Künstliche Intelligenz in Form eines hunanoiden Roboters bewegt Pakete zu einem Lieferfahrzeug.

Künstliche Intelligenz wird die Logistik in eine Silicon Economy verändern. Unmengen an Daten gilt es dabei zu überblicken, 5G ist dazu ein Schlüssel. - (Bild: Alexander Limbach - Adobe Stock)

Was sich hinter dem Begriff ‚Silicon Economy‘ verbirgt, erklärt Michael ten Hompel, Institutsleiter des Fraunhofer IML in Dortmund: „Das ist nichts anderes als die Notwendigkeit, alles zusammenzuführen. Die Silicon Economy ist die Daten- und Plattformökonomie, in der Menschen, Unternehmen, autonome Fahrzeuge und IoT-Devices miteinander interagieren“, erläutert ten Hompel.

Immer mehr Künstliche Intelligenz in der Logistik

Die Zukunft von Silicon Economy und Intralogistik sieht laut ten Hompel wie folgt aus: „Schwärme autonomer Fahrzeuge organisieren sich in Zukunft in unseren Distributionszentren selbst und ersetzen weite Teile der normalen Fördertechnik, so wie wir sie heute kennen.“ Das werde nicht nur im Warehouse stattfinden, sondern auch in Flughäfen und vielen anderen Bereichen. „Die Fahrzeuge der Schwärme sind mittels 3D gedruckt, sie sind mit KI-Algorithmen versehen, die ein schlupffreies Fahren und ein genaues Lokalisieren ermöglichen“, ergänzt der geschäftsführende Institutsleiter.

B2B-Plattformen sind Treiber der Logistik

Dann gebe es durch Blockchain und offene, digitale Plattformen vor allem durch 5G einen disruptiven Wandel, denn das stelle die heutigen Netzwerke auf den Kopf. „Von auf den Kopf stellen kann man fast gar nicht mehr sprechen, denn es gibt kein oben und kein unten mehr“, verdeutlicht ten Hompel dazu und „daraufhin stellt sich sofort die Frage, wie wir dies alles sicher vernetzen. Das beinhaltet die Notwendigkeit, einen sicheren Datenraum zu schaffen, auch für die Souveränität der Daten.“ Denn die Souveränität über die Daten müsse behalten werden. Das sei das Gebot der Stunde.

"Ich versichere, dass sich kein Unternehmen mehr alleine durchsetzen können wird, das halte ich in der Silicon Economy für ausgeschlossen", sagt Michael ten Hompel, Fraunhofer IML, Dortmund.

"Ich versichere, dass sich kein Unternehmen mehr alleine durchsetzen können wird, das halte ich in der Silicon Economy für ausgeschlossen", sagt Michael ten Hompel, Fraunhofer IML, Dortmund. - Bild: BVL/Kai Bublitz

Ohne KI kein Materialfluss mehr

„Unser Ziel kann nur sein, die Souveränität über unsere Prozesse und unsere Daten zu behalten und die Interoperabilität zu gewährleisten. Kooperationen und offene Ökosysteme – damit meine ich auch wirklich Open ­Source. Also die Basis des Ökosystems, in dem wir die Algorithmen Künstlicher Intelligenz in der Silicon Economy zukünftig halbieren wollen, die sollte offen sein, dass jeder teilnehmen kann“, betont ten Hompel.  

Neue Geschäftsmodelle durch Innovationen künstlicher Intelligenz

Denn es könne nicht mehr lange gutgehen, in Silos zu denken und sich einzumotten – man brauche offene Netzwerke. Offen bedeute an dieser Stelle, ganz niedrige Eintrittsschwellen zu haben. Darauf sollten dann die Plattformen der neuen Geschäftsmodelle aufsetzen. Das müsse nachhaltig geschehen, denn es setzten sich keine anderen Geschäftsmodelle durch. Laut dem Leiter des Fraunhofer IML gibt es dafür nachfolgende Erfolgsfaktoren: „Die Plattformökonomie, plattformbasierte offene Vernetzung der bestehenden Systemlandschaft und die Entwicklung neuer Systemlandschaften und dann Open-Source-Standards zu generieren.“

Die Vision: Smart Logistics, Software und IT führen zu offenen Systemen

Kooperationen und Competition seien unabdingbar. „Dabei wird auch die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Logistikbranche – auch zwischen Marktbegleitern – notwendig sein. Ich versichere, es wird sich keiner mehr alleine durchsetzen können – das halte ich in der Silicon Economy für ausgeschlossen. Wir müssen uns zusammenschließen und gemeinsam offene Systeme schaffen“, beteuert der Leiter des Fraunhofer Instituts.

