Ergonomie, Montage, Montagearbeitsplatz

Anstrengende Montage über Kopf: Damit Arbeiter lange gesund bleiben, sind ergonomische Bewegungsabläufe wichtig. - (Bild: Department for Business, Innovation and Skills / Creative Commons)

Wird Ergonomie am Arbeitsplatz von den Firmen noch unterstützt?

Ergonomie auf dem Bürostuhl

Ob im Büro oder am Montagearbeitsplatz, Ergonomie an der Arbeit ist für nahezu jedes Unternehmen ein Muss. Und das nicht nur aus reiner Nächstenliebe. Schließlich wollen Firmen gesunde Mitarbeiter, ganz egal, ob diese nun auf einem Bürostuhl sitzen oder mit Werkzeug in der Fabrik arbeiten.

Schließlich sollte es Ziel jedes Unternehmens sein, die Fehltage der Mitarbeiter zu reduzieren. Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.

Woran merkt man eigentlich, dass die Gesellschaft immer älter wird? Richtig, sämtliche Unternehmen aller Branchen kümmern sich immer mehr um Ergonomie im Büro oder am Montagearbeitsplatz. Dabei kann der ‚Arbeitsplatz‘ stark variieren – beispielsweise zwischen einem Sitzplatz im Führerhaus eines Gabelstaplers und einem Stehplatz in der Produktion.

„Industrielle Arbeitsplätze sind dann ergonomisch und wirtschaftlich gestaltet, wenn Arbeitsplatz, Abläufe und Rahmenbedingungen am Menschen ausgerichtet sind." - Ulrich Kuhnt, Vorstand des Bundesverbandes deutscher Rückenschulen

Warum Arbeitgeber für einen ergonomischen Arbeitsplatz sorgen sollten

Dazu erklärt Ulrich Kuhnt, Vorstand des Bundesverbandes deutscher Rückenschulen (BdR): „Industrielle Arbeitsplätze sind dann ergonomisch und wirtschaftlich gestaltet, wenn Arbeitsplatz, Abläufe und Rahmenbedingungen am Menschen ausgerichtet sind. Da statisches Sitzen oder Stehen zu einseitigen Belastungen führen kann, sind regelmäßige Minibewegungen und Wechsel zwischen verschiedenen Körperhaltungen wichtig.“

Der Bogen darf bei allen Effizienzbemühungen nicht überspannt werden, denn „zu hohe Effizienzansprüche laufen dabei fehl: Das Wegrationalisieren von Bewegungen am Arbeitsplatz, die darauf zielt, dass Mitarbeiter nicht mehr aufstehen und ein paar Schritte gehen müssen, mag kurzfristig die Effizienz steigern. Langfristig kann sich die mangelnde Bewegung aber negativ auswirken“, warnt Susanne Weber, Ergonomieberaterin bei der Dauphin HumanDesign Group. Eine optimale Arbeitsplatzgestaltungfördert den Haltungs- und Belastungswechsel, schränkt Weber ein.

"Mitarbeiter sollten lernen, Belastungen am Arbeitsplatz selbst zu erkennen." - Susanne Weber, Ergonomieberaterin bei der Dauphin HumanDesign Group

Warum Arbeitnehmer auch selbst auf Arbeitsschutz achten müssen

„Die entscheidende Frage ist: Wie können wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern Verbesserungen am Arbeitsplatz umsetzen? Mitarbeiter sollten lernen, Belastungen am Arbeitsplatz selbst zu erkennen. Sie sollten aber auch wissen, wie sie Ausrüstung und Arbeitsmittel ergonomisch richtig nutzen können. Ergonomische Verbesserungen am Arbeitsplatz sind nur dann erfolgreich, wenn Mitarbeiter in den Verbesserungsprozess einbezogen werden, um gemeinsam nach Lösungen und Optimierungen am Arbeitsplatz zu suchen. Ein Ergonomieworkshop hilft, den Prozess einzuleiten“, so Weber. So könnten Verantwortliche herausfinden, welche Aspekte den Mitarbeitern wichtig seien, und die Bereitschaft, Veränderungen umzusetzen sei höher.

