“Unsere per Knickbauchen gefügten Prototypen haben alle Tests bestanden.”,

“Unsere per Knickbauchen gefügten Prototypen haben alle Tests bestanden.”, Hans-Hermann Meyer, Bereichsleiter Zusammenbau bei Gestamp. – (Bild: Gestamp)

 

Als Umformtechnik ist Knickbauchen seit Langem bekannt. Das Verfahren birgt – als Fügetechnik eingesetzt – ein hohes Potenzial. Trotzdem wurde es lange stiefmütterlich behandelt. Denn es fehlten systematisch erarbeitete, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Fügetechnik. Mechanische Fügeverfahren wie das Knickbauchen gewinnen jedoch immer mehr an Bedeutung im Zuge von Leichtbau und der Forderung, unterschiedliche Materialien zu verbinden. Produktion hat die wichtigsten Grundlagen zur Fügetechnik Knickbauchen zusammengestellt.

Prozess

Knickbauchen ist ein umformtechnisches Verfahren. Nach DIN 8584-6 /3/ ist es als “Zugdruckumformen zum örtlichen Erweitern oder Verengen eines Hohlkörpers durch Einwirkung von Druckkräften in Längsrichtung, die zu einem Ausknicken des Werkstückes nach außen oder innen, quer zur Richtung dieser Druckbeanspruchung führen” definiert. Das Verfahren kann auch als Fügetechnik genutzt werden und zählt zu den mechanischen Fügeverfahren. “Hierbei wird der zu fügende Hohlkörper, in der Regel ein Rohrabschnitt, in das Durchgangsloch eines Bleches gesteckt und durch Knickbauchen derart geweitet, dass eine unlösbare Verbindung entsteht”, berichtet Dr. Philip Grützner, Leiter F&E bei Promess.

Anwendungen

Potenzielle Anwendungen für das Fügen durch Knickbauchen finden sich in vielen Bereichen der metallverarbeitenden Industrie. “Im Automobilbau können Verbindungen von Rohren und flächigen Bauteilen, wie Achslenkern und anderen Fahrwerkskomponenten, wirtschaftlich hergestellt werden”, berichtet Grützner. Weitere Anwendungen seien im klassischen Metallbau, bei der Herstellung von Geländern und Gittern, in der Beschläge- und Möbelindustrie, in der Haushaltswarenindustrie sowie der Heizungs- und Lüftungstechnik möglich.

Im Maschinenbau kann das Fügen durch Knickbauchen zum Beispiel beim Fixieren von Kugellagern genutzt werden und damit Nutmuttern und andere, kostenintensivere Lösungen ersetzen, so die Erkenntnis aus einem von der AiF geförderten Forschungsvorhaben zum Thema “Fügen durch Knickbauchen”. Obwohl mit dem Bördeln oder Rollieren in diesem Bereich bereits die Anwendung umformtechnischer Fügeverfahren möglich sei, treten auch hier entscheidende Nachteile gegenüber dem Knickbauchen auf. Aus Vorversuchen für einen führenden Hersteller von Lenkgetrieben hat sich ergeben, dass die von einer Knickbauchverbindung übertragbaren Axialkräfte erheblich größer sind als die einer gebördelten Verbindung. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus den deutlich kürzeren Prozesszeiten, so der Bericht des Forschungsprojektes.

Auch Gestamp Umformtechnik hat sich bereits mit dem Fügen durch Knickbauchen auseinandergesetzt. “Aktuell wird das Verfahren bei Gestamp Umformtechnik nicht eingesetzt”, berichtet Hans-Hermann Meyer, Bereichsleiter Zusammenbau. Zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Serie an einem Längslenker für PKWs lagen zum Verfahren des Knickbauchens zu wenig Informationen vor. “Eine schnelle Umsetzung war nicht möglich”, erinnert sich Meyer. Mittels aufwändiger experimenteller Vorgehensweise wurden dennoch Prototypen gebaut, die dann auch alle erforderlichen Tests in Bezug auf Korrosion, Knickung und Dauerfestigkeit bestanden hatten. Das betreffende Bauteil lief bei Gestamp als Schweißmontage jedoch bereits in Serie. “Es hätte sich also um einen sogenannten ‚running change‘ gehandelt und die Methodenentwicklung für die Serie wäre sehr aufwändig und kostenintensiv gewesen”, erläutert Meyer. Aufgrund der geringen Restlaufzeit und den vielen offenen Fragen wurde zum damaligen Zeitpunkt von einer Umsetzung abgesehen. Grundsätzlich sah Gestamp in dem Verfahren jedoch erhebliches Potenzial.