"Durch die Digitalisierung wird das Unvorstellbare möglich: Der Container bekommt Konkurrenz", sagt Angela Titzrath, Hamburger Hafen und Logistik.

"Durch die Digitalisierung wird das Unvorstellbare möglich: Der Container bekommt Konkurrenz", sagt
Angela Titzrath, Hamburger Hafen und Logistik. - Bild: BVL/Kai Bublitz

Künstliche Intelligenz in der Logistik verändert die Supply Chain

Angela Titzrath, Vorsitzende des Vorstands der Hamburger Hafen und Logistik AG (HALA), äußert sich über die Umsetzung digitaler Projekte: „Die Digitalisierung verändert auch das Handeln und Produzieren. So wie Amazon dem Einzelhandel zu schaffen macht, Netflix den TV-Stationen oder Facebook den Printmedien – so wird auch die Logistik tiefgreifend verändert.“
Es gebe erste Ansätze, wie Lieferketten per Blockchain zu beschleunigen, autonomes Fahren und 3D-Druck stünden vor dem industriellen Durchbruch. „In einigen Jahren werden Waren vielleicht auf automatisch gesteuerten Schiffen über die Meere transportiert oder als Daten über Glasfasernetze direkt zum Zielort übermittelt, wo sie dann ausgedruckt werden“, beschreibt Titzrath. Damit einher gehe eine erhebliche Verschiebung der Wertschöpfungskette. „Durch die Digitalisierung wird das Unvorstellbare möglich: Der Container bekommt Konkurrenz“, prognostiziert Titzrath.

Zukunft von Containerterminals offen

Denke man an 3D-Druck, dann stelle sich die Frage, welche Zukunft Containerterminals in der Ausstattung hätten. „Benötigen wir in der Zukunft vielleicht weniger Containerschiffe für Fertigprodukte, aber dafür mehr Schüttgutcontainer, die Materialien für den 3D-Druck transportieren? Oder welche Rolle werden Drohnen beim Transport von Gütern spielen? Wir beteiligen uns in diesem Zusammenhang an Start-ups, die sich mit Drohnentech­nologie beschäftigen. Bei uns lernen demnach Boxen fliegen. So könnten Container von einer Drohne von einem zum anderen Terminal geflogen werden“, sagt Titzrath.

Intelligente Logistik für weniger Staus wichtig für die Wirtschaft

Doch vorerst bestehe die nächste Herausforderung darin, die größere Anzahl von Containern der Megaboxer (Ultragroße Containerschiffe) so ins Hinterland zu transportieren, dass es nicht zu einem Verkehrskollaps auf den Straßen rund um den Hafen komme. „Um dies zu vermeiden, haben wir gemeinsam mit dem anderen Hamburger Containerterminalbetreiber Eurogate ein Slot-Buchungsverfahren für Lkw eingeführt“, so Titzrath.

Für manchen Spediteur sei es zunächst schwer, dies zu akzeptieren, dass er seine Ladung nur noch in einem vorab gebuchten Zeitfenster bringen oder abholen könne. „Doch ohne Planung und Organisation werden wir die zu erwartenden Mengen eben nicht pünktlich und zuverlässig bewältigen können. Aber genau das erwarten unsere Kunden von uns. Das Log-Buchungsverfahren ist eben ein notwendiges Steuerungsverfahren für die Transportströme der Zukunft“, erklärt Titzrath.

"Roboter haben Bilder von der Front der Objekte, kennen aber auch die Dimensionen, die dahinterliegen: Sie haben also exakte Stammdaten", sagt Moritz Tenorth, Magazino

"Roboter haben Bilder von der Front der Objekte, kennen aber auch die Dimensionen, die dahinterliegen: Sie haben also exakte Stammdaten", sagt Moritz Tenorth, Magazino. - Bild: BVL/Kai Bublitz

2D-/3D-Kameras, Lidar & Co in der Silicon Economy: Was tun mit all den Daten?

Moritz Tenorth von Magazino erklärt, welches Potenzial in den von Robotern erfassten Daten liegt. Denn die Roboter schauten mit 2D-Kameras in die Welt und nähmen mit 3D-Kameras Objekte wahr. „Was steckt dahinter und wie genau sehen die Daten aus und was kann man in Zukunft alles damit machen“, fragt Tenorth.