„Achtung, diese Bewegung verursacht Rückenschmerzen“ – so könnte ein digitaler Assistent in Zukunft warnen. Wissenschaftler aus Hannover entwickeln ein Kamerasystem, das Arbeitern bei der Montage über die Schulter schaut und auf unergonomische Bewegungen hinweist: 3D-Kameras sollen Bewegungsabläufe erfassen und dabei helfen, ungesunde Körperhaltungen zu korrigieren.

„Achtung, diese Bewegung verursacht Rückenschmerzen!“ - Tipp des digitalen Assistenten

Wie Ergonomie in Echtzeit bewertet wird

Das Besondere: Die Ergonomiebewertung erfolgt in Echtzeit und basiert ausschließlich auf Kameradaten. Bisher ist es ziemlich aufwendig, Bewegungen im Fabrikalltag zu analysieren. Die Arbeiter müssen dafür beispielsweise einen Ganzkörperanzug mit Markierungen tragen, damit der Computer die Position von Händen, Ellenbogen und Schultern erkennt.

Das stört bei der Arbeit. Das neue System verzichtet gänzlich auf Marker sowie Sensoren und nutzt ausschließlich 3D-Kameras, um Körper und Hände zu erfassen.

Daubner
"Zu hohe Effizienzansprüche laufen fehl. Langfristig kann sich die mangelnde Bewegung aber negativ auswirken." - Susanne Weber, Ergonomieberaterin Dauphin HumanDesign Group

Zudem soll die neue Technologie Bewegungen direkt analysieren und bewerten. Auch das ist mit bisherigen Systemen nicht möglich: Sie können lediglich Videos erzeugen und verarbeiten. Um zu beurteilen, wie ergonomisch die Bewegungsabläufe sind, muss anschließend ein Experte die Aufnahmen auswerten.

Das ist teuer und ungünstig für die Arbeiter, die dadurch tage- oder wochenlang auf Feedback warten müssen. Das neue Kamerasystem soll die Bewegungen automatisch analysieren – und zwar in Echtzeit. Dabei erkennt es nicht nur unergonomische Bewegungen, sondern bietet auch Alternativen an. So erhalten die Arbeiter direktes Feedback und können ungesunde Bewegungen sofort korrigieren.

Wie auch kleine Unternehmen die Arbeitsplatzgestaltung optimieren

Korrekte Bewegungsabläufe lassen sich damit schon während der Einarbeitung trainieren und später immer wieder überprüfen. So bleiben die Mitarbeiter in der Montage länger fit, ermüden nicht so schnell und werden seltener krank.

Mit der neuen Technologie lohnt sich die Ergonomiebewertung auch für kleine und mittlere Unternehmen. Weil keine teure Sensorik nötig ist und die Experten-Auswertung entfällt, ist die Bewertung künftig schneller und günstiger möglich.

Zudem genügt ein einziges Kamerasystem, um nicht nur einen Montagearbeitsplatz, sondern sämtliche Arbeitsplätze in der Montage zu bewerten. „Wir entwickeln ein mobiles System. Sobald sich ein Mitarbeiter die richtigen Bewegungsabläufe angewöhnt hat, können die Kameras wieder abgebaut und an einem anderen Montage-Arbeitsplatz genutzt werden“, sagt Sebastian Brede, Projektleiter am Institut für Integrierte Produktion.

Suspa
Das Movotec Spindel-Motor-System (SMS) ist eine komfortable Alternative zum Hydrauliksystem. Es ermöglicht eine stufenlose Höhenverstellung von Werkbänken in einem ergonomischen Arbeitsumfeld. (Bild: Suspa GmbH)

Wie die Arbeitsplatzgestaltung die Produktivität verbessert

Die physischen Arbeitsbelastungen für den Menschen lassen sich durch ‚Hilfssysteme‘ reduzieren. Das hat direkte und positive Auswirkungen auf die Produktivität.

