Audi Cobot Greifer

In der Endmontage im Audi-Werk Ingolstadt unterstützt ein kollaborierender Roboter beim präzisen Auftragen eines mehr als 5 m langen Klebstoffstranges auf CFK-Dächern für das RS 5 Coupé. Sensoren im Roboterarm erkennen die Berührung durch einen Menschen. - (Bild: Audi)

Lange Zeit waren Werkzeuge wie Greifer für kollaborierende Roboter, die ohne Schutzzaun direkt mit Menschen zusammenarbeiten, Mangelware. Denn auch die Greifer für Cobots müssen den strengen Regelungen der technischen Spezifikation ISO/TS15066 genügen. „Das Werkzeug ist Teil des Robotersystems“, erläutert Dr. Matthias Umbreit aus der BGMH-Hauptabteilung Sicherheit und Gesundheit.

Runde Kanten für weniger Verletzungsgefahr

Die in ISO TS 15066 hinterlegten Grenzwerte zum Beispiel für ungeplante Kollisionen mit dem Menschen gelten somit auch für das Werkzeug. Mitunter sei es erforderlich, dass im Roboterwerkzeug zusätzliche elastische Elemente untergebracht werden. „Das ist meist der Fall, wenn der Roboterarm bei einer Sicherheitsabschaltung einen zu großen Nachlauf hat“, sagt Umbreit. Ein solcher Nachlauf könne zum Beispiel mit federnd gelagerten Greiferelementen kompensiert werden.

Aber auch die Form von Manipulatoren, die an Cobots arbeiten, ist vorgeschrieben. „Der Greifer darf nur stark abgerundete Kanten besitzen und die Greifkraft ist stark reduziert und muss durch sichere Technik überwacht werden“, berichtet Prof. Konrad Wöllhaf von der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Die abgerundeten Kanten geben dem Roboter-Werkzeug Wöllhafs Ansicht nach eine klobige Form und reduzieren stark den kollisionsfreien Spielraum zum Greifen.

„Durch scharfe Konturen in den Greifbacken, was nicht zulässig ist, könnte die Greifkraft wesentlich reduziert werden“, erklärt Wöllhaf das Dilemma. Die deutlich reduzierte Greifkraft mache zusätzlich das sichere Greifen schwierig. Die Einschränkungen eines solchen Manipulators müsse man sich so vorstellen, als würde man mit groben Fausthandschuhen versuchen, einen Knopf anzunähen.

Cobot-Greifer müssen der TS15066 genügen

Dennoch ist es Greiferherstellern gelungen, ein für Cobots und die Industrie geeignetes Standard-Produkt auf den Markt zu bringen. „Grundsätzlich muss die Norm TS15066 für die zulässigen Kräfte und den erlaubten Druck im Kollisionsfall eingehalten werden“, bestätigt auch Thomas Schraml, Fachexperte für Mensch-Roboter-Kollaboration aus der Abteilung Technologieentwicklung Fertigungsassistenzsysteme bei Audi, die Anforderungen an Cobot-Greifer.

Da der Manipulator auch mit dem Mitarbeiter in Berührung kommen kann, ist es laut Schraml wichtig, dass er frei von scharfen Kanten und Ecken ist. Des Weiteren müsse sichergestellt sein, dass auch die Schließkräfte, die bei einem Klemmgreifer auftreten können, sicher überwacht und entsprechend den Normvorgaben eingehalten werden.

Diese Regeln gelten für Greifer an Cobots

Cobot BMW Dingolfing
MRK-Anwendungsfall Achsgetriebemontage im BMW Group Werk Dingolfing. - (Bild: BMW)

Dr. Matthias Umbreit aus der BGHM-Hauptabteilung Sicherheit und Gesundheit erklärt: „Grundsätzlich sind Roboterwerkzeuge, wie zum Beispiel Greifer, Bestandteil des Robotersystems und unterliegen somit EN ISO 10218-1 und EN ISO 10218-2. In der Praxis wird dabei oft übersehen, dass die Steuerungsanforderungen auch für das Werkzeug gelten. Kommt etwa eine zusätzliche Sensorik am Werkzeug zur Personensicherheit zum Einsatz, unterliegt sie denselben Anforderungen.

Auch die Kombination der Greiferposition mit den in anspruchsvollen Robotersystemen hinterlegten, sichereren Lageinformationen des Roboters eröffnet viele Möglichkeiten. So beispielsweise die Freigabe größerer Kräfte, wenn aufgrund der Nähe zum Bauteil kein Einklemmen von Körperteilen mehr möglich ist.

