Durch die digitale Entwicklung sowie digitale Fertigung ist die moderne Elektroauto-Produktion möglich. So wie bei der Herstellung des Elektrofahrzeugs eGO. Dazu erklärt Bastian Lüdtke, Fertigungsleiter bei der e.GO Mobile AG:

"Wir versuchen durch die Vernetzung von Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung und Produktion eine bessere Durchgängigkeit zu erreichen. Dadurch arbeiten wir in den gleichen Versionen und vermeiden Datenredundanzen. Die Produktionsplanung arbeitet beispielsweise immer auf dem gleichen Stand wie die Entwicklung. Somit ist die Produktionsplanung auch über Revisionen, die zwar noch nicht freigegeben sind, schon im Bilde und kann sich angucken, ob dies Auswirkungen haben könnte, um gegebenenfalls frühzeitig mit Lieferanten im Hinblick auf Anlagen und Hilfsmittel Auswirkungen zu besprechen. So sind wir schlichtweg schneller und vermeiden Fehler und unnötige Arbeiten."

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Update: Nach Insolvenz - eGo nimmt Produktion wieder auf

Die Next.e.GO Mobile SE wird im ersten Quartal 2021 die Produktion in seinem Stammwerk wieder aufnehmen. Denn durch den Einstieg des niederländischen Investors ND Group und mit der erfolgreichen Übernahme des Betriebsvermögens und den notwendigen Anlagen des Vorgängerunternehmens, der e.GO Mobile AG, konnte das Aachener Mobilitätsstartup im September 2020 vor der Insolvenz gerettet werden. Darüber hinaus hat sich die Next.e.GO Mobile SE erfolgreich für einen CO2-Pool mit einem großen OEM zusammengeschlossen und damit eine wichtige Einnahmequelle für sich als Elektroautohersteller gesichert.

 

Im internationalen Umfeld haben Next.e.GO Mobile SE und Enterprise Greece, der Investitions- und Handelsarm des griechischen Staates, diese Woche eine Absichtserklärung zur Gründung eines Joint Ventures in Griechenland abgeschlossen. Die Vereinbarung dient dazu, einen ersten internationalen Produktionsstandort außerhalb Deutschlands für die e.GO Life Plattform zu etablieren.

Aachener Modell: Modernste Herstellung mittels 5G

Auch beim Thema Datenkommunikation ist man beim Aachener Hersteller vorne dabei, wie Lüdtke erklärt: "Wir haben ein klassisches WLAN-Funknetz und ein 5G-Netz. Die beiden Netze sind bei uns aktuell redundant, wir nutzen in Teilen das 5G-Netz, um unsere Transportsysteme zu steuern. Es ist zwar im Life-Betrieb eingesetzt, aber wir haben immer noch die Absicherung über WLAN, weil das 5G-Netz für uns auch noch ein Versuchsfeld ist. Wir haben durch 5G Vorteile wie eine höhere Bandbreite, mehr Datendurchsatz, wir sind genauer und es ist leichter, mehrere Geräte anzubinden."

Auch die Anzahl der einsetzbaren Geräte sei deutlich größer als im WLAN. "Wir wollen über 5G auch Werkzeuge anbinden wie EC-Schrauber (elektronische Verschraubwerkzeuge). Des Weiteren ermöglicht 5G eine Echtzeitfähigkeit, das heißt ich kann auch darüber Sicherheitsfunktionen, die ich aktuell hardwaremäßig verdrahte, über das 5G-Netz laufen lassen. Das ist noch nicht im Livebetrieb, aber das versprechen wir uns davon", sagt Lüdtke.

Unterschiede bei der Herstellung von Verbrennern und E-Autos

Doch wo liegen die markantesten Unterschiede in der Produktion zwischen herkömmlichem Auto und Elektrofahrzeug? "Ich habe natürlich weniger Komponenten, keinen Abgaskanal, kein klassisches Getriebe, der Elektromotor ist einfacher als der Verbrennungsmotor, das macht es natürlich einfacher. Von der Montage selbst aus betrachtet macht es keinen Unterschied, ob ich nun einen Akku oder einen Abgaskanal einbaue, vom Teileumfang ist es aber etwas anderes. Durch die Batterie kommen dagegen andere Themen wie die Hochvoltthematik auf", weiß Lüdtke zu berichten.