Und zwar besonders dann, wenn Arbeitsflächen zum Beispiel in der Höhe oder der Neigung verstellbar sind, wenn sie dämpfend, kraftunterstützend und insgesamt entlastend wirken. Suspa stellt Komponenten für solche Hilfssysteme her.

Dabei handelt es sich um hydraulische, pneumatische oder elektromechanische Hub- und Senksysteme. Verstellbarkeit und Anpassung an unterschiedliche Rahmenbedingungen sowie an verschiedene physisch-konstitutionelle Voraussetzungen des Menschen sind deshalb bei diesen Lösungen die zentralen Aspekte in den ergonomischen Bestrebungen von Suspa.

Hilfsysteme im Einsatz für einen ergonomischen Arbeitsplatz

Eines dieser Hilfssysteme ist Movotec. Movotec-Lösungen operieren überwiegend im vertikalen Verstellbereich und sind größtenteils in Industrieapplikationen verbaut. Die Technologie ist als hydraulisches und etwa seit eineinhalb Jahren als elektromechanisches Hubsystem erhältlich.

Beide Varianten sind in der Lage, hohe Traglasten zuverlässig zu bewegen und eignen sich deshalb ganz besonders für ein ergonomisches Arbeitsumfeld. Ein Movotec-Hydraulik-Zylinder bewegt Lasten mit einer Kraft von bis zu 1.360 N. Das Spindel-Motor-System (SMS) liefert eine Kraft von 1.500 N in Druck- und 750 N in Zugrichtung pro Zylinder.

Beide Systeme können bis zu acht Beine (kaskadiert) verfahren, um große Lasten zu bewegen (Movotec Hydraulik: max. 11 340 N und SMS: max. 12.000  N). Sowohl die elektrohydraulische als auch die elektromechanische SMS-Variante hebt und senkt Objekte mit einer Verfahrgeschwindigkeit von acht Millimetern pro Sekunde.

Alle Systeme werden über eine zentrale Steuerungseinheit bedient. Während das SMS-System über eine Spindel mit vorgeschalteter Motoreinheit je Bein verfügt, wird das Heben und Senken des hydraulischen Systems über eine Pumpe gesteuert.

CSP
Mittels Gabelstapler wird die Kiste in der Maschine abgestellt. Anschließend startet der Fahrer über einen Seilauslöser die Anlage, die automatisch den Zustand der Kiste erfasst und entsprechend entweder den Deckel abnimmt sowie einlagert oder auf einem offenen Behälter eine Abdeckung ablegt. - (Bild: CSP)

Bei welcher Arbeit die Verletzungsgefahr am größten ist

Rohwaren, Halbzeuge oder auch fertige Produkte werden heute in fast allen Branchen, so etwa im Automobilzuliefersektor, häufig in großen Kisten verschickt. So praktisch diese simple Lösung auch ist, kann sie beim Empfänger jedoch zu Problemen führen: Zum einen sind die Deckel der Behälter meistens unhandlich und schwer, sodass zum Abnehmen zwei Arbeiter benötigt werden. Diese Gestaltung der Arbeit ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern birgt auch eine gewisse Verletzungsgefahr.

Zum anderen nehmen die nicht benötigten Deckel viel Platz weg, während die Kisten mit der Ware in der Produktion zirkulieren. Um hier die Ergonomie und Effizienz zu erhöhen, hat der Intralogistik- und Sondermaschinenexperte CSP Cut Systems Pfronstetten jetzt einen speziellen Deckelspeicher entwickelt.

Die Anlage hebt die Kistendeckel automatisch ab oder schließt offene Behälter damit. In der Zwischenzeit lagern sie platzsparend in einem von zehn Fächern. Auf diese Weise können Unternehmen nicht nur Zeit im Warenein- und -ausgang sparen, sondern zugleich auch die Gesundheit ihrer Beschäftigten schonen.

Optimale Arbeitsplatzgestaltung in der Logistik

Üblicherweise werden die gängigen Holzkisten für den Transport lediglich mit Spannbändern gesichert, die beim Entladen des Lkw entfernt werden. Diese Arbeit, das Öffnen der Kiste, gestaltet sich dennoch oft schwierig, da zum Abnehmen der sperrigen Abdeckung meistens zwei Mitarbeiter benötigt werden.