Des Weiteren muss das Robotersystem nach EN ISO 10218-1 und EN ISO 10218-2 die Möglichkeit zum selbstständigen Befreien bieten. Beispielsweise, wenn das Robotersystem nach einer Sicherheitsabschaltung in einer für den Bediener ungünstigen Stellung verbleibt. Diese Forderung muss selbstverständlich das Greifersystem einschließen.“

Darüber hinaus müsse auch im Falle eines Fehlers, etwa Nothalt, Stromausfall, Druckluft-Abfall, sichergestellt sein, dass keine Gefahr von Werkzeug beziehungsweise Bauteil ausgeht. „Im Idealfall erkennen zukünftige Greifer eine Gefährdung bereits, bevor es zu einem Kontakt mit einem Menschen kommt“, sagt Schraml. Mit einer sicheren berührungslosen Sensorik könnten dann auch Gefährdungen, die möglicherweise von gegriffenen Bauteilen oder Werkzeuge ausgehen, vermieden werden, sagt der Experte für kollaborative Roboter.

Klebstoff besser auftragen mit dem Cobot

Bei Audi arbeiten Cobots in unterschiedlichsten Applikationen. So unterstützt beispielsweise ein Cobot die Mitarbeiter in der Endmontage des RS 5 Coupés beim präzisen Auftragen eines mehr als 5 Meter langen Klebstoffstranges auf CFK-Dächer. „Um eine mögliche Klemmung beim Aufsetzen der Auftragsdüse auf dem Bauteil zu vermeiden, überwacht der Mitarbeiter diesen Schritt“, berichtet Schraml. Er alleine erteilt über eine Zweihandschaltung die Freigabe für diese Bewegung und kann sie jederzeit stoppen. Beim anschließenden Klebstoffauftrag, wenn keine Hand mehr eingeklemmt werden kann, übernimmt der Roboter die Verantwortung. Sensoren im Roboterarm erkennen dann die Berührung eines Menschen und halten die Bewegung im Gefährdungsfall automatisch an.

Auch BMW hat Cobots im Einsatz. „Bei der Anwendung eines Greifers in der Mensch-Roboter-Kollaboration wird dieser zu einem Teil des Gesamtsystems, die Anforderungen an den Greifer sind daher im Wesentlichen die gleichen wie an den Roboter selbst“, erläutert Ralf Schönherr, Leiter des Clusters ‚Innovative Automation‘ bei dem Münchner Autobauer. Beispielsweise müssten Greifer so gestaltet sein, dass Ecken und Kanten abgerundet sind.

Greiffinger dimensioniert man bei BMW so, dass bei einem eventuellen Kontakt mit den Mitarbeitern hohe Punktbelastungen ausgeschlossen sind. Um Fangstellen durch Leitungen auszuschließen, seien Versorgungsanschlüsse immer innenliegend angebracht. „Nicht nur der Roboter, auch der Greifer muss einen unbeabsichtigten Kontakt mit dem Menschen wahrnehmen und dann umgehend zum Stillstand kommen“, sagt Schönherr.

Ralf Schönherr BMW

"Auch der Greifer muss einen unbeabsichtigten Kontakt mit dem Menschen wahrnehmen und dann umgehend zum Stillstand kommen." - Ralf Schönherr, Leiter des Clusters Innovative Automation bei der BMW Group.

Aus technischer Sicht eignen sich dem Automations-Experten zufolge häufig runde oder zylindrische Formen, da darüber eventuelle Flächenkräfte bestmöglich verteilt werden können. „Das Bauteil umschließende Greifergeometrien helfen uns in einigen Anwendungen, sogar scharfkantige Teile zu handeln“, verrät Schönherr.

Thomas Schraml Audi

"Im Idealfall erkennen zukünftige Greifer eine Gefährdung bereits, bevor es zu einem Kontakt mit einem Menschen kommt." - Thomas Schraml, Fachexperte für Mensch-Roboter-Kollaboration in der Abteilung Technologieentwicklung Fertigungsassistenzsysteme bei Audi.

Runde oder zylindrische Formen für Cobot-Greifer geeignet

Beim Cobot-Anwendungsfall Achsgetriebemontage Werk Dingolfing hat BMW den Greifer bestmöglich ins Gesamtsystem integriert. „Die runde Form des Greifers reduziert eventuelle Gefahren beim Zusammenstoß mit dem Mitarbeiter und ist zugleich optimaler Einklemmschutz – selbst wenn ein Mitarbeiter versehentlich direkt in den Arbeitsbereich des Greifers fassen sollte“, erläutert Schönherr. Regelbare Greifkraft und Kraftsensorik seien wichtige Parameter zur Feinjustierung. Der Manipulator selbst bringe eine Grundflexibilität mit und könne unterschiedlich schwere Teile handeln. Besonders effizient ist laut Schönherr der Einsatz additiver Fertigungstechnologien für Herstellung und Instandhaltung des Greifers.