Das Thema Data Management wird immer wichtiger

So führen die Roboter autonom durch das Lager und arbeiteten mit dem Menschen zusammen. Die Roboter übernähmen die gleichen Aufgaben wie ein Mensch. „Sie bekommen die gleichen Daten, greifen die gleichen Objekte und fahren in identischer Umgebung. Allerdings legen Menschen ein Objekt nie an die genau vorberechnete Stelle ab, sondern sie sind meist etwas verdreht. Das heißt, dass ein Roboter sein Vorwissen, das er hat, immer gegencheckt, wie die Objekte wirklich liegen und ob er seine Arbeit anpassen muss.“ Ist auch wirklich Platz da, wo er ein Objekt ablegen müsse? Das sei ein ganz wichtiger Faktor in der kollaborativen Robotik. Die Roboter müssten also ihre Umgebung zwingend wahrnehmen können, wenn auch Menschen dort arbeiteten. „Dafür sind die entsprechenden Sensordaten wichtig, damit der Roboter erkennt, wie die Welt wirklich aussieht, sodass er dann seine Aktionen starten kann.“

'Out of duty' gibt es nicht mehr

Der Roboter habe auch Vorwissen dank einer 3D-Karte und könne mittels Laserscanner Hindernisse erkennen. „Roboter merken sich auch, welche Objekte sie transportiert haben sowie deren Nachbarobjekte und so entsteht mit der Zeit ein komplettes Bild, an welchem Lagerplatz welches Objekt liegt.“ Dieses Bild werde somit ständig aktualisiert, die Roboter integrierten diese Informationen und man habe somit immer den aktuellen Lagerbestand an jeder Position. „Das ist natürlich perspektivisch für eine Inventur und das Tracking von Objekten eine sehr wertvolle Information.“

Digitales Abbild der Objekte

Ein weiterer Punkt: „Man kann mehr Informationen über Objekte sammeln. Die Roboter haben Bilder von der Front der Objekte, kennen aber auch die Dimensionen, die dahinterliegen – sie haben also exakte Stammdaten. Weil man somit weiß, wie groß die Objekte sind und perspektivisch auch wie schwer sie sind, ließe sich alles besser optimieren: Wo man sie hinlegt, Prozesse zur Ein- und Auslagerung, den Versand und viele andere Dinge.“ Dabei seien diese weiteren Informationen nur ein Abfallprodukt der Roboter, die durchs Lager führen und diese Daten erfassten und pflegten.

Alle Infos in den Data Spaces immer online verfügbar

Ein weiterer Punkt sei aus den Daten abzuleiten, wie man das Lager optimieren könne. Man habe jetzt deutlich aktuellere Informationen, welche Objekte wo lägen und wie einfach sie zugänglich seien (unten oder oben auf dem Stapel/im Regal). „Außerdem wissen wir aus dem WMS, wie oft sie bestellt werden und welche Objekte für die nächsten Tage vorgemerkt sind oder was je nach Saison stark nachgefragt wird. Diese Daten zu integrieren, ermöglicht uns dann, Prozesse zu realisieren wie eine generelle Verdichtung nach einer klassischen A-B-C-Struktur. Wir könnten auch gezielt laut Vorhersage bald benötigte Objekte nach vorne bringen oder sie so platzieren, dass sie für den Menschen ergonomisch zu greifen sind.“

Digitale Infrastruktur stützt Materialfluss und Wirtschaft

Müsste man Menschen dafür bezahlen, lohne sich Verdichtung nicht. Bei Robotern hingegen könnten die ruhigeren Nachtstunden für derartige Optimierungen genutzt werden, um für den nächsten Tag besser gerüstet zu sein. Man könne also auch mit statischen Informationen viel gewinnen, viele Analysen machen und ein sich selbst optimierendes System schaffen, dass aus den Daten lerne. „Im Roboter selbst nutzen wir die gewonnenen Daten natürlich auch, um über die Zeit besser zu greifen.“ Kombiniere man also die Daten mit Robotern, könne man anhand dieser Daten auch handeln oder das System handele selbstständig. „Da sehe ich sehr großes Potenzial – vor allem wenn man dies mit Technologien wie der Cloud, Machine Learning und AI-Methoden kombiniert.“

Man darf gespannt sein, weche Awards beispielsweise beim nächsten Zukunftskongress Logistik in Richtung Künstliche Intelligenz zielen. Und nicht nur beim Logistik IML oder im Silicon Valley, sondern global gibt es für die Themen Plattformen, Software, KI und dergleichen aktuell  internationale Bemühungen und Entwicklungen.

Sie möchten gerne weiterlesen?