Wie Produktion erfuhr, nutzt ein großer Automobilzulieferer das Knickbauchen bereits längere Zeit in Serie. Das Unternehmen teilte Produktion gegenüber mit, dass das Knickbauchen derzeit für eine weitere Anwendung zur Umformung hochfester, dünner Rohre getestet werde. Auslöser dafür seien die Leichtbauanforderungen der Autohersteller.

Vorteile

Meyer von Gestamp Umformtechnik erklärt: “Knickbauchen kann, insbesondere wenn Schweißprozesse ersetzt werden können, zu großen Einsparungen führen.” Es müsse jedoch immer der jeweilige Einzelfall genau untersucht werden. “Wenn weitere Schweißoperationen am selben Bauteil beziehungsweise derselben Baugruppe durchgeführt werden, kann es sein, dass kein Vorteil entsteht, da sich dann das zusätzliche Investment nicht rentiert”, weiß Meyer.

Umformtechnische Fügeverfahren – wie das Knickbauchen – weisen im Vergleich mit den thermischen Fügeverfahren zahlreiche grundlegende Vorteile auf. “So können unterschiedlichste Werkstoffe miteinander verbunden und durch Vermeidung von Wärmeeinbringung unerwünschte Materialeigenschaftsänderungen und Verzug verhindert werden”, berichtet Dr. Philip Grützner. Diese Vorteile träten bei großen Stückzahlen häufig umso deutlicher in Erscheinung, sowohl technologisch als auch wirtschaftlich. Das Fügen höher- und höchstfester Stähle zum Bespiel sei mit Hilfe konventioneller Schmelzschweißverfahren nur unter Inkaufnahme von Festigkeitsverlusten sowie erhöhter Verzugsneigung und Rissanfälligkeit möglich.

Darüber hinaus könnten in der Regel sowohl die erreichbaren Taktzeiten, als auch der Energiebedarf gegenüber dem Schweißen reduziert werden, erklärt Grützner. Die Herstellung von Mischverbindungen, die vor allem bei Leichtbaustrukturen immer häufiger zur Anwendung kommen, seien unter Beachtung der hierbei erforderlichen Maßnahmen gegen Korrosion problemlos möglich.
Vorteile ergeben sich auch im Hinblick auf die Oberflächentechnik.

“Während thermische Fügeverfahren die Verarbeitung beschichteter Werkstoffe entweder gar nicht oder nur mit einem erheblichen Vor- und Nachbereitungsaufwand zulassen, ist dies bei entsprechender Umformfähigkeit der Beschichtungen mittels mechanischer Fügeverfahren problemlos möglich”, sagt Grützner. Bei der Verarbeitung nichtrostender Stähle entfalle zudem eine zeit- und kostenintensive Oberflächen-Nachbearbeitung.

Nachteile

“Gegenüber thermischen Fügeverfahren ergeben sich beim Knickbauchen in erster Linie aufgrund einer eingeschränkten Flexibilität Nachteile”, berichtet Grützner. Besonders bei geringen Stückzahlen sei ein Einsatz aufgrund des höheren Vorbereitungsaufwandes und der erforderlichen Werkzeuge und Maschinen in der Regel nicht wirtschaftlich. “Auch hinsichtlich geometrischer Freiheitsgrade und Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich bislang Nachteile gegenüber gängigen thermischen Verfahren, wie zum Beispiel dem MAG-Schweißen”, fügt Grützner hinzu. Allerdings könnten mit gängigen mechanischen Fügeverfahren Rohre oder Profile nicht wirtschaftlich mit Blechen verbunden werden. Das ist per Knickbauchen möglich.

Herausforderungen

Wie Grützner berichtet, ist der Bekanntheitsgrad des Verfahrens noch relativ gering. Ein Einsatz scheitere bei geeigneten Anwendungen oft bereits daran. Weiterhin würden die Risiken aufgrund des geringen öffentlich zugänglichen Wissensstandes sowohl in der Konstruktion als auch in der Fertigung als schwer kalkulierbar eingeschätzt. “Im Zweifelsfall wird dann lieber auf alt bekannte Verfahren wie Schweißen zurückgegriffen”, sagt Grützner. Hinsichtlich der Verbindungsfestigkeiten seien in den meisten Fällen individuelle Bauteilprüfungen erforderlich, was jedoch bei kritischen Belastungen auch bei anderen Fügetechnologien der Fall ist.

Susanne Nördinger

 

 

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