Elektrofahrzeug mit vielen Komponenten aus eigener Herstellung

Zahlreiche Teile produziert das Unternehmen selbst. Dazu Lüdtke: "Im Werk 1 haben wir die Endmontage. Wir bekommen das Grundgestell, den Body Frame, es ist also keine selbsttragende Karosserie, vom Werk 2 geliefert, das nur 150 Meter entfernt ist. Dort wird das Aluminiumrundgestell geschweißt, die Dachstruktur ist eine Zulieferkomponente, diese wird bei uns zusammengebaut. Dann gibt es noch Geräteträger. Das Besondere an unserem Elektrofahrzeug ist, dass wir keine selbsttragende Karosserie haben sondern im Prinzip ein Grundgestell, das wir sozusagen mit einer Außenhaut verkleiden. Es handelt sich eben um eine Kleinserie und deswegen haben wir auch ein paar angepasste Prozesse.

Elektromobilität in kleiner Serie

Die Dauer ein Modell des E-Autos zu montieren ist bei einer Kleinserie natürlich nicht mit Volkswagen oder BMW zu vergleichen. "Aktuell fertigen wir zehn bis zwölf Elektrofahrzeuge am Tag. Wir wollen eine Taktzeit von zehn Minuten erreichen – zum Vergleich: beim Golf bei VW ist es eine Minute – und wir wollen einen Output von 10 000 Fahrzeugen über eine Schicht pro Jahr erreichen."

Herstellung der Elektroautos ohne Band

Die Elektroautos werden auch nicht am Band gefertigt, sondern per AGV von SEW von Station zu Station transportiert. "Der Body bleibt während der Montage auf dem AGV, das den Body von Station zu Station bringt. Das AGV hat auch eine Hubfunktion, um ergonomischeres Arbeiten zu ermöglichen. Das ist im Prinzip unser Transportassistent. Wir haben ja am Anfang die Taufe, da verbinden wir den Body mit dem Transportgestell und dann läuft es vom Werker gesteuert von Station zu Station", erzählt Lüdtke.

Komme der Body zu einer Station, erscheine auf dem Monitor der Fertigungsauftrag, darüber arbeite der Werker den Auftrag ab. Der Werker bekomme Bilder von der Montageplanung dort bereitgestellt und es unterstütze die prozessualen Absicherungen – beispielsweise Schrauben mit einem bestimmten Drehmoment anzuziehen.

"Auch das wird über das Werker-Cockpit gesteuert, der Werker meldet zurück, wenn es Probleme gibt, genauso, wenn er etwas beziehungsweise alle Prozesse erfolgreich abgearbeitet hat, schickt er das AGV zur nächsten Station", berichtet Lüdtke. Die Bilder im Werker-Cockpit werden von der Montageplanung bereitgestellt, sie basieren auf den Konstruktionsdaten.

Hersteller des E-Autos kommt (fast) ohne Roboter aus

Die Fertigung des Fahrzeugs ist zwar sehr modern, Roboter gibt es hingegen nicht und alles wird von Hand montiert - bisher.

"Roboter kommen beim Schweißen aus Gründen der Prozesssicherheit zum Einsatz. Über den Jahreswechsel werden wir beim Scheiben einkleben die Kleberaupe über einen Roboter auftragen lassen. In der Endmontage sind wir aktuell noch sehr Mitarbeiter orientiert aufgestellt. Das ermöglicht uns im Anlaufprozess eine sehr hohe Flexibilität. Aber auch beim klassischen Autobau kommen in der Endmontage auch immer noch sehr viele Werker zum Einsatz, eben weil die menschliche Hand sehr flexibel ist", sagt Lüdtke.

Werk für erstes Elektroauto aus Aachen auf dem Greenfield

Das Werk in Aachen konnte auf dem Greenfield errichtet werden, was dem Optimalfall entspricht. Doch ab wann endet dieser Optimalfall?

Lüdtke erläutert dazu: "Für uns ist das der Optimalfall, auch unter dem Aspekt, das wir mittelfristig andere Varianten planen und dadurch die Linie flexibel abändern können. Wenn ich natürlich höhere Stückzahlen habe, dann würde ich wahrscheinlich auch wieder ein klassisches Förderband nehmen – so wie beim Golf mit sechsstelligen Fahrzeugzahlen. Dann würde ich vom Fahrzeugtyp wahrscheinlich auch wieder die selbsttragende Karosserie nehmen, wo ich Presswerkzeuge und dann eine Lackierung habe."

Das lohne sich aber nicht für kleine Stückzahlen. Für die Stückzahlen des eGO sei es aber der richtige Weg, die fertige Außenhaut anzubringen. Wegen der vergleichsweise langen Taktzeit von zehn Minuten benötige es an den Stationen auch Monitore mit bebilderten Anleitungen, da es mehrere Arbeitsprozesse gebe – anders als bei einer einminütigen Taktzeit.

