Transportroboter

BMW sieht die Logistik als Herzstück des Produktionssystems und nutzt jetzt statt ‚Fahrerlosem Transportfahrzeug‘ (FTF) die nächste Entwicklungsstufe: Den ‚Smart Transport Robot‘ (STR) - (Bild: BMW)

Er war leicht, belastbar und effizient und kann mit Autoteilen beladene ‚Rolluntersetzer‘ aufnehmen, transportieren und am Auftragsziel wieder auf dem Boden abstellen. Jetzt toppt er seine eigenen Rekorde und glänzt mit neuer Navigation: Denn aus dem ‚Fahrerlosen Transportfahrzeug‘ (FTF) wird ein ‚Smart Transport Robot‘ (STR). Das liegt gleich an drei wesentlichen Neuerungen, wie Josef Pilstl, Projektleitung Innovationen und Industrie 4.0 bei BMW, beschreibt:

1. Warum es auf die Steuerung ankommt

„Ursprünglich hatten wir eine Beckhoff-Steuerung im Einsatz. Da war es schwierig, die interne Programmierung  modular aufzusetzen. Denn sobald ich etwas ändern wollte, musste ich den kompletten Programm-Code angeben. Das ist hinsichtlich der Entwicklungszeit in einem Pilotprojekt viel zu zeitintensiv. Wir haben damit nicht die Flexibilität gewonnen, die wir uns zukünftig erwartet haben.“

Auch für die normale Bedienung habe BMW jemanden gebraucht, der Experte auf diesem Gebiet sei. „Wir sind somit zu einer völlig neuen Steuerung auf ROS-Basis – robotics operation system – gewechselt. Da kommt eine modulare Programmiersprache zum Einsatz, die auch open source verwendet. Das ist eine relativ neue Programmiersprache, die sehr stark auf Modularität setzt und schnelle Entwicklungszyklen ermöglicht“, erklärt Pilstl.

Dazu gebe es auch eine Online-Community, die Wissen gratis zur Verfügung stelle, was die Entwicklungszeit zusätzlich verkürze. „Jetzt kann ein ganz normaler Logistik-Mitarbeiter den neuen STR nach einer simplen Einschulung bedienen und selbst einfache Störungen beheben“, freut sich Pilstl. Das funktioniere bereits in dem Pilotprojekt in Regensburg.

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"Das Gerät soll zukünftig selbst entscheiden können, ob es ausweichen soll oder nicht. Es ändert dementsprechend die Route anhand eines short time SLAM", sagt Josef Pilstl, Projektleitung Innovationen und Industrie 4.0, BMW Group.

2. Wie das Leitsystem verändert wurde

Die zweite große Veränderung gibt es laut Pilstl bei der Leitsystem-Architektur: „Da geht es um das übergeordnete System, das Aufträge verwaltet und weitergibt sowie dem Transportroboter sagt, wo er als nächstes hinfahren soll. Die Version 1 – V1 – haben wir noch mit einer open TCS-Variante vom Fraunhofer-Institut betrieben.“ Das sei zwar gut gewesen, habe aber das Prinzip der Punkt-zu-Punkt-Navigation verfolgt. Dabei mussten alle Punkte einzeln einprogrammiert werden. Gab es eine Änderung, habe das viel Aufwand nach sich gezogen.

„Mit der neuen Service-Architektur hingegen – jetzt erstmals zu 100 Prozent über die Microsoft Azure cloud verfügbar – haben wir das so ermöglicht, dass wir dem STR nur einen Start- und einen Endpunkt geben und er sich den Weg dazwischen völlig autonom sucht. Das ist der Sprung von der Automatisierung zur Autonomie. Auch das kann der kurz geschulte Mitarbeiter anhand einer einfachen grafischen Oberfläche bedienen“, freut sich Pilstl über die Anwenderfreundlichkeit.

Weiterer Transportroboter: Tünkers

Transportroboter

Dem Trend nach mehr Flexibilität in der Fertigung folgend und auf Anregung von Automobilherstellern, hat Tünkers ein AGV entwickelt. Dieses ist nicht mehr an ein Förderband gebunden, sondern kann sich frei im Raum bewegen. Der Clou dabei: Da es sich um eine Art Baukastensystem handelt, kann sogar je nach Bedarf auch auf unterschiedliche Navigationssysteme zurückgegriffen werden.

Ob per Induktion, optisch, per Magnet, per Laserreflektion, freier Navigation mittels Laserscanner und SLAM-Algorithmus, Beacons oder auch outdoor per GPS: Somit lässt sich wohl für jede Fertigungsstätte eine wunschgerechte Lösung finden. Tünkers spricht auch davon, dass der Rohkarosseriebau ja bereits zu 95 % automatisiert ist, durch das AGV nun auch die letzten fünf Prozent automatisiert werden können.

3. Welche Bedeutung die Navigation hat

Die dritte deutliche Veränderung beziehe sich auf das Navigationssystem. Die V1 nutzte für die Navigation noch ein hybrides Ortungssystem aus Odometrie und Funksendern. „Die neueste Version besticht dagegen mit einem umgebungsbasierten Navigationskonzept. Dadurch sind – im Gegensatz zu anderen FTF – keinerlei künstliche Landmarken oder Bodeninstallationen notwendig“, erklärt Julian Jakubiak vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund.

