischen ein typisches Set-up. Man kann auch mit einem Serviceprovider kooperieren. Gruppengesellschaften haben ein gemeinsames Team vor Ort, das die verschiedenen Standorte betreut. Wichtig ist, dass das Team voll in das Netzwerk integriert ist, bei globalen Purchasing-Meetings dabei ist, gut in der Firma vernetzt ist und Verlagerungsprozesse umsichtig betreut."

Datentransparenz in der Supply Chain von BMW

Beladenes Containerschiff von hinten, blauer Himmel, Wolken
BMW kann mit einem neuen System jederzeit feststellen, wo sich Ware befindet und ob sie pünktlich geliefert wird. - (Bild: Fotolia, enanuchit)

Der Automobilhersteller BMW hat seine Logistikprozesse durchleuchtet. Dabei entdeckten die Mitarbeiter in allen Teilen des Logistikprozesses Möglichkeiten zur Innovation. Dies reicht von der Anlieferung der Bauteile in die Produktionswerke bis zur Auslieferung der Neufahrzeuge an das weltweite Händlernetz.

Die BMW Group installierte nun eine sogenannte Connected Supply Chain. Diese soll eine vollständige Datentransparenz in der Lieferkette ermöglichen. Diess besteht aus einem weltweit verteilten Lieferantennetzwerk und einer engen Zusammenarbeit mit verschiedenen Logistikdienstleistern. Jederzeit soll festgestellt werden, wo sich Ware befindet und ob sie pünktlich geliefert wird.

Auf diese Weise kann BMW bei Problemen sofort tätig werden. Wenn ein Lkw einen Unfall hat, schlägt die Connected Supply Chain Alternativen vor und leitet Maßnahmen ein.

9. Deutscher Maschinenbau-Gipfel

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Der Maschinenbau gilt als die Leitbranche und das Aushängeschild der deutschen Industrie. Doch auch die starke Branche bleibt von geopolitischen Ereignissen Protektionismus, Brexit oder länderübergreifenden Spannungen nicht unbehelligt.

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