Das kostet nicht nur teure Arbeitszeit, neben Rückenbeschwerden, verursacht durch falsches Heben und Tragen, können auch Verletzungen durch Splitter im Holz oder ein versehentliches Einklemmen der Finger auftreten.

Ein weiteres Problem stellt die zwischenzeitliche Lagerung der nicht benötigten Deckel dar, die nicht nur wertvolle Fläche im Produktionsbetrieb belegen, sondern zudem bei unsachgemäßer Unterbringung beschädigt werden können. Ebenso blockieren sie schnell wichtige Transportwege, was den ganzen Betriebsablauf stören kann, oder sind bei Bedarf plötzlich nicht mehr auffindbar.

Linde
Bei der SF-Version steht der Fahrer frontal zur Fahrtrichtung. Dabei ist der Fahrerarbeitsplatz gefedert und vollständig vom Chassis abgekoppelt. Schwingungen, Vibrationen und Stöße werden dadurch deutlich reduziert. (Bild: Linde MH)

Warum Arbeitsplatzgestaltung mit Sicherheit einhergeht

Bei den Fahrerstand-Niederhubwagen wächst das Produktprogramm von Linde Material Handling. Bei der S-Version steht der Fahrer im Winkel von 90 Grad zur Fahrbahn, was ihm eine gute Sicht in beide Fahrtrichtungen und auf die Umgebung erlaubt. Gleichzeitig gewährt ihm die hochgezogene, gepolsterte Rückenlehne eine komfortable Stütze.

Bei der SF-Version steht der Fahrer frontal zur Fahrtrichtung und hat eine besonders gute Sicht auf die Last vor ihm. Diese Variante empfiehlt sich bei überproportionalem Anteil an Lkw-Beladung. In beiden Fällen sorgt das Fahrzeugdesign für größtmögliche Sicherheit, denn der Bediener steht in jedem Fall innerhalb der Fahrzeugkontur. Körper und Hände sind geschützt.

Ein besonderes Ergonomie-Plus aller Modelle ist der serienmäßig gefederte und vollständig vom Chassis abgekoppelte Fahrerarbeitsplatz – ein Alleinstellungsmerkmal, das auf den Fahrer einwirkende Schwingungen und Vibrationen maßgeblich reduziert und selbst Stöße durch Bodenunebenheiten weitestgehend von ihm fernhält. Zusammen mit der gepolsterten Rückenlehne bietet sich ein höchst komfortabler Arbeitsplatz, der Muskel-Skelett-Erkrankungen wirksam vorbeugt.

Ergonomisch gestalteter Arbeitsplatz vs. Bewegung an der frischen Luft

Die S-Version, bei der der Fahrer quer zur Fahrbahn steht, verfügt zudem über das innovative Bedienkonzept ‚Tip Control‘. Der Clou: In den Kopf eines höhenverstellbaren Haltegriffs, der dem Bediener eine stabile Standposition gewährt, sind Kippschalter integriert, über die er mit kurzen Bewegungen von Daumen und Zeigefinger Fahr- und Hubfunktionen steuert. Dabei sind die Schalter so ausgeführt, dass sie sich auch mit Handschuhen sicher bedienen lassen.

Hinsichtlich der Anordnung der Bedienelemente ist der Anwender flexibel: So kann wahlweise das Lenkrad rechts und der Steuerhebel Tip Control links beziehungsweise umgekehrt Lenkrad links und Tip Control rechts angeordnet sein. Alle wichtigen Betriebsdaten sind von einem großen Farbdisplay abzulesen.

Die nicht ganz ernst gemeinte Quintessenz ist: Sich den ganzen Tag an der frischen Luft aufhalten ist besser als langes Sitzen auf dem Bürostuhl am Schreibtisch im Büro vor dem Bildschirm. Davon muss man nur noch den Arbeitgeber überzeugen. Doch die Anforderungen an das Arbeiten sind im Alltag der Büroarbeit nun mal andere.

Sie möchten gerne weiterlesen?