Das IML entwickelt zusammen mit BMW den STR. „Die Kartierung und die Lokalisierung erfolgt durch einen sogenannten ‚SLAM Algorithmus‘ – Simultaneous Localization and Mapping. Dafür bewegt sich das Fahrzeug vor Inbetriebnahme systematisch durch die gewünschte Umgebung und erstellt dabei eine Karte von der zukünftigen Arbeitsumgebung“, lässt Jakubiak wissen.

Dazu ergänzt Pilstl: „Von der ursprünglichen Funknavigation mit relativ hohen Infrastrukturkosten – ein Raster mit zehn mal zehn Metern ist dazu in den Hallen mit Funkankern ausgebaut – wollen wir jetzt sukzessive weg und hin zur Lasernavigation über das SLAM-Verfahren.“ Allerdings stoße die Lasernavigation mitunter auch an ihre Grenzen, klassisches Beispiel dazu sei ein Blocklager.

„Dieses kann vormittags nur zu einem Drittel gefüllt sein. Erhalten wir dann eine Lieferung, ist es umgehend randvoll. Somit verändert sich auch das Umfeld für die STR. In diesem Fall können wir noch beide Systeme miteinander kombinieren. Denn die SLAM-Navigation hat ja eine Karte des – vielleicht einige Stunden zuvor – gefahrenen Weges abgespeichert. Dieser kann sich natürlich durch unterschiedliche Füllzustände im Lager verändern“, führt Pilstl weiter aus.

Weiterer Transportroboter: Mobile Industrial Robots

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Mobile Industrial Robots (MiR) hat den MiR500 auf den Markt gebracht: Der neue Transportroboter ist größer, stärker und schneller als seine Vorgänger und ermöglicht eine vollautomatisierte Beförderung von Paletten und schweren Gütern. Mit dem MiR500 erschließen die Dänen neue Anwendungsbereiche: Durch seine Nutzlast von 500 kg und seine größere Tragfläche kann er unter anderem Paletten mit Geschwindigkeiten von bis zu 7,2 km/h automatisch aufnehmen, transportieren und ausliefern. Ausgestattet mit Sensorsystemen und Sicherheitssoftware, manövriert der MiR500 in dynamischen Umgebungen. Hindernissen und Menschen weicht er dabei selbstständig aus und findet selbstständig den schnellsten Weg zum Ziel.

Autonomes Fahren für besseren innerbetrieblichen Materialfluss

Um die Route lokal zu optimieren, wird der sogenannte ‚Time-Elastic-Band‘-Ansatz eingesetzt. Dazu erklärt Pilstl: „Das Gerät soll zukünftig selbst entscheiden können, ob es ausweichen soll oder nicht. Die V1 bleibt bei einem Hindernis eben einfach stehen. Bei der V2 entscheidet das Gerät mittels ‚elastic band‘ selbstständig, ob es an einem Hindernis vorbeikommt und ändert dementsprechend die Route anhand eines short time SLAM.“ Das funktioniere ohne Leitsystem, weil das Gerät selbstständig agiere. Es würde sich maximal nach einem einstellbaren Zeitraum beim Leitsystem melden, wenn es nicht vorbeikommen könne.

Weiterer Transportroboter: Knapp

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Die autonomen Transportroboter von Knapp übernehmen den innerbetrieblichen Transport von Behältern und Paletten. Die Besonderheit: Die Open Shuttles bewegen sich ohne optische oder physische Hilfsmittel frei und losgelöst von vorab geplanten Pfaden im Raum – dies ermöglicht eine flexible und jederzeit adaptierbare Routenführung. Sie lassen sich nahtlos in eine bestehende Umgebung integrieren und bieten maximale Sicherheit in Bezug auf Personen und Inventar. Die Schwarmintelligenz der frei navigierenden Open Shuttles ermöglicht eine intelligente adaptive Auftragsverteilung über die komplette Flotte hinweg. Die Fahrzeuge kommunizieren laufend untereinander und verteilen Aufträge flexibel: Dies bringt neue Möglichkeiten, um Fahrrouten und Fahrzeiten zu optimieren.

Mehr Effizienz in Intralogistik und Produktion

Aber nicht nur im Inneren hat sich seit 2016 einiges getan. „Die erste Version des Smart Transport Robots konnte bei einem Eigengewicht von 135 Kilogramm Lasten von bis zu 550 Kilogramm bewegen. Die aktuelle Fassung schafft es, bei einem Eigengewicht von 120 Kilogramm gleich eine Tonne zu transportieren“, beschreibt Jakubiak. Dazu ergänzt Pilstl: „Wir haben einen stärkeren Hubmotor eingebaut, mit dem wir knapp 99 Prozent unserer internen Prozesse abdecken. 80 Prozent der Prozesse sind unter 500 kg. Der STR unterfährt die Container selbstständig mittels Kameratechnologie. Das kann er auch, wenn diese nicht gerade abgestellt sind.“

Darüber hinaus gab es noch geringe Änderungen, wie Pilstl darstellt: „Wir haben die Achse weiter nach hinten verlagert, damit kein Schlupf entsteht, wenn das Gerät leer fährt. Zudem ist die V2 knapp fünf Zentimeter länger als der Vorgänger.“

Die Breite sei unverändert, da das Transportsystem ja unter die BMW-internen Rolluntersetzer fahren müssen, von denen es zehntausende gebe.

Bei der V1 wurden noch second-life-Batterien des i3 verwendet. „Doch mittlerweile setzen wir auch neue i3-Batterie-Module ein, da die Nachfrage sehr hoch ist“, so Pilstl.

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