Produktion der Elektroautos anders als bei herkömmlichen Fahrzeugen

Die Fertigung eines reinen Elektroautos ist natürlich anders als die eines Autos mit Verbrennungsmotor. Doch was wird vor Ort gefertigt, was kommt von Zulieferern?

"Wir haben keine spanende Bearbeitung. Wir bekommen die Einzelkomponenten und teilweise Baugruppen fertig angeliefert – sowohl, was den Body anbelangt als auch unsere Montageteile. Beispielsweise das Batteriesystem: Das haben wir mit mehreren Partnern zusammen entwickelt. Einer der Partner übernimmt auch die Montage der Batterie. Für die Montage ist die Batterie selbst nur ein viereckiger Block, den wir mit Schrauben montieren. Der E-Motor kommt von Bosch", sagt der Autobauer.

Teilweise andere Zuliefererstruktur für eigenes Elektroauto

Bei weiteren Zulieferteilen handele es sich um Sitze, Scheinwerfer, Steuergeräte, Außenhaut, Teppich, Dachhimmel, Scheiben, Fensterheber und dergleichen. "Das sind ganz normale Zulieferer der Autoindustrie. Wir haben klassische Zulieferer wie Bosch oder ZF, die auch Volkswagen beliefern. Dann haben wir klassische Tier2-Zulieferer, die in diesem Fall direkt an uns liefern und somit engere Partner sind. Wir haben auch lokale Firmen, die einzelne Komponenten herstellen, die noch nicht im Automotivebereich aktiv waren, die mit uns in diesen Bereich hineinwachsen", stellt Lüdtke dar.

Dr. Bastian Lüdtke, Fertigungsleiter bei der e.GO Mobile AG, Aachen

Lüdtke hat an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Produktionstechnik studiert, hat dann im Bereich Produktionssystematik promoviert. Während der Promotion hatte er verschiedene Beratungsprojekte in der Automobilindustrie, kennt die Branche und hat direkt bei e.GO angefangen.

Neue Herausforderungen durch Elektromobilität

Nun stellt sich die Frage, ob der Elektroautobauer eher eine Produktions-Komplexität oder eher eine SCM-Komplexität zu bewältigen habe. Dazu meint Lüdtke: "Wenn die Produktionsprozesse einmal eingeübt sind, dann ist Automobilbau stark eine Orchestrierung der Lieferkette und der Zulieferkomponenten."

Doch Aachen ist jetzt keine klassische Automobilstadt. Das könne natürlich Nachteile bezüglich der Lieferketten oder Mitarbeiter haben. Dazu verdeutlicht Lüdtke: "Für mich als Verantwortlicher für die Montage heißt das, dass ich das richtige Personal finden muss. Da habe ich natürlich nicht die Möglichkeiten wie beispielsweise in Stuttgart. Ich muss das Personal zuerst anlernen. Da haben wir Kfz-Gesellen, denen wir zeigen, was Automobilproduktion in Serie heißt. Viele von denen kommen ja aus Werkstätten und sonstigen Branchentätigkeiten."

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Keine Auto-Stadt, aber viel Motivation für Elektroautos

Dass Aachen keine Automobilstadt sei, habe aber auch den Vorteil, dass der ein oder andere sich darauf einlasse, noch motivierter sei und aus anderen Bereichen Erfahrungen mitbringe. Lüdtke weiter: "Das Mitarbeiterthema war vorgelagert, jetzt ist es unsere Aufgabe mit steigender Stückzahl die Lieferanten in der Qualität halten zu müssen und dass sie zum richtigen Zeitpunkt liefern."

Produktion der E-Autos noch unproblematisch

Steigt die Produktion der Elektro-Autos in Aachen weiter, kommt das Werk irgendwann an seine Grenzen. Lüdtke kennt dazu eine Lösung: "Die Kapazität für eine Schicht ist auf 10000 Stück pro Jahr ausgelegt. Bei drei Schichten dementsprechend mehr. Dann wäre die Kapazitätsgrenze erreicht. Auf dem Gelände können wir uns auch noch etwas ausdehnen. Bei größeren Stückzahlen gäbe es um Aachen herum auch noch Flächen. Ob das dann hier passieren wird, ist eine andere Frage. Es könnte ja auch ein identisches Werk beispielsweise in Spanien gebaut werden."

Die Elektromobilität ist demnach weiter auf dem Vormarsch, dazu benötigt es nicht ausschließlich Tesla, Nissan Leaf oder Renault ZOE. Denn auch etablierte deutsche Autobauer wie der Volkswagen-Konzern, Daimler oder BMW sind mittlerweile auf dem Vormarsch bei der Autoproduktion von E-Fahrzeugen.

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