5 Beispiele für Cobot-Greifer:

On Robot RG6
Den Greifer RG6 eignet sich für kollaborative Roboter und kann auch als Dualgreifer montiert werden. - (Bild: On Robot)

Beispiel1: On Robot - Der RG6 ist eine größere und stärkere Version des Greifers RG2 von On Robot: Er besitzt laut Hersteller eine größere Nutzlast als alle vergleichbaren kollaborierenden 2-Finger-Greifer, die gegenwärtig auf dem Markt für die Industrie erhältlich sind: Mit einer höheren anpassbaren Kraft (25 N bis 120 N) kann er dreimal schwerere Lasten bewegen (6–8 kg). Außerdem verfügt er über einen längeren Hubweg (160 mm). Wie alle On Robot-Greifer ist der RG6 mit Robotern von Universal Robots kompatibel. Der Greifer ist laut On Robot genauso benutzerfreundlich einfach zu montieren und sicher wie der RG2. Zudem kommt er ohne externe Verkabelung aus und verfügt über ein Endgelenk mit unendlicher Rotation.

Schmalz ECBPi
Mit dem ECBPi bietet Schmalz einen elektrischen Vakuum-Greifer, der sich auch für Cobots eignet. - (Bild: Schmalz)

Beispiel 2: Schmalz - Mit dem elektrischen Vakuum-Erzeuger ECBPi hat Schmalz einen intelligenten und druckluftunabhängigen Vakuum-Erzeuger entwickelt. Der ECBPi besitzt eine integrierte Schnittstelle zur Greifer- und Roboteranbindung und eignet sich insbesondere für den Einsatz an Leichtbaurobotern in der mobilen Robotik, aber auch für stationäre Handhabungsaufgaben. Er verfügt über eine integrierte Drehzahlregelung, die die Leistung der Pumpe je nach Prozess oder Werkstück reguliert: Viel Saugleistung und damit Energie ist erforderlich, wenn poröse Werkstücke wie Kartonagen bewegt werden. Saugdichte Materialien hingegen kommen mit weniger Leistung aus, der Anwender kann die Drehzahl nach unten regeln.

Schunk Co-act Greifer
Der greifer Co-act von Schunk ist für Cobots konzipiert. - (Bild: Schunk)

Beispiel 3: Schunk - Mit dem Co-act Greifer EGP-C bietet Schunk einen inhärent sicheren Industriegreifer, der von der DGUV für den kollaborierenden Betrieb zertifiziert und zugelassen ist. Der mit einer Kollisionsschutzhülle umhauste 2-Finger-Parallelgreifer deckt ein breites Einsatzspektrum ab – von der Kleinteilemontage in der Elektronikindustrie bis zu Montageanwendungen im Automotive-Sektor. Bei Schunk wird er bereits prototypisch an einem MRK-Arbeitsplatz in der Greifermontage eingesetzt. Der Greifer erfüllt die Anforderungen der ISO/TS 15066 und ist so konstruiert, dass er einen Menschen nicht verletzten kann. Eine sichere Strombegrenzung gewährleistet, dass die Anforderungen für kollaborierende Anwendungen erfüllt werden.

Weiss Robotics CRG 30 Greifer Cobot
Speziell für kollaborative Roboter wurde auch der Greifer CRG 30 entwickelt. - (Bild: Weiss Robotics)

Beispiel 4: Weiss Robotics - Der CRG 30 von Weiss Robotics wurde speziell für das Miteinander von Mensch und Roboter entwickelt. Abgerundete Kanten und eine sicher begrenzte Greifkraft machen den Greifer zu einem flexiblen Werkzeug für kollaborative Roboter. Der Greifer erfüllt laut Hersteller standardmäßig die DGUV-Empfehlungen für kollaborative Robotersysteme sowie die Anforderungen der Norm ISO/TS 15066 und vereinfacht damit die obligatorische Risikobeurteilung der Anlage in kollaborativen Roboteranwendungen. Die integrierte Greifteil­erkennung ermöglicht eine zuverlässige Handhabung komplexer Werkstücke auch in schwierigen Situationen. Durch den präzisen servoelektrischen Antrieb können die Greiffinger flexibel vorpositioniert werden.

GEH6060IL Zimmer Greifer Cobot
Der Cobot-Greifer von Zimmer bietet eine integrierte Safety-Torque-off-Funktion. - (Bild: Zimmer)

Beispiel 5: Zimmer - Die Greiferserie GEH6060IL von Zimmer wurde nach BG/DGUV-Empfehlungen konstruiert und erfüllt auch die aktuellen Vorgaben, die in der technischen Spezifikation ISO/TS15066 zusammengefasst wurden. Die Greifer weisen keine scharfen Kanten auf und sind so konstruiert, dass bei ihrer allseitig abgerundeten Form ein versehentliches Hängenbleiben praktisch ausgeschlossen ist. Damit es nicht zu Quetschverletzungen kommen kann, ist in den Zwischenbacken eine mechanische Greifkraftbegrenzung integriert. Diese Funktionalität in Verbindung mit einer integrierten Safety-Torque-off-Funktion bietet laut Hersteller maximale Sicherheit in jeder Anwendung.

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